D: Zollitsch würdigt Kasper

Papst Benedikt XVI. hat an diesem Donnerstag das altersbedingte Rücktrittsgesuch von Kurienkardinal Walter Kasper angenommen. Neun Jahre war Kardinal Kasper Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Anlässlich des Rücktritts würdigt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, Kardinal Kasper mit einer langen Erklärung. (rv)

Hier finden Sie den vollen Wortlaut des Textes.

„Für Walter Kardinal Kasper ist der Begriff Dialog weder eine leere Worthülse noch eine realitätsferne Utopie. Dialog ist bei ihm lebendige Wirklichkeit. Wie kaum ein anderer hat sich Kardinal Kasper in den vergangenen Jahren um den Dialog der Kirche in der Ökumene und mit den Juden verdient gemacht. Ja, Walter Kardinal Kasper ist Garant eines gelebten Dialogs.
Wer Kardinal Kasper kennt, weiß, dass es ihm aus seinem Glauben heraus ganz zentral um die Menschen geht. Der große Gelehrte der Katholischen Theologie hatte gerade in seiner Zeit als Universitätsprofessor stets den Anspruch, die ganze Glaubenswahrheit den Studierenden verständlich zu vermitteln. Seine eindringliche und einfühlsame Sprache, sein stetes Suchen nach einer Antwort auf aktuelle theologische Fragen, sein Mut, komplexe Zusammenhänge der Theologie Stück für Stück nachvollziehbar aufzuschlüsseln, zeichnen Kardinal Kasper aus. Als er 1989 Nachfolger von Bischof Georg Moser im Bistum Rottenburg-Stuttgart wurde, erlebte die Diözese einen sehr weltverbundenen Professor auf dem Bischofsstuhl. Das hat viele Menschen beeindruckt, den Walter Kasper ist immer sich selbst treu geblieben, ganz nach seinem Wahlspruch: „Wahrheit in Nächstenliebe" (Veritatem in caritate).
Das theologische Wirken und umsichtige Handeln in seiner Diözese Rottenburg-Stuttgart war selbstverständlich auch dem Heiligen Stuhl nicht verborgen geblieben. So war es verständlich, dass Papst Johannes Paul II. gerade Walter Kasper zu sich rief, um ihm dort 1999 die wichtige Aufgabe des Sekretärs des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen zu übertragen. Mit Walter Kasper kam ein Dogmatiker aus dem Stammland der Reformation in den Vatikan, der seine vielfältigen Erfahrungen – auch auf dem Gebiet der Ökumene in Deutschland – in die Arbeit der Universalkirche einfließen lassen konnte. Nur zwei Jahre nach seiner Ernennung übertrug der Papst Walter Kasper die Leitung des Päpstlichen Rates und zeichnete ihn mit der Kardinalswürde aus. Papst Benedikt XVI. hat Kardinal Kasper schon wenige Tage nach seiner Wahl im Amt bestätigt.
Mit Kardinal Kasper hat die Ökumene der Weltkirche über viele Jahre ein geschätztes Gesicht erhalten. Es war eindrucksvoll, wenn er von den nicht an zwei Händen abzuzählenden aktuellen Dialogen des Heiligen Stuhls mit anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften berichtete. So wie er sich bei diesen Gemeinschaften als Bruder unter Brüdern aufgehoben fühlte, so war er in der Welt unterwegs. Kardinal Kasper hat in den Jahren seines römischen Wirkens mehrfach die Welt umrundet, im Dienste der Ökumene. Seine Gesprächspartner würdigen ihn als eine Person, der eine „Ökumene des Herzens" ausstrahle. Ich möchte hinzufügen: Das ökumenische Gespräch, die Versöhnung zwischen den Konfessionen ist Walter Kaspers Herzensanliegen. Gerade für Papst Johannes Paul II. hat er viele Wege bereitet, die Papst Benedikt XVI. in Kontinuität übernommen hat. Dabei denke ich vor allem an seine äußerst erfolgreichen Annnäherungen an die griechisch-orthodoxe Kirche, an die Patriarchate der Armenier in Etchmiadzin und Sis und nicht zuletzt an seinen vorsichtigen, mutigen und von tiefer Überzeugung der notwendigen Aussöhnung getragenen Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche von Moskau. Bei aller Internationalität hielt Walter Kasper immer die Erinnerung an die Reformation wach. Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland war und ist er ein gern gesehener Gesprächspartner dem gegenüber man den Mut hat, ihm Sorgen anzuvertrauen.
Der Name Walter Kasper ist aber auch unverbrüchlich mit der Aussöhnung mit dem Judentum verbunden. Die Beziehungen zum Judentum sind im Vatikan dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen zugeordnet. Kardinal Kasper hat das Wort geprägt, dass es im Aussöhnungsprozess, den die katholische Kirche mit dem Judentum durch das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen hat, keine Wende von der Wende geben dürfe. Die katholische Kirche ist – und daran hat Walter Kasper in seinen römischen Jahren unermüdlich und äußerst verdienstvoll, ja selbstlos gearbeitet – unwiderruflich zum Dialog mit dem Judentum verpflichtet. So wurde Kardinal Kasper für den Vatikan der wichtigste Vermittler auf diesem manchmal nicht einfachen Weg. Rabbinerkonferenzen weltweit, Jüdische Gesellschaften und Stiftungen und vor allem das Oberrabbinat von Jerusalem sehen in Kardinal Kasper die lebendige Brücke in den Vatikan. Das Wirken von Kardinal Kasper kann man nur so zusammenfassen: Er war und ist Brückenbauer im besten Sinne des Wortes. Dialog ist für Walter Kasper zur Lebensaufgabe geworden.
Die Kirche in Deutschland und die Weltkirche sind Walter Kardinal Kasper zu tiefem Dank und hohem Respekt für seine Arbeit verpflichtet. Mit seinem heutigen Rücktritt hinterlässt er eine Lücke und ein Erbe. Dieses Erbe ist der Mutterboden für die weiteren theologischen Dialoggespräche in der Ökumene und mit dem Judentum. Ich wünsche mir sehr, dass dieser Boden weiter gut bestellt wird. Wahrheit in Nächstenliebe hat Walter Kasper tatsächlich und in tiefster Überzeugung gelebt."
(dbk)

