Papst reist im September nach Kolumbien

Papst Franziskus besucht noch in diesem Jahr Kolumbien. Die Reise von 6. bis 11. September wurde an diesem Freitag zeitgleich im Vatikan und in Kolumbien angekündigt. Auch das Motto steht bereits fest: „Demos el primer paso“ – zu Deutsch: „Tun wir den ersten Schritt.“ In einer Erklärung begrüßen Kolumbiens Bischöfe die Ankündigung. Franziskus sei ein „Missionar der Versöhnung“: „Seine Anwesenheit wird uns dabei helfen, wieder zu entdecken, dass wir als Nation einig untereinander leben und uns mit neuen Augen sehen können, voller Hoffnung und Barmherzigkeit.“

„Tun wir den ersten Schritt“

Nach fünfzig Jahren des Bürgerkriegs bestehe jetzt endlich die Chance, am Frieden zu bauen, so die Bischöfe. Dafür brauche es die tägliche Anstrengung aller Bürger Kolumbiens. Sie sollten „den ersten Schritt tun“, um wieder auf ihre Mitmenschen zuzugehen „und unsere Redeweise unserem Nächsten gegenüber abzurüsten“. Der Papst erwarte von der Kirche, „dass wir auf die Straße gehen und beim Aufbau des Friedens an der Seite der Kolumbianer stehen“. „Das ist ein Moment unserer Geschichte, um uns als Land wiederzuentdecken“, schreiben die Bischöfe.

Kolumbiens Präsident Manuel Santos und die linksgerichteten FARC-Rebellen haben Ende letzten Jahres nach jahrelangen Verhandlungen ein Friedensabkommen geschlossen, dessen Umsetzung jetzt angelaufen ist. Schon vor der Unterzeichnung des Abkommens hatte Papst Franziskus seinen Wunsch nach einer Kolumbienreise im Fall eines Friedensschlusses zu erkennen gegeben. Momentan laufen Gespräche zwischen der Regierung und einer weiteren, kleineren Rebellengruppe, der ELN. Für seine Rolle im Friedensprozess hat Präsident Santos den Friedensnobelpreis erhalten. (rv)

Kolumbianischer Kardinal: „Friedensprozess beschleunigen!“

An diesem Dienstag startet in Kubas Hauptstadt Havanna eine neue Runde in den Friedensverhandlungen für Kolumbien. Unterhändler der Regierung von Präsident Manuel Santos und der linksgerichteten FARC-Rebellen sitzen wieder mal an einem Tisch. Dabei arbeiten sie einen Fünf-Punkte-Plan ab, der zu einem Friedensabkommen führen soll. Im ersten Punkt, bei dem es um gerechte Landverteilung geht, haben sie schon eine Grundsatz-Vereinbarung getroffen. „Damit haben sie sich in einem der wichtigsten und kompliziertesten Punkte geeinigt, nämlich der Landfrage." So sieht es der Erzbischof von Bogotà, Kardinal Ruben , bei einer Pressekonferenz.

„Da denken wir schon, dass uns die Verhandelnden damit ein klares Signal geben: Dialog ist möglich, und es ist möglich, durch Gespräche und Abkommen zu einem definitiven Ende des bewaffneten Konflikts zu kommen!" Die schlechte Verteilung von Land sei immerhin einer der Hauptgründe für den jahrzehntelangen Konflikt gewesen. „Darum scheint uns dieses erste Abkommen zu Landfragen sehr wichtig, denn es erlaubt, eine solide Basis für einen baldigen Frieden zu legen."

Auch der zweite der fünf Punkte, um den es seit Dienstag geht, ist knifflig: Politische Partizipation. Sprich: Darf sich die FARC nach einem Friedensschluss umstandslos in eine politische Partei verwandeln? Das Problem ist: Manche legen die Verfassung so aus, dass sie die politische Betätigung von Verurteilten verbietet.

