Kardinal Brandmüller: „Nostra Aetate nicht dogmatisch bindend“

Der deutsche Kurienkardinal Walter Brandmüller hofft auf eine Rückkehr der schismatisch orientierten Piusbruderschaft zur römisch-katholischen Kirche. Das sagte er am Montag im Gebäude von Radio Vatikan in Rom. Der frühere vatikanische Chef-Historiker stellte vor Journalisten ein Buch über das Zweite Vatikanische Konzil vor; dabei sagte er:

„Wir hoffen, dass der Versuch des Heiligen Vaters, die Kirche zu einen, gelingt – auch mit Blick auf die Lefebvrianer. Es ist die Historizität jedes Konzils, die einen Ausgangspunkt für einen fruchtbaren Dialog mit den Lefebvrianern darstellt. Wenn wir uns über den unterschiedlichen kanonischen Charakter der verschiedenen Konzilsdokumente klarwerden, sehen wir, ob sich eine Tür öffnet für eine Fortsetzung des Dialogs über das rechte Verständnis der verschiedenen Dokumente. Es gibt einen großen Unterschied etwa zwischen den großen Konstitutionen, z.B. „Sacrosanctum Concilium", „Dei Verbum" oder „Lumen Gentium", und den einfachen Erklärungen des Konzils…"

Brandmüller reagierte mit diesen Worten auf die Frage einer Journalistin. Weiter führte er aus:

„Seltsamerweise haben die beiden umstrittensten Texte, nämlich „Nostra Aetate" und „Dignitatis Humanae", nach der Einschätzung meines verehrten Professors in Kirchenrecht Klaus Mörsdorf, keinen lehrmäßig bindenden Inhalt. Also kann man darüber reden! Und um die Wahrheit zu sagen: Ich verstehe unsere Freunde von der Piusbruderschaft nicht, die sich fast ausschließlich auf diese beiden Texte konzentrieren. Es tut mir leid – denn das sind die am einfachsten zu akzeptierenden Texte, auch wenn wir ihre kanonische Natur bedenken!"

Mörsdorf war Ordinarius für Kirchenrecht in München, wo er 1989 starb. „Nostra Aetate" und „Dignitatis Humanae" sind beides Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils; in der ersten geht es um das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum, in der zweiten um Menschenwürde und Menschenrechte. Auf die Nachfrage eines Journalisten, wie verbindlich diese Konzilserklärungen für einen Christen denn nun seien, erklärte Kardinal Brandmüller:

„Natürlich muss man sie ernstnehmen, als Ausdruck des lebendigen Lehramts! Aber ohne die ganze Kirche binden zu wollen, damit sie diese Formel akzeptiert, in der sie sich befinden."

Brandmüller war von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften; Papst Benedikt machte ihn 2010 ehrenhalber zum Kardinal. Die Piusbruderschaft zweifelt nicht nur an Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils, sondern geht auch in der Liturgie einen Sonderweg. Die vatikanische Glaubenskongregation hat den Piusbrüdern im September 2011 eine „Lehrmäßige Präambel" überreicht; nur wenn sie diesen Text ohne Vorbehalte akzeptieren, können die Anhänger des verstorbenen schismatischen Erzbischofs Marcel Lefebvre wieder zurück in den Schoß der römischen Kirche.

Einen deutlich anderen Akzent als Brandmüller hat Kardinal Kurt Koch unlängst gesetzt. Bei einem Festakt am Mittwoch letzter Woche in Rom sprach der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates über „Nostra Aetate". Dabei stellte er klar, dass die Konzilsdokumente, einschließlich „Nostra aetate" mit seinen Aussagen zu Kirche und Judentum, für alle Katholiken bindend seien. Man könne nicht Katholik sein, ohne das Zweite Vatikanische Konzil und die daraus folgende kirchliche Lehre zu akzeptieren. „Denn alle Dokumente, Dekrete und Konstitutionen des Konzils sind für jeden Katholiken bindend", so der Kardinal wörtlich. Koch ist der Vatikanverantwortliche für den Dialog mit dem Judentum. Seine wesentlichen Aussagen wurden auch von der Vatikanzeitung „L`Osservatore Romano" wiedergegeben. (rv)