D: Zollitsch: „Wir sind keine Konkurrenten“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, verspricht sich vom Zweiten Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) einen Neuanfang. Es gehe bei dem Treffen in München auch darum, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, sagte Zollitsch am Wochenende in München. Unser Mann vor Ort, Pater Bernd Hagenkord, fragte Zollitsch, was ihn persönlich am meisten gefreut habe beim ÖKT.
„Mir hat der Eröffnungsgottesdienst sehr zugesagt. Es kam dort eine schöne Botschaft rüber kam. Ich empfand das Podiumsgespräch mit dem evangelischen Präses Schneider über die Frage der Ökumene als sehr angenehm. Das hat mir Mut gemacht, weil ich gespürt habe, dass wir gemeinsam nach vorne schauen. Das gemeinsame Zeugnis der Christen ist uns wichtiger als das, was uns trennt. Wir sind keine Konkurrenten. Wir ziehen am gleichen Strang. Das habe ich beim Podiumsgespräch der Wirtschaftsleute erlebt. Manager und Fachleute denken neu nach. Der Gewinn allein ist nicht alles. Es gibt noch andere Werte. Es geht um Frage des Menschen, der in der Wirtschaft tätig ist. Das kommt jetzt in einer neuen Weise rüber in dieser Krise. Das alles macht mir Hoffnung.“
Erzbischof Reinhard Marx hat vor Beginn des Kirchentages gesagt, Wallfahrten und Papstbesuche seien wichtig, aber diskursive Foren, wie beispielsweise der Kirchentag, seien auch wichtig. Mir scheint auch, dass es zu einer Normalität in den ökumenischen Diskursen gekommen ist. Oder finden Sie, dass es nur zu einem Schlaglicht gekommen ist, der alle sieben Jahre zum Vorschein kommt?
„Wir dürfen auf dem Kirchentag das erleben, was uns verbindet. Das ist gut so. Zugleich haben wir die Möglichkeit, in aller Ruhe und Sachlichkeit über das zu sprechen, was uns trennt. Wir können die Dinge so formulieren, dass wir gleichzeitig uns auch problemlos in die Augen schauen können. Das ist für mich wichtig, dass das Gespräch zum gemeinsamen Anliegen wird. Die Querschläge sind dann auch viel leichter zu ertragen. Wir werden trotz solcher Querschläge gemeinsam nach vorne schauen. Das ist für mich die Botschaft des ÖKT in München.“
Es gab natürlich auch Spannungen und Emotionen und dieses immer nebenbei laufende Thema „Missbrauch“ und den damit verbundenen Umgang. Die Strukturdebatte ist ja in diesen Tagen angesprochen worden. Wie nehmen Sie diese Debatte im Augenblick hier auf dem Kirchentag wahr?
„Was ich beim entsprechenden Forum wahrgenommen habe, ist ein ganzer Ernst und Heftigkeit sowie die Emotionalität dieses Themas. Wenn ich mit den Teilnehmern des Kirchentages spreche, so nehme ich das Thema anders wahr. Die Gläubigen sagen, sie hätten andere Fragen, die sie beschäftigen würden, nämlich die Perspektiven auf die Zukunft und die Frage, was der Glaube für uns überhaupt bedeutet. Mir wurde immer wieder gesagt, dass die Kirchen und die Gesellschaft nüchtern und sachlich den Ursachen nachgehen und sich um die Opfer kümmern. Viele wollen natürlich auch wissen, wie wir solche Fehler künftig verhindern können. Aber meine Erfahrung beim Kirchentag zeigt, dass die Fragen der Zukunftsperspektiven den Großteil mehr bewegt als alle anderen Fragen. Das macht mir Hoffnung.“ (rv)

