Fisichella: Franziskus will Barmherzigkeit erfahrbar machen

Rino FisichellaAlle Priester der katholischen Kirche dürfen während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit von der Sünde der Abtreibung lossprechen. Das hat Papst Franziskus in einem Brief bestimmt, in dem er einiges zur Praxis von Beichte und Ablass während des im Dezember beginnenden Jubiläumsjahres festlegt. Normalerweise ist diese Lossprechung Bischöfen sowie jenen Priestern vorbehalten, die von ihnen den Auftrag dazu bekommen. In einigen Ländern, wie etwa in Deutschland oder auch in den USA, haben bereits alle Priester diese Erlaubnis, nun gilt das für die gesamte Kirche für ein Jahr.

Ausführlich schreibt der Papst über die verschiedenen Gründe, die zu einer Abtreibung führen können, beginnend vom Verlust der Sensibilität für die Annahme neuen Lebens bis zum Druck, der etwa durch Flucht und Vertreibung entsteht. „Ich weiß, dass dies eine existentielle und moralische Tragödie ist. Ich bin sehr vielen Frauen begegnet, die in ihrem Herzen die Narben dieser leidvollen und schmerzhaften Entscheidung trugen,“ so der Brief. Die Vergebung Gottes könne aber Menschen, die „mit ehrlichem und aufrichtigem Herzen das Sakrament der Versöhnung“ empfangen wollten, nicht versagt werden. Deswegen habe er „ungeachtet gegenteiliger Bestimmungen“ entschieden, dass alle Priester die Lossprechung für die Sünde der Abtreibung geben können. Radio Vatikan sprach mit dem Empfänger des Schreibens, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung, Rino Fisichella, über seine Reaktion:

„Der Geist dieses Schreibens findet sich in der Aussage des Papstes, in der sofort deutlich wird, dass er sich wünscht, dass das Heilige Jahr eine Erfahrung der Nähe des Vaters und seiner Zärtlichkeit werde. Das ist der Schlüssel zu dem gesamten Schreiben. Mit diesem Wunsch drückt der Papst aus, dass er die Barmherzigkeit für jeden direkt erfahrbar machen will, mit den eigenen Händen und den eigenen Augen. Es ist eine Erfahrung der Nähe Gottes, der Liebe und der Vergebung.“

Papst Franziskus regelt in dem Schreiben auch die Frage der Ablässe, also des Erlasses der Strafen für begangene Sünden, die traditioneller Weise mit dem Heiligen Jahr verbunden sind. Er betont, dass die Sakramente der Beichte und der Eucharistie eine besondere Rolle bei diesen Ablässen spielen und schließt ausdrücklich das Gebet für sich und seine Anliegen in die Feiern dieser Sakramente ein. Außerdem legt er fest, dass diese Feiern nicht nur in Rom, sondern an allen dazu eingerichteten so genannten „Heiligen Pforten“, in Bischofskirchen und Wallfahrtsorten, gefeiert werden können.

„Papst Franziskus stellt den Ablass ins Zentrum dieser Barmherzigkeit und der großen Liebe Gottes, die Konsequenzen unserer Schuld auf sich nimmt. Er zeigt uns, wie wir von dieser Erfahrung leben und die Erlösung von unseren Sünden in unseren Alltag übertragen müssen. Wir dürfen nie vergessen, dass wir ohne Angst um die Vergebung Gottes bitten dürfen, weil Gott sich nie von uns entfernt.

Der Papst denkt in seinem Schreiben auch an diejenigen, die nicht selber an die Orte der Feiern gelangen können, so etwa an alte Menschen, Kranke und Gefangene. Auch sie können durch Gebet an der besonderen Gnade des Heiligen Jahres teilhaben

„Franziskus zeigt ihnen, dass sie mit dem Heiligen Tor auch die Riegel ihrer Zellen aufschieben können und sie zu einer Erfahrung des Freigangs machen können, der Umkehr, der Erneuerung. Dieser Brief hilft uns, zu reflektieren, die Ärmel hochzukrempeln und uns ganz auf diesen Weg des Heiligen Jahres einzulassen.“ (rv)