D: Müller nimmt Abschied von Regensburg

Erzbischof Gerhard Ludwig Müller hat Abschied genommen von Regensburg: Der bisherige Bischof der bayerischen Stadt geht als Präfekt der Glaubenskongregation nach Rom. Am Sonntag feierte Müller zum Abschied ein Pontifikalamt im Petersdom – dem von Regensburg natürlich. Am Nachmittag kamen etwa 5.000 Menschen zu einer Begegnung auf dem Domplatz. Der Päpstliche Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, hob in Regensburg hervor, Müller habe sein Bistum vor der „Infizierung" durch den Zeitgeist bewahrt. Nun sei es seine Aufgabe, Strömungen innerhalb der Theologie auf der ganzen Welt zur Einheit des Glaubens zu führen.

Müller selbst lobte das kooperative Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland: Darauf könnten beide Seiten stolz sein. Es gelte, den Blick auf das Positive der Kirche wie auch der ganzen Gesellschaft zu richten und dieses nicht hinter einzelnen kritikwürdigen Fällen zurücktreten zu lassen. Denn nur so könne die Gesellschaft die Zukunft auch meistern. Er werde seiner Heimat verbunden bleiben und dort ein „zweites Standbein behalten", versprach der Erzbischof.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, dankte Müller in Regensburg vor allem für dessen ökumenisches Engagement: Er habe die entsprechende Kommission der Bischofskonferenz „mit hoher Sensibilität" geleitet. Müller bringe „die besten Voraussetzungen mit, um die neue Aufgabe in Rom auszufüllen". Es sei für die deutschen Bischöfe eine Ehre, dass einer der Ihren eine so wichtige Aufgabe im Vatikan übernehme. Müller war 2002 Bischof von Regensburg geworden.

In einem Hirtenwort zum Abschied schreibt Erzbischof Müller, Christen bräuchten auf ihrem „irdischen Pilgerweg" ständige Umkehr, Buße und Erneuerung. „Das ist etwas grundsätzlich Verschiedenes von klug ausgedachten Modernisierungskampagnen, um sich nach dem Maß von Werbeagenturen ein zeitgefälliges Outfit zuzulegen. Den Glauben kann und darf man nicht vermarkten. Denn die Menschen sind nicht schlau angelockte Kunden auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, sondern geliebte Kinder Gottes, für die Christus den Preis seines Lebens bezahlt hat."

Papsthaus in Pentling eingeweiht

Am Samstagabend hatte Müller in Pentling bei Regensburg noch einen besonderen Termin wahrgenommen: Er eröffnete das frühere Wohnhaus von Papst Benedikt XVI. als Begegnungsstätte. Dabei nannte er das Haus, in dem Joseph Ratzinger als Professor wohnte, ein „großes Zeitzeugnis". Es lasse die „Atmosphäre eines deutschen Professorenhaushalts in den siebziger Jahren" lebendig werden.

Im September 2010 hatte der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, den Schlüssel des Gebäudes an den Direktor des „Instituts Papst Benedikt XVI.", Rudolf Voderholzer, übergeben. Der Dogmatikprofessor kündigte im Münchner Kirchenradio an, dass in dem Gebäude künftig Veranstaltungen angeboten werden. (rv)

Nuntius Périsset: „Deutsche Kirche ist lebendig“

In drei Tagen ist der Papst in Berlin – und unter den ersten Persönlichkeiten, die ihn dort begrüßen werden, ist sein Statthalter in der Kapitale, der Apostolische Nuntius. Gudrun Sailer sprach mit dem aus der Schweiz stammenden Erzbischof Jean-Claude Périsset: „Diese Leute schaden sich selbst mit ihrer Haltung", meint er mit Blick auf die Abgeordneten, die einen Boykott der Papstrede im Bundestag angekündigt haben.

Herr Erzbischof, eine Ihrer Hauptaufgaben als Nuntius ist es, Rom über politische und kirchliche Themen Deutschlands zu informieren. Angenommen, man würde ausschließlich Ihre Nuntiaturberichte lesen und keine anderen Quellen zu Rate ziehen: Welches Bild der Kirche in Deutschland würde man da gezeichnet finden?

