Kardinal Cupich veranstaltet Amoris Laetitia–Seminare für US-Bischöfe

DENVER – Der Erzbischof von Chicago hat einige US-Bischöfe zu einer Reihe von Konferenzen über den Umgang mit Amoris Laetitia eingeladen. Die „New Momentum Conferences“ – zu Deutsch etwa „Neue Impuls-Konferenzen“ – finden an drei katholischen Hochschulen noch in diesem Monat statt.

Wie aus einem der CNA vorliegenden Brief zu entnehmen ist, sollen die Treffen ein „maßgeschneidertes Programm“ anbieten: „Von der Frage, warum Amoris Laetitia einen neuen Impuls für die moralische Bildung und pastorale Praxis setzt, bis hin zur Frage, wie formative pastorale Programme anzubieten sind“.

„Das Ziel ist es, 15 bis 20 Bischöfe zu einem Gespräch über relevante Themen zusammen zu bringen, mit der Unterstützung von Theologen über verwandte Themen“, so der Brief von Kardinal Blase Cupich.

Vorläufer-Konferenz im Oktober

Vorläufer und Vorbild der Konferenzen ist ein Amoris Laetitia-Seminar für Bischöfe und Theologen, das im Oktober 2017 am Boston College abgehalten wurde.

„Dieses Seminar behandelte das gesamte Dokument, mit besonderem Augenmerk auf seine Umsetzung in dem multikulturellen und vielfältigen Umfeld, das die Kirche in den Vereinigten Staaten ausmacht“, schreibt Kardinal Cupich.

„Sowohl die Bischöfe als auch die Theologen stimmten alle überein, dass unser zweitägiges Seminar ein Beispiel für Synodalität war, gemeinsames Miteinander–Unterwegs–Sein, indem die Kirche sowohl lehrte als auch zuhörte. Tatsächlich sprachen, so wie Papst Franziskus zum Auftakt der Synode 2014 empfahl, die Teilnehmer am Boston College mit Ehrlichkeit und Kühnheit, mit Parrhesia, aber sie hörten auch in Demut zu“, teilt der Brief mit.

Dem Schreiben zufolge hat Kardinal Kevin Farrell, Präfekt des Dikasteriums für Laien, Familie und das Leben, die Impuls-Konferenzen befürwortet, die am Boston College, der Universität von Notre Dame und der Universität Santa Clara stattfinden werden.

Rede von Kardinal Cupich in Cambridge

Am 9. Februar gab Kardinal Cupich am Von-Hügel-Institut des St. Edmund College im britischen Cambridge eine Ansprache zum Thema. In dieser Rede sagte Kardinal Cupich, dass „Papst Franziskus von der Notwendigkeit eines neuen pastoralen Ansatzes für Familien überzeugt ist, angesichts der Herausforderungen, vor denen Familien in der heutigen Welt stehen.“

Er fügte hinzu, dass „einige Leute Amoris einfach falsch interpretieren und missverstehen, nur weil sie die gegenwärtige Realität in all ihrer Komplexität nicht berücksichtigen können oder wollen.“

Kardinal Donald Wuerl und Erzbischof Wilton Gregory sollen als Redner beim Seminar am Boston College sprechen. Kardinäle Joseph Tobin und Blase Cupich werden an der Universität von Notre Dame die Vorträge halten. Die Bischöfe Steven Biegler und Robert McElroy werden wiederum an der Universität Santa Clara reden.

Mehrere Theologen und ein Kirchenrechtler werden ebenfalls an den Konferenzen teilnehmen.

Zur Gruppe der eingeladenen Theologen gehört Dr. Kate Ward, Professorin an der Marquette University. Von 2012-2015 war Ward ein nationales Vorstandsmitglied von „Call to Action“, einer Gruppe, die unter anderem die Weihe von Frauen zum Priestertum gefordert hatte, sich für die gleichgeschlechtliche Ehe aussprach und sagte, dass die Kirche ihre „Position“ neu „bewerten solle“ was Verhütungsmittel betrifft.

Von 2006-2009 war Ward Vorstandsmitglied von „Call to Action Next Generation“, einer Jugendorganisation. Deren Vorstand leitete sie von 2008 bis 2009.