Zollitsch: „C“ nicht vergessen

Zum Auftakt des Ökumenischen Kirchentages hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch christliche Politiker zum Zeugnis ihres Glaubens aufgerufen. „Es gilt durch Wort und Tat zu zeigen, was es heißt, in Verantwortung vor Gott und den Menschen zu leben.“, sagte der Freiburger Erzbischof bei einem Empfang des Evangelischen Arbeitskreises in der Union (EAK) am Dienstagabend in München. Er würdigte das gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Es sei gut, dass Debatten über das „C“ in der Politik immer wieder neu entfacht würden: „Sie sind notwendig, weil die Botschaft des Evangeliums stets unter den Zeichen der Zeit konkretisiert werden muss, um fruchtbar in Politik und Gesellschaft wirken zu können. Gewiss geschieht diese Konkretisierung nicht ohne Kontroversen. Kontroversen gehören zum politischen Alltag.“ Zollitsch mahnte: „Allerdings dürfen ihre Ergebnisse die christlichen Grundwerte einer Partei, die in ihrem Namen das ‚C’ führt, nicht verdunkeln. Darum müssen Politiker unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam ringen.“ Christen seien weder eine Kontrastgesellschaft, eine Art christliche Sonderwelt, in der sie abgeschlossen von gesellschaftlichen Entwicklungen für sich lebten, noch dürften sie sich zu Zaungästen der Gesellschaft machen. „Vielmehr stehen wir in der Verantwortung, als Christen und Glieder der Gesellschaft in diese hineinzuwirken. Wir haben den Auftrag, den Blick über die Gegenwart hinaus zu richten und insbesondere Anwalt derjenigen zu sein, die nicht mit dem hohen Tempo der Gesellschaft Schritt halten können oder deren Anliegen nicht gehört werden. Das ist der Auftrag des Evangeliums. An ihm nehmen Christen Maß. Für die Botschaft des Evangeliums ergreifen wir die Stimme und bringen sie in den öffentlichen Dialog ein“, so der Erzbischof. „Christliche Politiker und Parteien, die in ihrem Namen das „C“ führen, werden die Kriterien in der evangelischen Sozialethik und Katholischen Soziallehre suchen, um dem Menschen zu dienen und den Herausforderungen der Zeit zu begegnen. Sie werden die ethischen Schätze des christlichen Glaubens heben und sie bei der Gestaltung von Politik anwenden“, sagte Zollitsch zuversichtlich. (rv)