„Keine Straflosigkeit für FARC-Rebellen"

Heißt das: Schwamm über die Verbrechen von FARC-Rebellen nach einem Friedensschluß? Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Opfer, so Kardinal Salazar Gomez:

„Wir wissen alle, dass es Millionen von Opfern gibt. Man spricht von fünf oder sechs Millionen Binnenflüchtlingen; der bewaffnete Konflikt hat das Land und die kolumbianische Gesellschaft im Innern tief verwundet! Millionen von Menschen fordern jetzt also Entschädigungen und Hilfe. Diese Hilfe muss die Opfer soweit bringen, dass sie keine Opfer mehr sind. Ist dieser Punkt erreicht, dann kommen sie vielleicht auch in die Lage, den Tätern vergeben und in einen Versöhnungsprozess eintreten zu können, so dass sie wieder vollwertig am Leben der Gesellschaft teilnehmen."

Eine Versöhnung mit den Tätern darf die Gesellschaft aber nicht ohne oder anstelle der Opfer durchführen, findet der Kardinal von Bogotà. Er fordert, jetzt schon gezielt über die nötigen Maßnahmen nach einem Friedensabkommen nachzudenken, um vorbereitet zu sein.

„Ein Ende des bewaffneten Konflikts wäre nur der erste Schritt, wenn auch ein grundlegender Schritt. Dann muss ein Friede unter allen hergestellt werden, und das verlangt, dass man auch alle mit einbezieht, die Täter waren! Eine Übergangsjustiz und eine Wiedereingliederung der bisherigen Täter in die Gesellschaft sind von großer Wichtigkeit. Man muss sich darauf gut vorbereiten und auch sehr vorsichtig dabei sein; es gilt, nicht in die Falle der Straflosigkeit von Verbrechen zu gehen. Es geht um Vergebung und Wiedereingliederung, aber eben auch um Wiedergutmachung der von ihnen angerichteten Schäden. Das scheint mir der schwierigste Punkt – wenn wir darüber nachdenken, was der Frieden alles so impliziert."

„Nur eine Scheindemokratie"

Kardinal Salazar Gomez hat beobachtet, dass die Friedensgespräche wacklig sind. Kolumbiens Präsident Santos hat den Oppositionsführer von Venezuela empfangen; das hat den neuen venezolanischen Präsidenten Nicolas Maduro dermaßen verärgert, dass damit auch Venezuelas Unterstützung des Friedensprozesses ins Wanken gerät. Dabei ist diese Unterstützung entscheidend. Denn wenn Venezuela wieder zum sicheren Hafen und Rückzugsgebiet für FARC-Kämpfer werden sollte wie in der Vergangenheit, dann machte das wohl dem Friedensprozess den Garaus.

„Darum sollte der Rhythmus dieser Verhandlungen unbedingt beschleunigt werden! Vor sechs Monaten wussten wir, dass es Zeit brauchen würde, um einen Konsens zu finden, und dass man dabei nichts überstürzen dürfe. Aber in den letzten Wochen hat sich doch gezeigt, dass man auch viel schneller vorankommen könnte!"

Aber nicht nur von außen – Venezuela, Kuba, Chile, USA – ist der Friedensprozess gefährdet, sondern vor allem von innen her, aus Kolumbien selbst. Kardinal Salazar Gomez deutet an, dass die führende Elite im Land es als eine Bedrohung ihrer Macht wahrnehmen könnte, wenn im Zug des Friedensprozesses die unteren Schichten der Bevölkerung mehr Rechte bekämen.

„Wir hatten Jahrhunderte lang eine Scheindemokratie, zweifellos war unsere Demokratie in Wirklichkeit immer schwach, zerbrechlich und begrenzt. Eine Demokratie mit vielen Mängeln. Wir sollten jetzt also im Licht der Verfassung von 1991 unsere Vorstellung von Demokratie ausweiten und endlich die Grundlage für eine echte Demokratie legen. Demokratie heißt, dass alle beim Aufbau eines Landes mitmachen!"

Warnung vor Scheitern der Gespräche

Der Kardinal ärgert sich auch über das Herumkritteln am Friedensprozess. Dringend gebraucht werde ein „Ambiente, das einen Friedensschluss stimmungsmäßig vorbereitet".

„Es ist logisch, dass es Ärger, Zweifel und große Fragezeichen über die konkrete Art und Weise gibt, wie die Friedensverhandlungen in Havanna ablaufen. Es ist aber auch klar, dass das in diesem Moment der Königsweg zu einem Ende des bewaffneten Konfliktes ist! Darum würde ich sagen: Wenn dieser Weg scheitert und die Verhandlungen von Havanna abgebrochen werden, dann werden wir wohl viele Jahre lang keine Möglichkeit mehr zu einem Dialog und zu Verhandlungen haben!"