Im Jahr 2006 schrieb Kardinal Giovanni Battista Re, damaliger Präfekt der Kongregation für die Bischöfe des Vatikans, dass die Aktivitäten von „Call to Action“ nicht mit dem katholischen Glauben vereinbar sind: „Call to Action“ vertrete Positionen, so Kardinal Re, „die aus doktrinärer und disziplinärer Sicht inakzeptabel sind. Daher ist es nicht vereinbar mit einem stimmigen Leben des katholischen Glaubens, Mitglied dieser Vereinigung zu sein oder sie zu unterstützen. „

Eine weitere geplante Rednerin ist Dr. Natalia Imperatori-Lee, eine Theologin am Manhattan College.

Imperatori-Lee war auch Moderator des Oktober-Seminars am Boston College. Bei diesem Seminar kritisierte sie die „Infantilisierung der Laien“ durch die Kirche und sagte, dass „Laien durch eine Logik (…) infantilisiert werden, in der Seelsorger als Gatekeeper dienen und Sakramente gewähren, anstatt als Ratgeber Laien auf ihren sakramentalen Reisen zu begleiten.“

In einem Interview mit dem Podcast „Daily Theology“ im Jahr 2015 beschrieb Imperatori-Lee den verstorbenen Theologen und Professor Richard McBrien von der Universität von Notre Dame als Mentor. Laut dem „National Catholic Reporter“, einer US-Zeitung, „befürwortete McBrien die Weihe von Frauen zu Priestern, ein Ende des Pflichtzölibats für Priester, moralische Zustimmung der künstlichen Geburtenkontrolle und eine Dezentralisierung der Macht in der Kirche.“

In einem Aufsatz des Jahres 2016 in der Jesuiten-Zeitschrift „America“ schrieb sie: „Jede Behauptung, dass es nur zwei Arten von Menschen gibt, Männer und Frauen, ist simplistisch.“

Monsignore Jack Alesandro, ein Kirchenrechtler der Diözese Rockville Centre (Long Island, New York), hielt ebenfalls einen Vortrag am Boston College – und wird auf den kommenden Konferenzen als Redner fungieren.

Bei der Konferenz im Jahr 2017 sagte Mons. Alesandro, dass Amoris Laetitia „insgesamt den Gedanken vertritt, dass sakramentale Ehen im Laufe der Zeit sakramentaler und damit unauflöslicher werden.“

Der Kirchenrechtler weiter: Amoris Laetitia schlage neue Grenzbereiche für die Gültigkeit der Zustimmung zur sakramentalen Ehe vor. Das päpstliche Schreiben lege nahe, dass „von denen, die in die sakramentale Ehe eintreten eine größere Fähigkeit und Willensentscheidung verlangt wird als von denjenigen, die in eine nicht-sakramentale Verbindung eingehen“.

Alesandro erklärte wörtlich weiter: Amoris Laetitia „fordert Richter in einem [kirchlichen] Verfahren heraus, zu prüfen, ob beide Ehegatten, einschließlich des Mannes, zur Zeit der Hochzeit zur Zeit der Zärtlichkeit in dem vom Papst beschriebenen Sinn wirklich fähig waren, der Zärtlichkeit einer Mutter, die ihr Kind im Arm hält.“

Zudem betonte der Priester: „Ehegatten müssen in der Lage sein, ein lebenslanges Abenteuer zu beginnen und können es ständig erneuern, wenn sie gültig ihre gegenseitige Einwilligung austauschen wollen. Das erfordert, dass sie Freunde auf der Reise sind. Obwohl sie nicht ganz und vollständig beginnen, wissen wir, dass sie zumindest in der Lage sein müssen, in diese Berufung hineinzuwachsen. Wenn sie zu diesem Wachstum nicht in der Lage sind, oder sie sich wirklich nicht dazu verpflichtet fühlen, glaube ich nicht, dass sie zumindest in einer christlichen Ehe, gültig verheiratet sind. „

„Kirchenrechtler finden es vielleicht schwierig, mit ihren juristischen Denken die Liebe zu verstehen, wenn ihr Denken übermäßig juristisch geworden ist, was eine andere Art von ‚Säkularisierung‘ bedeutet“, so Monsignore Alesandro.