Vatikan: Kardinal Brandmüller nimmt San Giuliano dei Fiamminghi in Besitz

Kardinal Walter Brandmüller hat an diesem Sonntagmorgen die römische Kirche San Giuliano dei Fiamminghi als Titelkirche in Besitz genommen. Brandmüller hatte die Diakonie in der Nähe des Largo Argentina bei seiner Ernennung zum Kardinal im November 2010 zugewiesen bekommen. Für ihn stelle das Gotteshaus im Zentrum Roms ein Symbol der universalen Kirche dar, so der Kardinal bei dem vom ihm selbst geleiteten Gottesdienst auf Latein und Italienisch. In seiner Predigt sprach Brandmüller, der von 1998 bis zu seiner Pensionierung Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften war, von den „geistigen Fundamenten" des Menschen: Es komme im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich darauf an, „auf Fels gebaut" zu sein und das Wort Gottes in die Praxis umzusetzen. (rv)

Kardinal Brandmüller zur Zölibatsdebatte: „Zum Überdruss belästigt“

Mit scharfen Worten widerspricht Kardinal Walter Brandmüller deutschen CDU-Politikern, die letzte Woche schriftlich um die Weihe von „viri probati" zu Priestern gebeten haben. In einer Stellungnahme für die „Frankfurter Allgemeine" spricht der frühere Chef-Historiker des Vatikans von der Fortsetzung einer alten Kampagne.
 „Was legitimiert Sie als Politiker, zu einem innerkirchlichen Thema Stellung zu beziehen, das Sie weder von Amts wegen noch persönlich betrifft?" So steigt Brandmüller, der von Papst Benedikt kürzlich in die Reihe der Kardinäle aufgenommen wurde, in seine Stellungnahme ein. „Ihre Berufung auf den Priestermangel erscheint in einem merkwürdigen Licht, bedenkt man die immer geringer werdende Zahl von Gottesdienstbesuchern und Gläubigen, die die Sakramente empfangen wollen", schreibt er. Und weiter: „Wenn Sie dennoch auf Ihrem Begehren bestehen, nähren Sie den Verdacht, es gehe dabei nicht nur um den Zölibat, sondern um ersten Schritte hin zu einer ‘anderen Kirche’." Ein solcher „deutscher Sonderweg" führe „in die Nähe eines Schismas, einer Nationalkirche".
Nach Ansicht von Kardinal Brandmüller setzen die CDU-Granden „nur eine Kampagne fort, die in Deutschland seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts in Gang ist – und die bis heute gescheitert ist". Sie stellten eine „Lebensform" in Frage, „die von der überwältigenden Zahl der Priester überlegt und aus freien Stücken übernommen wurde und treu gelebt wird". Diese Priester könnten sich durch die „Kampagne" beleidigt fühlen. „Es kommt Ihnen anscheinend nicht in den Sinn, dass Sie damit auch Jesus Christus, den Sohn Gottes, selbst beleidigen", so der Kardinal. Schließlich habe auch dieser bewusst ehelos gelebt.
Kardinal Brandmüller weist darauf hin, „dass der Zölibat der Priester auf apostolischer Tradition beruht". Zwar seien in der frühen Kirche tatsächlich „verheiratete Männer zu Bischöfen und Priestern geweiht" worden, doch hätten diese von da an nicht „die eheliche Gemeinschaft" fortgesetzt. Die Weltkirche und auch ein Konzil könnten und dürften „eine apostolische Überlieferung nicht ignorieren". Die von den CDU-Politikern angestoßene Diskussion habe „viele schon zum Überdruss belästigt und beleidigt und darüber hinaus die Verwirrung unter den Gläubigen vermehrt", urteilt Brandmüller. (rv)