„Seit ich in Deutschland bin – seit vier Jahren – ist die Kirche lebendig in diesem Land, obwohl die Zahl der Angehörigen zur katholischen Kirche zurück geht, besonders letztes Jahr nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle. Aber man sieht überall, wie viele Leute sich einsetzen in den Pfarreien, Hilfswerken, und wie viel auch der Klerus und die Ordensleute sich für den Nächsten einsetzen. Da gibt es etwa in Berlin die Klinik Sankt Joseph in der Nähe der Nuntiatur, sie hat die viertgrößte Zahl der Geburten in Deutschland, über 3000 pro Jahr – das zeigt, wie diese Ordensfrauen sich für die Gesellschaft einsetzen. Deshalb habe ich keine Angst für die Zukunft der Kirche in Deutschland. Es sind Schwierigkeiten, ja. Man braucht nur die Geschichte zu kennen, aber die Kirche ist etwas Lebendiges."

In Vorberichten ist meist nur vom Boykott der Bundestagesrede, Gegendemonstrationen und Kosten die Rede, wie oft vor Papstbesuchen. Die Bundestagsrede ist der politische Höhepunkt der Reise. Wie sehen Sie als Diplomat des Heiligen Stuhles die Tatsache, dass Dutzende Abgeordnete die Rede des Papstes vor dem Bundestag boykottieren werden?

„Das ist ihre Verantwortung. Jeder ist frei, einen Gast anzuhören oder nicht. Der Bundestag als solcher hatte den Papst eingeladen. Alle waren einverstanden – aber jeder (Abgeordnete) trägt nun selbst Verantwortung. Aber es erstaunt mich nicht. Denn mit der Kritik ist es immer so wie mit einem Fleck auf dem Tischtuch: Man sieht nur den Fleck, nicht das Schöne des Tischtuchs. Die Zeitungen messen diesen Randsachen, diesen Flecken, mehr Raum bei. Und nachher werden sie vielleicht, hoffen wir, anderes sagen als bisher, wie es schon anderswo geschehen ist. Deshalb habe ich für den Papstbesuch Hoffnung, dass das Positive am Ende über dem Negativen steht, und wer das Negative steht, kann sagen, ich bin dafür verantwortlich, aber nicht der Papst, nicht die Kirche."

Wenn man sich in verschiedenen diplomatischen Kreisen nach diesem Boykott erkundigt, bekommt man hinter vorgehaltener Hand gesagt, der Boykott der Papstreise sei eine krass unhöfliche Geste. Stimmen Sie als Diplomat dem zu?

„Unhöflich würde ich nicht sagen. Es ist wie in einer Familie, wenn man einen Verwandten einlädt, der Schwierigkeiten hatte mit einem Sohn der Familie, und der Sohn wird vielleicht an dem Tag nicht anwesend sein, um diesen Verwandten nicht zu sehen. Ich würde das nicht zu stark betonen. Ich muss sagen, diese Leute schaden sich selber in ihrer Haltung. Es ist ihr Recht. Sie haben ihre Verantwortung. Nicht dass es uns gleichgültig ist, uns wäre es viel lieber, es würden alle kommen. Warum? Weil am Fronton des Bundestags steht: Dem Deutschen Volk. Die Abgeordneten sind nicht für sich selber im Bundestag, sondern für die Bevölkerung. Und ich würde gern die Wähler ihres Kreises fragen, sind Sie zufrieden damit, dass Ihr Abgeordneter beim Papstbesuch abwesend war? Ich bin fast sicher, die meisten wären gar nicht zufrieden damit, „ich hätte lieber gehabt, er hätte den Papst hören sollen"… Für mich gibt es eine Kohärenz zwischen den Fakten und den Haltungen. Einige wollen sich absondern, und das sind die Verlierer."

Viel berichtet wird im Vorfeld des Papstbesuches auch von den geplanten Demonstrationen. Dazu laden Homosexuellen-Initiativen ein. Nun hat sich letzte Woche der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki mit Vertretern solcher Homosexuellen-Gruppen getroffen. Das war eine Premiere. Beide Seiten rühmten nachher die gute Atmosphäre des Gesprächs. Ist das ein Wendepunkt zwischen Kirche und Homosexuellen?