Kardinal Salazar Gomez stehen frühere, gescheiterte Anläufe zum Frieden vor Augen, in den achtziger Jahren. Er weiß, wie groß immer noch die Versuchung in der Führung des Landes ist, eine militärische Beilegung des Konfliktes zu versuchen. Präsident Santos hat sich geweigert, Militäroperationen gegen die FARC auszusetzen – trotz der laufenden Friedensgespräche. Eine heikle Sache. Doch auf Kritik daran lässt sich der Kardinal von Bogotà nicht ein.

„Ich bin sicher, dass die Regierung die größte Anstrengung unternimmt, um zu einem Frieden durchzustoßen. Das Wichtigste wäre aber, dass man jetzt auch eine umfassende Politik entwirft für alles, was ein Frieden im Land wirklich impliziert. Es gibt in Kolumbien so vieles wieder aufzubauen!"

Die zweite Verhandlungsrunde zwischen Regierung und FARC-Rebellen, am Dienstag gestartet, dauert bis Freitag, 21. Juni. Präsident Santos will „vor Jahresende" zu einem Friedensschluss kommen, wie er vor ein paar Tagen bei einem Besuch in London verkündete. Das Kalkül des Staatschefs: Nächstes Jahr sind Parlamentswahlen, da könnte er doch als Friedensengel in den Wahlkampf starten. Dass auch schon eine FARC-Partei auf nationaler Ebene antreten könnte, glaubt in Kolumbien kaum jemand. Doch im Jahr darauf, 2015, finden Regionalwahlen statt: Da könnten sich tatsächlich FARC-Politiker zur Wahl stellen. Vorausgesetzt, es herrschte dann tatsächlich Frieden. (rv)

Frieden in Kolumbien „eine nahezu unmögliche Aufgabe

Der neue Kardinal aus Kolumbien, Rubén Salazar Gómez, ist nicht sehr optimistisch über die Friedensgespräche zwischen Regierung und FARC-Rebellen. Der blutige Konflikt, in dem sich seit einem halben Jahrhundert marxistische Rebellen, Armee und Paramilitärs gegenüberstehen, sei letztlich nur ein Symptom der vielen ungelösten Probleme in Kolumbien, vor allem der sozialen Ungleichheit, sagte Salazar Gómez im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Kolumbien ist ein Land, das einen in sozialer Hinsicht sehr ernsten Konflikt durchmacht. Ein Land, dem das innere Ungleichgewicht praktisch schon von Geburt an mitgegeben worden ist und wo es – aus einer Vielzahl von Gründen – eine enorme Kluft gibt zwischen Reichen und Armen, Gebildeten und Analphabeten, zwischen Leuten, die am sozialen Leben teilnehmen können, und denen, die am Rand stehen. Auch das hat zu dem bewaffneten Konflikt geführt, der vielleicht der älteste noch anhaltende Konflikt in der Welt ist. Millionen von Menschen sind ihm in etwa fünfzig Jahren schon zum Opfer gefallen."

Nirgendwo in Lateinamerika hat sich die Schere zwischen Arm und Reich so weit geöffnet wie in Kolumbien. Am letzten Dienstag trafen sich in der kubanischen Hauptstadt Havanna Unterhändler von Kolumbiens Regierung und FARC-Rebellen zu einer neuen Gesprächsrunde. Die Verhandlungen scheinen zwar gut voranzugehen, doch stellt die Regierung auch während der Gespräche ihre Armee-Operationen gegen die FARC keineswegs ein. Die FARC haben einen einseitigen Waffenstillstand für zwei Monate Dauer erklärt (ihr erster in mehr als zehn Jahren) und ließen vor ein paar Tagen auch drei entführte Chinesen frei – womit sie ihre Beteuerungen, sie hätten keine Entführten mehr in ihrer Gewalt, selbst Lügen straften. Mitte Dezember wollen beide Seiten in Bogotà über eine Landreform sprechen, das wohl dornigste Problem.