Der Einladung zufolge „wird es weitere Theologen geben, die eingeladen werden, an einem oder mehreren Tagen teilzunehmen.“

Laut der CNA vorliegenden Einladung sind neben Ward, Imperatori-Lee und Alesandro „weitere Theologen zur Teilnahme an einem oder mehreren Tage eingeladen“.

Ein „Paradigmenwechsel“ und „hermeneutische Prinzipien“

In seiner Rede vom 9. Februar sagte Kardinal Cupich, Papst Franziskus habe eine Reihe von „hermeneutischen Prinzipien“ eingeführt – Regeln der theologischen Interpretation – welche „einen Paradigmenwechsel“ im Umgang der Kirche mit Familien erforderlich machten.

Zu den Aspekten eines solchen Paradigmenwechsels gehöre, so Cupich, „die Ablehnung eines autoritären oder paternalistischen Umgangs mit Menschen der das Gesetz bestimmt, der vorgibt, alle Antworten zu haben, oder einfache Antworten auf komplexe Probleme, die nahelegen, dass allgemeine Regeln unmittelbare Klarheit schaffen oder dass die Lehren unserer Tradition präemptiv auf die besonderen Herausforderungen von Paaren und Familien angewandt werden können.“

Der Erzbischof von Chicago sprach weiter über die Wichtigkeit der Unterscheidung des Gewissen. Die „Stimme des Gewissens – die Stimme Gottes (…) könnte sehr wohl die Notwendigkeit bekräftigen, in einiger Entfernung vom Idealverständnis der Kirche zu leben, und dennoch eine Person zu neuen Wachstumsstufen und zu neuen Entscheidungen bewegen, die es ermöglichen können, dem Ideal mehr zu entsprechen“, sagte er in einem Kommentar zu einer Passage in Amoris Laetitia.

Der Kardinal sagte weiter, im Umgang mit Familien sei eine pastorale, nicht „rein doktrinäre“ Herangehensweise vonnöten, weil „das auf dem Gewissen basierte moralische Leben als Christ sich nicht primär auf die automatische Anwendung universeller Gebote konzentriert. Vielmehr taucht es ständig in die konkreten Situationen ein, die unseren moralischen Entscheidungen einen entscheidenden Kontext geben.“

„Kein Relativismus“

Das Ergebnis einer solchen pastoralen Herangehensweise, so Cupich, sei jedoch „kein Relativismus oder eine willkürliche Anwendung der Glaubenslehre, sondern eine authentische Empfänglichkeit für Gottes Selbstoffenbarung in den konkreten Realitäten des Familienlebens und des Wirkens des Heiligen Geistes im Gewissen der Gläubigen.“

Der Kardinal fuhr fort: „In der Entwicklung der Glaubenslehre geht es darum, offen zu bleiben für die Einladung, unsere moralischen Lehren über die Ehe und das Familienleben durch die Linse der allmächtigen Barmherzigkeit Gottes zu sehen.“

„Die Glaubenslehre kann sich durch die barmherzige Begleitung der Familien durch die Kirche entfalten, weil Gott die Familie als einen privilegierten Ort gewählt hat, um all das zu enthüllen, was der Gott der Barmherzigkeit in unserer Zeit tut“, fügte er hinzu.

Der Kardinal kam zu dem Schluss, dass das Versäumnis, Fragen in Bezug auf Ehe und Familienleben mit einem „ganzheitlichen Ansatz“ anzugehen, „einige Kritiker dazu veranlasst hat, Amoris falsch zu interpretieren und zu missverstehen. Anstatt die gegenwärtige Realität des Lebens der Menschen in all ihrer Komplexität wahrzunehmen, beschränken sie ihre Sichtweise auf ein idealistisches Verständnis von Ehe und Familie.“

Stiftungen leisten finanzielle Unterstützung

Der Brief, in dem die Bischöfe zu den bevorstehenden Konferenzen eingeladen wurden, teilt mit, dass die Anreisekosten durch „Zuschüsse von Stiftungen“ gedeckt würden.

Die bereits am Boston College abgehaltene Vorläufer-Konferenz wurde vom „Jesuit Institute“, der Erzdiözese Chicago, der Cushman-Stiftung, der Healey-Stiftung sowie der Henry-Luce-Stiftung gesponsert.