„Wir haben auch als Nuntiatur Kontakt mit Homosexuellen-Vertretern. Und es gibt in allen Diözesen in Deutschland Priester, die besonders damit beauftragt sind, die Kontakte mit Homosexuellen-Vertretern zu haben. Man kann also nicht sagen, es sei etwas ganz Neues. Aber die Art und Weise ist besonders, und auch vor dem Papstbesuch, das ist neu. Ich freue mich besonders, dass der Erzbischof die Kraft und die Hoffnung gehabt hat, diese Begegnung zu machen. Es wird sicher mit besseren Folgen weitergehen. Es war für uns sicher wichtig, dass diese Demonstranten sich angenommen und anerkannt fühlen und nicht verworfen. Deshalb ist diese Begegnung sehr wichtig in Bezug auf den Besuch des Papstes." (rv)

D: Wiederverheiratete, „eine Frage der Barmherzigkeit“

Es ist für ihn eine „Frage der Barmherzigkeit": Der Freiburger Erzbischof, Robert Zollitsch, rechnet mit Reformen im Umgang der Kirche mit Menschen, die geschieden und wiederverheiratet sind. Der Wochenzeitung „Die Zeit" sagte er wenige Wochen vor dem Papstbesuch in Deutschland – und auch in Freiburg – wörtlich: "Wir stehen ja ganz allgemein vor der Frage, wie wir Menschen helfen, deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen ist. Dazu gehört auch eine gescheiterte Ehe."

„Darüber werden wir in nächster Zeit intensiv sprechen", so Zollitsch. Und er zeigt sich überzeugt, dass die katholische Kirche in den nächsten Jahren in dieser Frage weiterkomme. Der Erzbischof bezieht sich in dem Interview auch auf Bundespräsident Christian Wulff, der als Katholik geschieden ist und wieder geheiratet hat: Wulff sei ein Katholik, der „seinen Glauben lebt und darunter leidet, wie die Situation ist".

„Erzbischof Zollitsch hat in keiner Weise die Unauflösbarkeit der Ehe in Frage gestellt. Das steht auch überhaupt nicht zur Disposition, das ist in der katholischen Kirche selbstverständlicher Bestandteil ihres Glaubens."

Darauf weist der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hin. Er hat gerade ein Buch zum Thema geschrieben – der Titel: „Chancen zur Versöhnung"… mit Fragezeichen. Im Gespräch mit dem Kölner Domradio meint er:

„Was Erzbischof Zollitsch angemahnt hat, ist ein barmherziger Umgang mit denjenigen Christen, die in ihrer ersten Ehe gescheitert sind, vielleicht auch schuldlos verlassen wurden, und die nun aus Gründen, die sie in ihrem Gewissen, in der Deutung ihrer Lebenserfahrung verantworten können, ein zweites Mal geheiratet haben, vielleicht auch um Verantwortung für den Partner und Kinder, die in dieser zweiten Ehe leben, zu übernehmen."

Diese Christen sind von Sakramenten ausgeschlossen. Überdies, und das ist weniger bekannt, sind sie auch mit anderen Kirchenstrafen belegt: Sie dürfen zum Beispiel kein kirchliches Amt übernehmen, im Pfarrgemeinderat oder als Lektor. Bei einem kirchlichen Dienstherrn müssen sie sogar die Kündigung befürchten.

„Da lautet der Vorstoß nun, dass diese kirchenrechtlichen Disziplinarmaßnahmen, die die Kirche bisher für unabdingbar hält, überprüft werden und dass man einen anderen Weg geht, der barmherziger ist und der auch mehr dem Wesen der Eucharistiefeier entspricht, die ja nicht nur eine Anerkennung für tadelloses Verhalten darstellt, auch nicht nur die Dankesfeier der Erlösten ist, sondern gleichzeitig auch selbst sündenvergebende Kraft hat: der ausgestreckte Arm der Liebe Gottes, den er auch den Sündern hinhält, so dass auch die wiederverheirateten Geschiedenen an der Eucharistiefeier teilnehmen könnten. Dadurch würde deutlich, dass die Kirche auch Versöhnungsgemeinschaft ist."