ÖKT: Appell an Geist der Ökumene

Einen Tag vor Beginn des Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) haben die Spitzen von Staat und Kirchen in Deutschland die Nähe der christlichen Konfessionen hervorgehoben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, bezeichnete den „Weg des ökumenischen Miteinanders“ als „unumkehrbar“. Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, würdigte den ÖKT, der in München stattfinden wird, als wichtigen Impuls für das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken. Bundespräsident Horst Köhler appellierte an den Willen der Kirchen zu weiterer Annäherung in der Abendmahlfrage.
In der Münchner Innenstadt findet am Mittwochabend nach dem Eröffnungsgottesdienst auf der Theresienwiese der „Abend der Begegnung“ statt. Dazu erhofft sich der Ordinariatsrat und ÖKT-Beauftragte des Erzbistums München-Freising, Armin Wouters, einen wichtigen Impuls für die kommenden Tage.
„Ich glaube, der Impuls kann von diesem Begegnungsabend dahin ausgehen, dass Christen tatkräftig in unseren Orten mithelfen. Wir brauchen aktive Menschen, die etwas anpacken wollen. Der Kirchentag insgesamt wird zeigen, dass Christen Menschen sind, die mit Verstand und Herz etwas bedenken und durchdenken. Sie tragen dazu bei, dass die Gesellschaft menschwürdig gestaltet wird.“
Das Mitglied der Projektkommission „Abend der Begegnung“ äußerte sich uns gegenüber auch über die Abendmahlspolemik, die bereits beim ersten ÖKT in Berlin ein Thema gewesen war.
„Wir müssen festhalten, dass beim ersten ÖKT kein offizielles gemeinsames Abendmahl stattfand – und das wird auch hier in München nicht der Fall sein. Wir wissen aber, dass ein Wunsch und Bedürfnis dazu durchaus da ist. Ein zu beachtender Aspekt ist beispielsweise das orthodoxe Fest am Freitagabend… Und es ist erlebbar in den Gottesdiensten. Wenn man die geistlichen Angebote des ÖKT wahrnimmt, dann gibt es eine ganze Bandbreite davon.“
Linn Rother, Projektleiterin des „Abends der Begegnung“ in der Geschäftsstelle des 2. ÖKT, stellt uns das Treffen genauer vor.
„Die Besucher können an diesem Begegnungsabend mit einem ganz bunten Programm rechnen. Es soll nicht nur die Verpflegung im Vordergrund stehen, sondern vor allem das Vorstellen der eigenen Arbeit und Region. Die Jugendverbände präsentieren sich mit Mitmachaktionen. Der Besucher kann ganz lebensnah erfahren, wie kirchliche Arbeit heute aussehen kann.“ (rv)

D: Bischöfe begrüßen neue Nihil-obstat-Normen

Die deutschen Bischöfe begrüßen die neuen „Nihil-obstat-Normen“ der vatikanischen Bildungskongregation. Damit werde erstmals für alle theologischen Fakultäten und Hochschulen in Deutschland die kirchliche Mitwirkung bei der Berufung von Theologieprofessoren geregelt. Das teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Freitag mit. Mit der neuen Regelung werde ein für alle Beteiligten transparentes Verfahren gewährleistet, so der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch. Das lateinische „Nihil obstat“ bedeutet wörtlich: „Es steht nichts entgegen.“ Der Ausdruck bezeichnet die kirchliche Unbedenklichkeitserklärung, die für einen katholischen Theologen notwendig ist, um an einer Universität lehren zu können. Andere gebräuchliche Begriffe sind Lehrerlaubnis oder -befugnis. Nach dem Staatskirchenrecht wird sie vom jeweiligen Ortsbischof erteilt. Ohne dessen Zustimmung darf der Staat keinen theologischen Lehrstuhl besetzen. Die neuen Normen sind mit Dekret vom 25. März 2010 für fünf Jahre probehalber in Kraft gesetzt worden. Sie gelten sinngemäß auch für die Fakultäten und Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft. (rv)