Gemäß ihren öffentlich einsehbaren Steuerunterlagen stellte die Cushman Foundation der Erzdiözese Chicago im Jahr 2015 einen Zuschuss in Höhe von 12.300 US-Dollar zur Verfügung, um Periti – theologische Experten — zur Familiensynode zu schicken, an der dann Erzbischof Cupich teilnahm.

Die Henry-Luce-Stiftung hat dem US-amerikanischen „Commonweal Magazine“ seit 2005 mindestens 600.000 US-Dollar an Fördergeldern gewährt und eine Reihe von katholischen Universitäten und Theologie-Programmen unterstützt. Im Jahr 2007 erhielt die „Frauenallianz für Theologie, Ethik und Ritual“ einen Zuschuss von 25.000 US-Dollar, so die Stiftung nach eigenen Angaben auf ihrer Website. Ein einmaliges Stipendium von 9.500 US-Dollar ging im Jahr 2015 an die Erzdiözese Chicago, „zur Unterstützung der Kommunikation während der Ordentlichen Synode der römisch-katholischen Kirche.“

Die Website der Stiftung sagt, dass sie „wichtige Ideen in den Mittelpunkt des amerikanischen Lebens stellen, das internationale Verständnis stärken und Innovation und Führung in akademischen, politischen, religiösen und künstlerischen Gemeinschaften fördern will“.

Das Theologie-Programm der Luce Foundation gewährt Zuschüsse für „ein besseres Verständnis von Religion und Theologie“.

„Besondere Aufmerksamkeit wird der Arbeit gewidmet, die neu überdenkt, was Theologie ist und ihre zeitgenössische Bedeutung neu darstellt; [es geht darum,] eine Forschung zu betreiben, die die Annahmen über Religion, Säkularität und öffentliche Kultur auf kreative Weise untersucht; und zu Projekten, die an den Schnittstellen von theologischer Untersuchung und multidisziplinärer Religionsstudie angesiedelt sind „, heißt es auf der Website der Stiftung.

Quellen bestätigten CNA, dass die US-Bischofskonferenz (USCCB) nicht an den „New Momentum“-Konferenzen beteiligt ist.

Die Erzdiözese von Chicago reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf Anfragen von CNA. (CNA Deutsch)

USA: „Ratzinger hat verstanden worum es geht“

US-amerikanische Medien greifen in jüngster Zeit vermehrt den Papst an. Dabei werden immer wieder einzelne Missbrauchsfälle diskutiert, die belegen sollen, dass der Papst angeblich persönlich Verantwortung trage für Wegsehen und Vertuschen. Dass dies eine völlige Fehleinschätzung sei, das betonte in einem Interview mit Radio Vatikan der Erzbischof von Atlanta, Wilton Gregory, der in seiner Amtszeit als Präsident der Bischofskonferenz des Landes von 2001 – 2004 viel mit dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger zu tun hatte.

„Die Kurienmitarbeiter haben bei meinen Besuchen schwierig zu beantwortende Fragen gestellt, genau so, wie es ihre Aufgabe war; es ist ihre Verantwortung, diese Sichtweise einzunehmen. Aber ich muss auch sagen, dass derjenige, der die Tragweite dieses Problems am besten verstanden hat und uns in unseren Aufklärungsbemühungen am klarsten unterstützt und zum Weitermachen ermutigt hat, Kardinal Ratzinger gewesen ist.“

Der einzige Weg, Vertrauen bei den Gläubigen wieder zu gewinnen, sei die klare Versicherung, dass kein Priester, gegen den es glaubwürdige Vorwürfe des Missbrauchs gebe, in der Seelsorge arbeitet. Es sei den Bischöfen in den USA in ihren Aufklärungsbemühungen immer darum gegangen, den Schutz der Kinder in den Vordergrund zu stellen.

„Während meiner dreijährigen Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz war ich dreizehn Mal in Rom, und bei fast jedem Mal hatte ich ein privates Treffen mit Kardinal Ratzinger. Er hat uns Bischöfen die Unterstützung und Ermutigung gegeben, die uns ermöglicht haben, auf unserem Weg weiter voran zu gehen.“ (rv)