Das ist sie allerdings auch jetzt schon. So besteht etwa unter kirchenrechtlich genau umrissenen Bedingungen die Möglichkeit abzuklären, ob die Ehe wirklich gültig zustande gekommen ist. Wenn nicht, kann sie annulliert werden, was den Weg für eine neue kirchliche Ehe freimacht. Zugegeben: ein manchmal langwieriges Verfahren, dessen Ausgang überdies von Fall zu Fall offen ist. Dem Moraltheologen Schockenhoff geht es aber um einen anderen Fall: Eine erste Ehe hatte Bestand, war gültig – und scheiterte. Wenn ein katholischer Partner in einer solchen Situation eine neue Verbindung eingehe, dann müsse es doch eine Möglichkeit geben, ihn zu den Sakramenten zuzulassen, vor allem zum Empfang der Kommunion.
„Das könnte die Kirche einmal dadurch tun, dass sie die Gewissensentscheidung der Betreffenden anerkennt und das moralische Verdikt, das über einer zivilen Zweitehe liegt, aufhebt. Wie gesagt, das kann ein verantwortlicher Weg sein, man kann von außen nicht jede Entscheidung für eine zivile Zweitehe als objektiv schwere Sünde qualifizieren. Man kann das Leben in einer zivilen Zweitehe auch nicht als fortgesetzten Ehebruch darstellen, wie das die kirchenamtliche Lösung tut. Sondern es ist durchaus möglich, dass die Einzelnen, auch wenn sie Schuldanteile beim Zerbrechen der ersten Ehe zu bereuen haben, das wiedergutmachen. Damit sie nun in der zweiten Ehe das leben können, was eigentlich von den menschlichen Werten her, auch nach katholischem Verständnis, einer Ehe entspricht: also Treue, Entschiedenheit für einander, das gegenseitige für einander Einstehen, Verantwortung für die Kinder."

Das wäre dann nicht „Ausdruck von Verantwortungslosigkeit oder von Verharren in offensichtlicher öffentlicher Sünde", sondern könne „durchaus ein verantwortlicher Lebensweg sein", glaubt Schockenhoff. Und wörtlich: „Das sollte die Kirche aus Respekt vor der Lebenserfahrung ihrer Gläubigen und ihrem eigenen Gewissensurteil anerkennen."

„Und diese Anerkennung könnte sie dadurch zum Ausdruck bringen, zum Beispiel in einer Segensfeier für in einer zivilen Zweitehe lebende Christen oder in einem Akt der
Wiederaufnahme in die Kommunionsgemeinschaft, da gäbe es verschiedene Möglichkeiten. Mit seinem Vorstoß möchte Erzbischof Zollitsch die Debatte innerhalb der deutschen Diözesen darüber eröffnen. Das ist sicher auch im Zusammenhang mit dem Dialogprozess zu sehen."

Beim Dialogprozess der deutschen Kirche, der vor kurzem in Mannheim startete, war tatsächlich der Ruf nach einer barmherziger auftretenden Kirche deutlich zu hören. Schockenhoff glaubt, dass im Rahmen des Dialogprozesses – und in der Tradition eines berühmten Hirtenbriefes von oberrheinischen Bischöfen vor zwanzig Jahren – die deutsche Kirche vielleicht zu einem neuen Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten findet. Dazu müssten sich jetzt die einzelnen Bischöfe einmal über die Frage austauschen.

Der erste, der damit anfängt, ist der Kölner Kardinal Joachim Meisner: Er hat sich, nachdem ihn viele Anfragen erreichten, den kompletten Text des Interviews mit Erzbischof Zollitsch kommen lassen.

„Und da war ich doch zunächst positiv überrascht – das muss ich ehrlich sagen – aufgrund der vielen Anfragen. Das erste, was ich sagen muss: Ich war froh, dass der Erzbischof von Freiburg das Interview gegeben hat und nicht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Denn wenn der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ein solches Interview gibt, dann kann er nur der Sprecher aller Bischöfe sein und dann muss er sich auch des Konsenses der Bischöfe vergewissern. Aber so hat der Erzbischof von Freiburg ein Interview gegeben und ich betone es noch einmal: Ich war sehr berührt von dem Glaubenszeugnis, das er darin gegeben hat."

