Humanae Vitae, Paul VI., Wojtyla und die Fake News

VATIKANSTADT – Hat Kardinal Karol Wojtyla wirklich Paul VI. gebeten, eine Instruktion zu veröffentlichen, um die Unfehlbarkeit der Enzyklika Humanae Vitae zu bekräftigen? Das ist die Interpretation, die im von Pawel Galuska veröffentlichen Buch „Karol Wojtyla und Humanae Vitae“ in Bezug auf einen Brief des damaligen Erzbischofs von Krakau an Paul VI. gegeben wird. Aber es ist eine irreführende Interpretation. Oder besser: „Fake News“.

So hat es Monsignore Livio Melina definiert, der ehemaliger Vorsitzende des Päpstlichen Institutes Johannes Paul II. für Studien für Ehe und Familie und Doktorvater der Dissertation, die zur Veröffentlichung des vom Verlag Cantagalli herausgegebenen Buches von Galuska führte. Auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller, emeritierter Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, war bei der Präsentation des Buches anwesend.

Auf mehr als 500 Seiten zeigt das Buch die Beteiligung von Kardinal Wojtyla an der Enzyklika, sowohl in der vorbereitenden Kommission, als auch in der endgültigen Ausarbeitung. Es berichtet, wie der Kardinal von Krakau eine echte Arbeitsgruppe gebildet hat, und wie er ein Schreiben für die Kommission verfasste, in dem er die traditionelle Lehre der katholischen Kirche bekräftige und Paul VI. in seiner Entscheidung unterstützte, auf diesem Weg weiterzugehen, auch gegen die öffentliche Meinung. Am Ende unterstreicht Galuska den Einsatz des damaligen Kardinals Wojtyla bei der Verteidigung der Enzyklika. Auch dadurch, dass dieser an den Papst schrieb.

Der Brief an den Papst und das Schreiben für die Kommission wurden vollständig als Anhang im Buch abgedruckt. Und der Brief ist es, der die ganze Sorge Karol Wojtylas um die Rezeption des Textes zum Ausdruck bringt.

Kardinal Wojtyla schlug Paul VI. eine fünfteilige Instruktion vor, unter Berücksichtigung der Bischöfe, die kritische Anmerkungen zur Enzyklika gemacht hatten. Der Brief ist sehr präzise und rigoros abgefasst. Es ginge darum, so Kardinal Wojtyla, in Erinnerung zu rufen, dass die in der Enzyklika betonten Dinge Teil des ordentlichen Lehramtes der Kirche sind und dass dieses unfehlbar ist. Und im Hinblick auf jene, die hervorgehoben hatten, dass die von Pius XII. eingerichtete und von Paul VI. erweiterte Kommission zu diesem Thema mehrheitlich gegenteilige Meinungen abgegeben hatte, antwortete Kardinal Wojtyla, dass Glaubensfragen keine Fragen von „Mehrheit oder Minderheit“ sind.

„Wenn man den Brief aufmerksam liest, dann versteht man, dass Kardinal Wojtyla Paul VI. nicht auffordert, deren Unfehlbarkeit zu erklären, sondern einfach zu betonen, dass sie Teil des ordentlichen Lehramtes der Kirche und somit unfehlbar ist“, erläuterte Monsignore Melina.

Das scheint Haarspalterei zu sein, ist es aber nicht. Es ist ein grundlegender Schritt in der Debatte um die Enzyklika des seligen Pauls VI., der bald heiliggesprochen werden wird. Und es zeigt auch die Art und Weise, in der Johannes Paul II. die mit einem so schwer rezipierbaren Text wie Humanae Vitae einhergehenden Schwierigkeiten überwunden hat.

Kardinal Müller erklärte, dass die Enzyklika „die sterile Alternative der künstlichen und natürlichen Geburtenregelung überwindet“ und stellte fest, dass „wir heute – wie damals – vor denselben Fragen stehen.“

„Die Säkularisierung, die den Menschen täuscht, indem sie ihn Gottes beraubt, bedeutet für den Menschen keinerlei Fortschritt auf dem Weg der Vollkommenheit, sondern offenbart sich als ein enormes Defizit auf anthropologischer Ebene. Sie überlässt den Menschen der Verzweiflung und Nutzlosigkeit, ihr Paradigma ist der Nihilismus“, fügte er hinzu.