„Hoffen wir auf ein Wunder"
„Jetzt hat es die Regierung endlich geschafft, sich mit Vertretern zumindest einer der Guerillas an einen Tisch zu setzen; die FARC sind womöglich die wichtigste Guerilla-Gruppe. Da müssen wir Christen wirklich hartnäckig darum beten, dass uns der Herr den Frieden schenkt! Die Lage ist ausgesprochen komplex und schwierig; es scheint eine nahezu unmögliche Aufgabe, zwischen Regierung und Guerilla zu einer Abmachung zu kommen. Hoffen wir also, dass der Herr ein Wunder wirkt und die Verhandelnden zu einem Einverständnis bringt, damit endlich der bewaffnete Konflikt aufhört."

In seiner ersten Botschaft als Kardinal hat Salazar Gómez zu mehr Wertschätzung für das menschliche Leben aufgerufen. Ihm scheint das eine der dringendsten Fragen für sein Land derzeit.

„Das liegt daran, dass sich in Kolumbien – vielleicht unter dem Eindruck des Konflikts, bei dem soviel Blut vergossen wurde – eine Mentalität herausgebildet hat, als ob das Leben nichts wert wäre. Dabei haben wir seit 1991 eine Verfassung, die völlig auf dem Prinzip der Grundrechte jeder menschlichen Person aufbaut. Tatsächlich wird in Kolumbien viel von den Rechten gesprochen, die es zum Beispiel für Minderheiten zu sichern gälte; dabei werden aber gleichzeitig Menschenrechte angegriffen, etwa durch einen Gesetzesvorstoß, der Abtreibung völlig liberalisieren möchte."

Der Gesetzesvorstoß stützt sich auf ein Urteil des Verfassungsgerichts in Bogotà von 2006. Danach wäre Abtreibung straffrei bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter, bei schwerer Missbildung des Fötus oder nach einer Vergewaltigung. Ursprünglich galt auch der Erzbischof von Bogotà als Befürworter einer vorsichtigen Liberalisierung beim Abtreibungsverbot, vor allem nach einem Zeitungsinterview Mitte November. Doch auf Bitten aus dem Vatikan präzisierte Salazar Gómez seine Haltung: Er halte Abtreibung für ein „abscheuliches Verbrechen", und ihre Straffreiheit sei keineswegs „als ein Recht zu betrachten". Ähnlich klar ist seine Stellungnahme gegen einen Gesetzesvorschlag zur Sterbehilfe, über den der Kongress von Bogotà debattiert:

„Christliches Volk, aber antichristliche Gesellschaft"
„Ein umfassendes und ausgesprochen gefährliches Euthanasie-Gesetz! Denn es öffnet die Türe dahin, dass praktisch jeder über das Leben von anderen bestimmen kann, über das Leben von Kranken. Auch gegen die Familien werden sehr gefährliche Türen geöffnet. Ich würde sagen: Wir erleben einen Moment, wo das grundlegende, absolute Recht auf Leben aufs Spiel gesetzt wird. Und darum ist es so wichtig, dass wir in Kolumbien eine neue Mentalität entwickeln, die das Leben verteidigt und fördert."

Wie kommt es eigentlich, dass gerade Kolumbien so stark von Gewalt, inneren Konflikten und Ungleichheit geprägt ist? Das Land ist doch christlich: 86 Prozent der Bevölkerung gehören zur katholischen Kirche, die hier schon im frühen 16. Jahrhundert ihre ersten Bistümer gründete. Kardinal Salazar Gómez erklärt:

„Eines der großen Dramen, die wir in Kolumbien – aber auch allgemeiner in Lateinamerika überhaupt – haben, ist dass der Glaube fast immer als eine Privatsache angesehen wird, die im sozialen Leben null Auswirkungen hat. Das hat es überhaupt möglich gemacht, dass wir eine völlig ungerechte Gesellschaft aufgebaut haben, eine antichristliche Gesellschaft – obwohl doch das Volk im wesentlichen aus Christen besteht!"

Rubén Salazar Gómez ist seit vier Jahren Vorsitzender der Bischofskonferenz von Kolumbien, seit zwei Jahren Erzbischof der Hauptstadt Bogotà – und seit ein paar Tagen Kardinal. (rv)