Kardinal Müller: „Kardinal Lehmann prägte Stil der Theologie“

Der emeritierte deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller würdigt den verstorbenen Karl Lehmann als herausragenden Theologen. „Er ist ein guter Lehrer dafür, dass man den Glauben nicht mit einer Ideologie verwechseln darf“, sagte Müller, der Lehmann seit Jahrzehnten kannte, im Gespräch mit Vatican News.

P. Bernd Hagenkord SJ – Vatikanstadt.

Kardinal Müller: „Karl Lehmann ist eine herausragende Bischofsgestalt, ein großer Theologe mit profunden Kenntnissen, vor allen Dingen ist auch hervorzuheben sein Umgang mit der Heiligen Schrift.“

Vatican News: Sie kennen ihn seit Ihrem eigenen dritten Studiensemester. Was haben Sie von ihm als theologischem Lehrer gelernt?

Kardinal Müller: „Er ist ja nach Mainz gekommen, als ich gerade im dritten Semester war. Dogmatik ging erst im fünften Semester an. Aber die meisten von uns sind dann schon zu Karl Lehmann gegangen, weil er einen besonderen Ruf hatte und weil seine Vorlesungen nicht so ganz konventionell aufgebaut waren, sondern er ist die Sache vor allem problemorientiert angegangen. Diese immense Literaturkenntnis, sein ungeheures Gedächtnis, nicht nur für Personen, das ist vielen aufgefallen, aber auch für die Autoren, für die Problemstellungen in verschiedensten Zusammenhängen, das war vorbildlich und hat eine Methode beeinflusst, Theologie zu treiben. Das ist etwas Besonderes gewesen. Es hat auch den Stil der Theologie geprägt, daran können auch junge Theologen sich eine Scheibe abschneiden. Das Problembewusstsein, das erst einmal erarbeitet werden muss, um eine qualifizierte These vorzutragen, darin ist er auch vorbildlich.“

Vatican News: Sie haben später mit ihm in der Bischofskonferenz zusammengearbeitet, war das derselbe Karl Lehmann, hat er auf dieselbe Weise die Bischofskonferenz geleitet, wie er Theologie betrieben hat?

Kardinal Müller: „Er ist immer Professor geblieben. Aber wenn man so in der Theologie zu Hause ist in jungen Jahren, dann kann man das nicht ablegen, und es ist auch nicht notwendig. Man kann es jeder Bischofskonferenz nur wünschen, dass sie unter ihren Mitbrüdern auch gute, ausgewiesene Theologen haben. Karl Lehmann war dann immer auch sehr politisch orientiert. Er ist ein guter Lehrer dafür, dass man den Glauben nicht mit einer Ideologie verwechseln darf. Deshalb ist es wichtig, dass Karl Lehmann den Dialog gepflegt hat, indem er die Wahrheit auch in gegenteiligen Positionen erkannt hat. Er ist ein gutes Beispiel darin, dass er seine ganzen Fähigkeiten eingebracht hat, aber trotzdem auch bescheiden hinter dem Berg des Ganzen zurücktrat. Das ist, glaube ich, Dialog.“ (vatican news)

D: Gebetsaufruf für schwerkranken Kardinal Lehmann

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat zum Gebet für Kardinal Karl Lehmann aufgerufen. Der Gesundheitszustand des 81-jährigen Kardinals sei „kritisch“, schreibt Kohlgraf in einem Brief an die Pfarrgemeinden und Mitarbeiter, der am Montag veröffentlicht wurde.

Seit September vergangenen Jahres kämpfe Lehmann mit den Folgen eines Schlaganfalls und einer Hirnblutung. „Nun schwinden seine Kräfte deutlich, so dass wir in nächster Zeit um sein Leben bangen müssen“, so Lehmanns Nachfolger als Bischof von Mainz. Der Kardinal sei ruhig und gelassen und habe „signalisiert, dass er sich nun auf den Weg macht – das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise.“

Lehmann war von 1983 bis Mai 2016 Bischof des Bistums Mainz, dessen Gebiet in Rheinland-Pfalz und Hessen liegt. Von 1987 bis 2008 war er außerdem Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. (Vatican News)

Großbritannien/ Deutschland: Positiver „Franziskus-Effekt“

Erzbischof Robert ZollitschKnapp anderthalb Monate nach seiner Wahl zum Papst hat Franziskus in vielen Teilen der Weltkirche ein gutes Zeugnis bekommen. So äußerten sich am Wochenende zum Beispiel mehrere deutsche Bischöfe positiv über den Papst aus Lateinamerika. Das Ansehen der katholischen Kirche und ihres Glaubens habe sich deutlich verbessert, sagte Erzbischof Robert Zollitsch in Baden-Baden; nun sei es wieder „interessant, katholisch zu sein". Franziskus predige nicht nur Einfachheit und menschliche Nähe, sondern lebe sie auch. In Großbritannien strahle Franziskus‘ Botschaft der Einfachheit und Demut weit über die katholische Kirche hinaus, sagte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, Vincent Nichols. Er war in diesen Tagen in Rom.

„Es scheint, dass alle von der Sprache, der Sanftheit und der Demut von Papst Franziskus beeindruckt sind. Im Flugzeug nach Rom saß ich neben einem Paar: Die beiden sprachen von einem Neuanfang für die Kirche mit Papst Franziskus. Am Ende unseres Gespräches fragte ich sie, ob sie katholisch seien und sie sagten mir: ,Nein, aber wir sehen klar, was passiert, und der Papst berührt auch unser Leben‘. (…) Franziskus hat wirklich die Mehrheit der Menschen berührt, nicht nur die katholische Gemeinschaft."

Kardinal Karl Lehmann warnte derweil vor zu hohen Erwartungen an den Papst. Vom Papst alles zu erwarten, sei nicht katholisch, sagte Lehmann am Sonntag in Worms. Da werde ein Mythos aufgebaut; ein Papst könne Anstöße geben und sicher etwas beschleunigen. Man dürfe von ihm aber keine „theologische Neugeburt" erwarten, so Lehmann. (rv)