Zollitsch: „Papst stärkt uns den Rücken“

Papst Benedikt XVI. ermutigt die Deutschen Bischöfe zu unbeirrter und mutiger Aufklärung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Freitag im Vatikan. Zollitsch traf das katholische Kirchenoberhaupt bei einer 45-minütigen Unterredung. Dabei informierte der Freiburger Erzbischof den Papst über den Stand der Dinge. Mario Galgano berichtet:
Papst Benedikt XVI. hat den Bericht zur Lage der katholischen Kirche in Deutschland „mit wachem Interesse, großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung“ zur Kenntnis genommen, sagte Zollitsch nach dem Treffen vor Journalisten. Zollitsch wörtlich:
„Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass die Deutschen Bischöfe zutiefst bestürzt sind über das, was im kirchlichen Raum an Übergriffen möglich war. Bereits vor einigen Wochen habe ich die Opfer um Entschuldigung gebeten. Das wiederhole ich nochmals hier in Rom.“
Ausdrücklich bekräftigte Zollitsch den Willen der Bischöfe zur Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern. Allen Geistlichen, Kirchenmitarbeitern und Ehrenamtlichen, die sich sexueller Übergriffe schuldig gemacht hätten, werde zur Selbstanzeige geraten.
„Dem Heiligen Vater habe ich über die Maßnahmen informiert. Ich bin dankbar, dass er mich ermutigt hat, die Umsetzung dieses Maßnahmenkatalogs unbeirrt und mutig fortzusetzen. Wir wollen die Wahrheit aufdecken und eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtsnahme, auch wenn es um Fälle handelt, die schon lange passiert sind. Die Opfer haben ein Recht darauf. Wir fordern die Gemeinden und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und in der Jugendarbeit auf, eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen.“
Bei Missbrauchsfällen informiere die Kirchenleitung von sich aus die Strafverfolgungsbehörden, außer wenn dies von den Opfern erklärtermaßen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht gewünscht werde. Ein eigenes kirchliches Untersuchungsverfahren habe weder Einfluss auf die staatliche Untersuchung noch auf die Unterstützung der staatlichen Strafverfolgung. Das Problem des Missbrauchs reiche über die Kirche hinaus, betonte Zollitsch.
„Ich bin dankbar, dass die Bundesfamilienministerin und die Bundesbildungsministerin zu einem großen Runden Tisch aller gesellschaftlich relevanten Gruppen für den 23. April 2010 nach Berlin eingeladen haben, um das Problem sexuellen Missbrauchs und nicht zuletzt auch im Blick auf die möglichen Präventivmaßnahmen, diese Fragen anzugehen. Selbstverständlich sind die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz dabei. Diesen großen Runden Tisch hatte ich in einem Zeitungsinterview bereits vor zwei Wochen angeregt. Ich bin Papst Benedikt XVI. dankbar, dass er das entschiedene Handeln der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich unterstützt“. (rv)

Papst/Zollitsch: Das Statement in vollem Wortlaut

Papst Benedikt hat sich am Freitag über die Mißbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen in Deutschland informiert. Er sprach darüber mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Dieser erklärte nach der Audienz, Benedikt habe sich sehr interessiert und gut informiert gezeigt; der Papst stärke der deutschen Kirche im Umgang mit den Fällen den Rücken. Er kenne in Deutschland keine andere Gruppe, die derart klare Richtlinien zum Umgang mit Missbrauch habe wie die katholische Kirche, so Zollitsch. Hier finden Sie das Statement, das Erzbischof Zollitsch vor Journalisten verlas, in vollem Wortlaut.
Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, anlässlich einer Pressekonferenz im Vatikan am Freitag, den 12. März 2010.
Wie jedes Jahr nach der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz habe ich heute Papst Benedikt XVI. zum Gespräch aufgesucht, um ihn über die wichtigsten Themen zu informieren. Dabei habe ich den Heiligen Vater über die in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Fälle pädagogisch übergriffigen Handelns und sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen in der katholischen Kirche Deutschlands informiert. Mit großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung hat der Heilige Vater meinen Bericht zur Kenntnis genommen. Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass die deutschen Bischöfe zutiefst bestürzt sind über das, was im kirchlichen Raum an Übergriffen möglich war. Bereits vor einigen Wochen habe ich die Opfer um Entschuldigung gebeten, was ich heute noch einmal hier in Rom wiederhole. Den Heiligen Vater habe ich über unsere Maßnahmen informiert. Ich bin dankbar, dass er mich ermutigt hat, die Umsetzung dieses Maßnahmenkatalogs unbeirrt und mutig fortzusetzen:

Wir wollen die Wahrheit aufdecken und eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen Die Opfer haben ein Recht darauf.