Allerdings sieht der Kardinal von Köln nicht viel Spielraum für die Kirche, sich gegenüber Geschiedenen und Wiederverheirateten barmherziger zu gebärden. Schließlich dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Kirche an der Unauflöslichkeit der Ehe rüttle.

„Ich kann nur ganz schlicht Folgendes sagen: Die Ehe ist und bleibt unauflöslich. Und zwar ist das keine Marotte der Kirche, sondern die Ehe ist die reale Repräsentanz für die unaufkündbare Hingabe Christi an die Kirche und damit an die Welt. Und das macht auch die große Würde und die Schönheit und vielleicht auch die Last der Ehe aus, weil die Hingabe Christi an die Welt, an die Menschen, an die Kirche unkündbar ist. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass die Unauflöslichkeit der Ehe von der Kirche aufgegeben werden kann."

Schon in der Bibel ist die unkündbare Ehe Abbild des dauerhaften Bundes Gottes mit seinem Volk. Das weiß auch der Moraltheologe Schockenhoff.

„In die Theologie der Ehe müssen natürlich die Unauflöslichkeit der Ehe, die Forderung nach Einhaltung der ehelichen Treue, die Monogamie, die Ausrichtung auf Kinder, als Grundaussagen auf weltkirchlicher Ebene gemeinsam bekannt werden. Das gehört zum katholischen Glaubensverständnis."

Das sei das eine – die seelsorgerische Praxis im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sei aber das andere, meint Schockenhoff.

„Da könnte auch eine Ortskirche einen Vorstoß wagen, der dann von der Weltkirche zunächst einmal entgegengenommen oder auch positiv angenommen wird. Das müsste also nicht immer ein Akt des Papstes von oben sein, sondern da könnten auch die deutschen Diözesen untereinander, vielleicht als Ergebnis des Dialogprozesses, zu einer Neuregelung kommen".

Der Papst immerhin wird gelegentlich auch von Priestern darauf angesprochen, ob sie nicht barmherziger verfahren können mit wiederverheiratet Geschiedenen, die zu ihnen in die Kirche kommen.

„Ja, das ist ein schmerzliches Problem, und gewiss gibt es kein einfaches Rezept, mit dem es gelöst werden könnte. Wir alle leiden unter diesem Problem, weil wir alle in unserer Nähe Menschen haben, die sich in solchen Situationen befinden. Und wir wissen, dass es für sie schmerzhaft und leidvoll ist, weil sie in voller Gemeinschaft mit der Kirche stehen wollen."

Das meinte Benedikt XVI. im Sommer 2007 bei einem Frage-Antwort-Auftritt mit Priestern im Aosta-Tal. Was tun? Der Papst setzt zunächst einmal auf Prävention: Bessere Ehevorbereitung vor allem. Ein Priester könne heute nicht mehr einfach davon ausgehen, dass zwei Partner vor dem Altar heiraten wollen, weil sie wirklich zu einer christlichen Ehe entschlossen sind. Vielleicht geht es den beiden ja auch nur um ein schönes Foto fürs Familienalbum: Hochzeit in Weiß, weil das alle so machen.

„Und das, was heute alle tun, entspricht nicht mehr einfach nur der natürlichen Ehe gemäß dem Schöpfer, gemäß der Schöpfung. Das, was die meisten tun, ist zu heiraten mit der Vorstellung, dass die Ehe eines Tages scheitern könnte und man so eine andere, eine dritte und eine vierte Ehe eingehen könne. Dieses Modell »wie alle es tun« wird so zu einem Modell, das im Gegensatz zu dem steht, was die Natur sagt. So wird es normal, zu heiraten, sich scheiden zu lassen, sich wiederzuverheiraten, und niemand meint, dass es etwas sei, das gegen die menschliche Natur geht, oder wenigstens findet man nur sehr schwer jemanden, der so denkt."

Als Benedikt XVI. New York besuchte, da ging auch der frühere Bürgermeister Rudy Giuliani bei der Papstmesse in der St. Patrick Cathedral zur Kommunion: ein Katholik, der mittlerweile zum dritten Mal verheiratet ist. Benedikt XVI. betont: Die Priester müssten schon bei der Ehevorbereitung ganz klar machen, dass die kirchliche Ehe nicht auflösbar ist.