Kardinal Müller wies deshalb mahnend darauf hin, dass die Botschaft von Humanae Vitae positiv sei, weil die Kirche damit eine vollständige Sicht des Menschen garantiere. Und er kritisierte die jüngsten Entwicklungen in der diesbezüglichen theologischen Debatte heftig.

„Die gegenwärtigen Versuche, die letzten drei Pontifikate unter dem Vorwand, sie würden den Gläubigen eine heterodoxe Lehre auferlegen, in einen Widerspruch zu bringen, sind ein Verbrechen gegen die Kirche und ein Verrat an ihrer Mission und ihrem Auftrag, deren Ziel es ist, den von den Aposteln auf authentische Weise überlieferten Glauben zu bewahren“ betonte er.

Nicht nur das. Es war auch Rede von einer Kommission zur Überprüfung von Humanae Vitae, die Professor Gilberto Marengo, Leiter des Projekts, etwas bescheidener als Studiengruppe definierte. Kardinal Müller jedoch hat sie als „geheime Kommission“ bezeichnet und gefordert, dass sie „zu keiner Veränderung der katholischen Lehre führen darf“; denn wenn man in der Debatte so weitermacht wie vorgeschlagen, „bliebe man an einem Dualismus verhaftet und leistete der Kirche einen schlechten Dienst.“

„Auf diese Weise“, so der Kardinal, „lösen sich die Konflikte nicht, sondern es werden neue Spaltungen geschaffen.“

Die Spaltungen wurden auch von Monsignore Melina angeprangert. Er ging in seinem Beitrag von dem Schreiben aus, das der Erzbischof von Krakau an Paul VI. gesandt hatte. Wojtyla war eine Teilnahme nicht möglich gewesen, da ihm das kommunistische Regime kein Visum erteilt hatte.

„Wojtyla zeigt sich unzufrieden hinsichtlich der naturrechtlichen und moralistischen Argumente, die einige als Grundlage heranzogen, da sie auf der Sakralisierung physiologischer Prozesse zu beruhen schienen. Es bestand aber auch die Gefahr eines spiritualistischen Personalismus, der im Namen der Liebe die Natur und den Körper leugnete, die als Objekt der Manipulation betrachtet wurden“, so Melina.

Erstere wussten die sexuelle Natur nicht wertzuschätzen, die andere hielten sie für eine rein biologische Situation.“

Und so knüpfte der Erzbischof von Krakau, ausgehend von Gaudium et Spes, Kontakt mit jungen Paaren, Ärzten und Psychologen, um dahin zu gelangen, „den Wert des Körpers und die innere Verbundenheit der Sexualität zu erkennen und in einer angemessene Anthropologie zu integrieren.“

Und das, fügte Monsignore Melina hinzu, „bot Papst Montini überzeugende Argumente, die die Katechesen der Theologie des Leibes noch vollständiger ausführen würden.“

Alle Arbeiten von Johannes Paul II. beginnen daher von den Studien in seiner Zeit als Mitglied der „Päpstlichen Kommission zur Erforschung der Bevölkerung, Familie und Geburtenrate.“

Dieses „beratende“ Organ versammelte Personen unterschiedlichster Herkunft und aus vielen Teilen der Welt. Die Publizistik, auch durch Dokumente, die den Zeitungen übermittelt wurden (und die wir heute Leaks nennen würden), hat dieser Kommission dann eine entscheidende Rolle beim „Ja zur Pille“ gegeben, das dann von Paul VI. angefochten wurde. Bereits die Dokumente von Bernardo Colombo, einem der Experten der Kommission, widerlegen diese Idee. In einem Artikel in der Zeitschrift „Teologia“ aus dem Jahre 2003 betonte Colombo, dass der Bericht über die Mehrheit zum „Ja zur Pille“, die in den Zeitungen veröffentlicht wurde, nur einen von zwölf Vorträgen repräsentiere.

Die Veröffentlichung der „Schrift aus Krakau“, der Brief von Karol Wojtyla an Paul VI. aus dem Jahr 1969, die späteren Arbeiten des heilige Johannes Paul II. stellen somit sicherlich einen Gegensatz zu den Fake News das, die sich anlässlich des 50. Jahrestages der letzten Enzyklika von Papst Montini verbreitet haben und verbreiten. (CNA Deutsch)