Wir werten die von uns 2002 verabschiedeten „Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ aus. Kein Land hat solche Leitlinien. Sie sagen den Opfern und ihren Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfe zu, die individuell angepasst ist. In jedem Bistum gibt es Ansprechpartner, an die man sich wenden kann. Wir überprüfen derzeit, wie ihre Auswahl noch verbessert werden kann.

Außerdem stärken wir die Prävention. Wir fordern die Gemeinden und besonders die Verantwortlichen in unseren Schulen und der Jugendarbeit auf, eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu pflegen. Ich bin dankbar, dass die Bundesfamilienministerin und die Bundesbildungsministerin zu einem großen Runden Tisch aller gesellschaftlich relevanten Gruppen für den 23. April 2010 nach Berlin eingeladen haben, um das Problem sexuellen Missbrauchs – nicht zuletzt auch im Blick auf mögliche Präventionsmaßnahmen – anzugehen. Die Bischofskonferenz ist selbstverständlich dabei. Diesen großen Runden Tisch hatte ich in einem Zeitungsinterview vor zwei Wochen angeregt.

In einem vierten Punkt unserer Maßnahmen geht es um die Verantwortung, die wir wahrnehmen. Dazu haben wir den Bischof von Trier, Bischof Dr. Stephan Ackermann, als besonderen Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs berufen. Der Heilige Vater hat diese Entscheidung ebenfalls sehr begrüßt.

Lassen Sie mich noch einmal deutlich unterstreichen: Wir stellen uns unserer Verantwortung und können keinen der geschehenen Fälle entschuldigen. Wohl aber erfahren wir in Deutschland derzeit von einer Vielzahl von pädagogisch übergriffigen Handlungen und Missbrauchsfällen aus der Vergangenheit weit über den Raum der katholischen Kirche hinaus. Das bestärkt uns Bischöfe, das Gespräch zu Aufklärung und Prävention mit möglichst vielen Akteuren des gesellschaftlichen Handelns zu suchen.
Dazu gehört auch die Unterstützung der Kirche bei der Verfolgung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Wir fordern Geistliche und Angestellte unserer Kirche sowie Ehrenamtliche zu einer Selbstanzeige auf, wenn Anhaltspunkte für eine Tat vorliegen. Wir informieren von uns aus die Strafverfolgungsbehörden. Darauf wird nur unter außerordentlichen Umständen verzichtet, etwa wenn es dem ausdrücklichen Wunsch des Opfers entspricht. Da die Zuordnung von staatlichem und kirchlichem Strafverfahren immer wieder falsch dargestellt wird, stelle ich nochmals klar: Im Fall des Verdachts sexuellen Missbrauchs gibt es ein staatliches und ein kirchliches Strafverfahren. Sie betreffen verschiedene Rechtskreise und sind voneinander völlig getrennt und unabhängig. Das kirchliche Verfahren ist selbstverständlich dem staatlichen Verfahren nicht vorgeordnet. Der Ausgang des kirchlichen Verfahrens hat weder Einfluss auf das staatliche Verfahren noch auf die kirchliche Unterstützung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden.
Ich bin Papst Benedikt XVI. dankbar, dass er das entschiedene Handeln der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich positiv unterstützt. Er ermutigt uns, den eingeschlagenen Weg der lückenlosen und zügigen Aufklärung konsequent fortzusetzen. Insbesondere bittet er darum, dass wir die Leitlinien kontinuierlich anwenden und da – wo notwendig – verbessern. Papst Benedikt XVI. hat ausdrücklich unseren Maßnahmenplan gewürdigt. Aus dem heutigen Gespräch gehe ich gestärkt hervor und bin zuversichtlich, dass wir auf dem Weg vorankommen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen. (rv)

D/Vatikan: Zollitsch in Rom

Erzbischof Robert Zollitsch ist am Mittwoch in Rom angekommen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wird am Freitag mit dem Papst auch über das Vorgehen der Bischofskonferenz gegen die Missbrauchsfälle in Deutschland sprechen. Danach stellt sich der Freiburger Oberhirte im Vatikan der Presse. Am Mittwoch Abend hat sich Zollitsch mit in Rom tätigen deutschsprachigen Ordensleuten getroffen. Nach Besuchen in verschiedenen Kurienbehörden ist für Donnerstagabend eine Begegnung mit der Basisgemeinschaft Sant’Egidio vorgesehen. (rv)