„Wir müssen hinter dem, was alle tun, das wiederentdecken, was die Natur selbst uns sagt. Und sie sagt etwas anderes als das, was heute zur Gewohnheit geworden ist. Sie lädt uns nämlich ein zu einer Ehe für das ganze Leben, in lebenslanger Treue, auch mit den Leiden, die das gemeinsame Wachsen in der Liebe mit sich bringt."

Doch der Papst aus Deutschland ist Realist: „Die Vorbereitung allein genügt nicht; die großen Krisen kommen später", sagt er. Und darum sei „eine ständige Begleitung" der Eheleute „wenigstens in den ersten zehn Jahren sehr wichtig". Aus seiner Sicht eine Aufgabe für die Pfarreien: nicht nur für die Seelsorger, sondern auch für Familien, die schon durch Krisen gegangen sind.

„Es ist wichtig, dass es ein Netzwerk von Familien gibt, die einander helfen, und verschiedene Bewegungen können hier einen großen Beitrag leisten."

Und wenn die Ehe trotzdem scheitert? Dann verweist Benedikt XVI. als erstes auf die Möglichkeit des Ehenichtigkeits-Verfahrens. Aber:

„Wenn es eine wirkliche Ehe war und sie also nicht wieder heiraten können, dann hilft die ständige Gegenwart der Kirche diesen Personen, eine andere Form des Leidens zu tragen: … das Leiden, in einer neuen Bindung zu stehen, die nicht die sakramentale Bindung ist und die daher die volle Gemeinschaft in den Sakramenten der Kirche nicht zulässt. Hier muss gelehrt und gelernt werden, mit diesem Leiden zu leben."

Der Papst ist davon überzeugt, dass die Menschen unserer Zeit ganz allgemein wieder „den Wert des Leidens lernen" und Leiden aushalten sollten.

„Wir müssen lernen, dass das Leiden eine sehr positive Wirklichkeit sein kann, die uns dabei hilft zu reifen, mehr zu uns selbst zu kommen, näher beim Herrn zu sein, der für uns gelitten hat und der mit uns leidet. Auch in dieser Lage ist daher die Gegenwart des Priesters, der Familien, der Bewegungen, die persönliche und gemeinschaftliche Nähe, die Hilfe der Nächstenliebe, eine ganz besondere Liebe, außerordentlich wichtig."

Die Christen sollten wiederverheiratet Geschiedenen „in vielerlei Form" ihre Liebe zeigen und ihnen zur Seite stehen. Dann könnten die Betroffenen erkennen, dass sie „von Christus geliebte Menschen" sind und „Glieder der Kirche, auch wenn sie sich in einer schwierigen Situation befinden".

Zurück zur Debatte in Deutschland: Der Nuntius hat in dieser Frage vor überhöhten Erwartungen an den Papstbesuch gewarnt. In Sachen wiederverheirat Geschiedene sei die Lehre der Kirche klar und mit einer Veränderung nicht zu rechnen", so Erzbischof Jean-Claude Périsset. (rv)

Vatikan/D: Im September Groß-Gottesdienst in Berlin

Der Papst wird im September offenbar einen Groß-Gottesdienst in Berlin feiern. Das geht aus Angaben des päpstlichen Nuntius in der Bundeshauptstadt, Erzbischof Jean-Claude Périsset, hervor. Zitiert wird er von der „Berliner Morgenpost" an diesem Donnerstag. Der Veranstaltungsort werde so groß sein, dass jeder, der den Papst erleben wolle, auch die Möglichkeit dazu habe, so Périsset nach Angaben der Zeitung – „von zweihundert Menschen bis zwei Millionen." Der genaue Ort und der Termin sollen laut Périsset spätestens im Juni bekannt gegeben werden. Medienberichte, wonach die Kirche mit geringem Publikumsinteresse am Papstbesuch rechne und deshalb eine öffentliche Messe scheue, wies er zurück. Es sei nie etwas anderes geplant gewesen. (rv)