Papst: „Universum trägt die Handschrift Gottes“

„Das Universum ist nicht durch Zufall entstanden, wie einige uns glauben machen wollen": Das hat Papst Benedikt an diesem Donnerstag betont. Bei seiner Messe in St. Peter zum Hochfest der Erscheinung des Herrn rief er dazu auf, „die Handschrift Gottes" im Universum wahrzunehmen: „Hinter der Schönheit der Welt, in ihrem Geheimnis, ihrer Größe und ihrer Rationalität nehmen wir eine ewige Vernunft wahr." Der britische Astrophysiker Stephen Hawking hatte im letzten Sommer Aufsehen erregt mit seiner Aussage, eine Erklärung der Welt komme ohne Gott aus.
 Zwei Bayern waren es, die diesmal in St. Peter konzelebrierten: Neben Papst Benedikt stand der neuernannte Kardinal Walter Brandmüller, der sich übrigens als Historiker eingehend mit dem historischen Stern von Betlehem beschäftigt hat. Brandmüller ist von der historischen Wahrheit dieses Sterns, der die Weisen aus dem Osten aufmerksam machte, überzeugt, aber Papst Benedikt setzte in seiner Predigt den Akzent anders: „Was für ein Stern das war, das ist natürlich eine interessante Frage, aber sie führt uns nicht zu dem, was an diesem Stern wesentlich ist", meinte er. Der Stern stehe vielmehr dafür, „dass Gott sich finden läßt, dass er Zeichen gibt, ja dass er sich uns nähert". Dass das Evangelium von den Sterndeutern die Geschichte einer Globalisierung des christlichen Heilsversprechens ist, dafür zeugten in St. Peter u.a. Fürbitten in den Sprachen Swahili und Tamil.
„Die Sterndeuter suchten nicht den Himmel ab, um in den Sternen die Zukunft zu lesen und daraus Gewinn zu schlagen", meditierte Papst Benedikt; „vielmehr waren sie Menschen auf der Suche nach dem wahren Licht, das uns den Weg des Lebens zu erhellen vermag. Sie waren sich sicher, dass es in der Schöpfung eine Handschrift Gottes gibt – eine Handschrift, die sich entziffern läßt."
Die Christen von heute sollten sich nachdenklich stimmen lassen durch die Reaktion von König Herodes und seinen Schriftgelehrten auf das Erscheinen der Weisen aus dem Osten. Denken nicht auch wir oft wie Herodes, dass Gott ein Rivale für uns ist, der uns etwas streitig macht?, fragte der Papst. Und „gibt es nicht auch in uns die Versuchung, die Heilige Schrift mehr als Studien- und Diskussionsobjekt zu sehen und nicht vielmehr als die Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung – eine Wahrheit, die uns auf den Weg schickt"?
„Über der großen Stadt verschwindet der Stern – man sieht ihn nicht mehr. Was bedeutet das? Auch hier müssen wir tiefer blicken. Die Sterndeuter hatten den neuen König im königlichen Palast gesucht, doch zu ihrer Verblüffung mußten sie feststellen, dass er nicht an diesem Ort der Macht und der Kultur war. Sie mußten feststellen, dass die Macht – auch die des Wissens – manchmal den Weg zur Begegnung mit dem gesuchten Kind verbauen kann. Als der Stern sie dann nach Betlehem führt, finden sie den König der Welt bei den Armen und Einfachen. Die Kriterien Gottes sind andere als die der Menschen."
Das sei eine Anfrage an uns heute, so Benedikt XVI. weiter.
„Wenn man uns fragen würde, wie Gott die Welt hätte retten sollen, dann würden wir doch vielleicht auch antworten: indem er seine Macht zeigt und der Welt ein gerechteres Wirtschaftssystem gibt, in dem jeder das hätte, was er will! Aber in Wirklichkeit würde das dem Menschen Gewalt antun – es würde ihn wesentlicher Elemente, die ihn ausmachen, berauben. Weder unsere Freiheit noch unsere Liebe wären noch gefragt. Nein, Gottes Macht zeigt sich ganz anders: in Betlehem, in der scheinbaren Machtlosigkeit seiner Liebe."
Übrigens – allein durch die Naturbeobachtung wären die Sterndeuter aus dem Osten nie und nimmer bis zum neugeborenen König, den sie suchten, gekommen, so der Papst: Die „Sprache der Schöpfung gibt uns nicht das endgültige Licht." Die Sterndeuter hätten vielmehr die Heilige Schrift zu Rate ziehen müssen: „Das Wort Gottes ist der wahre Stern, der uns inmitten der Unsicherheit des menschlichen Redens das Licht der göttlichen Wahrheit anbietet", so Benedikt XVI. (rv)