Eine Einführung in das Vorbereitungsdokument zur Bischofssynode

Die neue Evangelisierung ist der zeitgemäße und notwenige Ausdruck des Glaubens heute. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch die Lineamenta, das Vorbereitungsdokument für die nächste Vollversammlung der Bischofssynode im Herbst 2012. Bereits Papst Paul VI. hatte betont, dass die Weitergabe zum Glauben dazu gehöre, ein Unterlassen bedeute ein „sich des Glaubens Schämen", zitierte er den Apostel Paulus. Die Lineamenta greifen das auf und fordern dazu auf, „die Qualität unseres Glaubens zu befragen".
Eine kurze Einführung in den Text:
Re-Evangelisierung oder Neu-Evangelisierung?
„Es geht nicht darum, etwas zu wiederholen, was schlecht gemacht wurde oder nicht funktioniert hat, so als ob der neue Einsatz ein impliziertes Urteil über das Scheitern des ersten wäre. Die neue Evangelisierung (…) ist der Mut, angesichts der gewandelten Voraussetzungen, unter denen die Kirche gerufen ist, heute die Verkündigung des Evangeliums zu leben, neue Wege zu wagen."
Neue Evangelisierung sei ein Synonym für Mission, Glaubensweitergabe, Kommunikation des Evangeliums, sie erfordert
„die Fähigkeit, neu anzufangen, Grenzen zu überschreiten, die Horizonte zu erweitern. Die neue Evangelisierung ist das Gegenteil der Selbstgenügsamkeit, des Sich-zurückziehens auf sich selbst, der Mentalität des Status quo und einer pastoralen Konzeption, die es für ausreichend erachtet, das alles so weiterläuft, wie man es bisher gemacht hat. Das ‚business as usual’ reicht heute nicht mehr."
Was ist das Ziel?
Negativ formuliert soll es nicht darum gehen, nur „effiziente Kommunikationsstrategien" zu entwickeln und sich auf eine „Analyse der Empfänger der Botschaft" zu beschränken. Immer wieder betont das Dokument, dass sich die Kirche selbst befragen muss. Das Problems der Unfruchtbarkeit der Glaubensweitergabe müsse die Kirche dazu führen, ihre Unfähigkeit zur Formung einer wirklichen Gemeinschaft zu thematisieren.
Deswegen dürfe die Kirche nicht nur Subjekt der Glaubensweitergabe sein, „als Evangelisatorin beginnt die Kirche damit, sich selbst zu evangelisieren". Das Dokument beschreibt die Evangelisierung als geistlichen Prozess „im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Christentums". Dies mache zunächst eine Selbstbesinnung notwendig, „um die Spuren der Angst, der Müdigkeit, der Betäubung, der Rückbezogenheit auf sich selbst zu erkennen, welche die Kultur, in der wir leben, in uns hervorbringen konnte". Die neue Evangelisierung sei also „eine Haltung, ein mutiger Stil".
Veränderte Umstände
Das Dokument spricht von kritischen Anfragen, die an die Kirche gestellt werden; die Präsenz christlicher Institutionen werde nicht mehr als selbstverständlich wahrgenommen, die Kirche, die Christen und manchmal auch das Gottesbild würden angefragt. Deswegen sehe sich die Kirche in ihrer Glaubensweitergabe „Herausforderungen gegenüber, die bewährte Praktiken zur Diskussion stellen und gängige Vorgangsweisen, die immer gültig schienen, schwächen."
Das Dokument analysiert mehrer Szenarien, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind: soziale, kulturelle, wirtschaftliche, wissenschaftliche, politische und religiöse. Immer wieder betont der Text, dass die entstandenen Kräfte nicht etwas sind, was die Kirche von außen herausfordere, sondern dass es auch Kräfte in der Kirche seien. Hier brauche es eine „Kritik, die gleichzeitig eine Selbstkritik des modernen Christentums darstellt, das immer neu lernen muss, sich ausgehend von den eigenen Wurzeln selbst zu verstehen."
„Hier findet das Instrument der neuen Evangelisierung sein eigentliches Terrain und seine Stärke: es kommt darauf an, diese Szenarien, diese Phänomene zu betrachten, und es dabei zu schaffen, die emotionale Ebene des verteidigenden Urteils und der Angst zu überwinden, um in objektiver Weise die Zeichen des Neuen gemeinsam mit den Herausforderungen und den Schwächen annehmen zu können."
Alles untersuchen und das Gute behalten

Die Lineamenta gehen auch auf die neuen Aufbrüche ein, die Weltjugendtage, die anhaltende Begeisterung für das Pilgern, die neuen geistlichen Versammlungen etc. Hier brauche es eine Unterscheidung der Geister und gleichzeitig, „dass sie zu einem erwachsenen und bewussten Glauben hingeführt" werden.
Angst vor den Missionaren
Der Text spricht davon, dass es ein Aufschrecken vor dem Begriff Missionar geben mag, besonders Nichtglaubende könnten fürchten, „ein Objekt der Mission" werden zu sollen. Hier bekräftigt das Dokument die Notwendigkeit des Dialoges – sowohl mit anderen Religionen als auch mit „denen, für die Religion etwas Fremdes ist."
Die Schattenseiten
Immer wieder kommt das Dokument auch auf die Schattenseiten zu sprechen. Es gehöre zur Glaubensweitergabe dazu, den Mut zu haben, „die Untreue und die Skandale offen zu benennen". Dieser Mut, gemeinsam mit dem Zeugnis für Christus und dem Sprechen vom Bedürfnis der Erlösung, aber auch das Buße-tun, der Einsatz in Wegen der Reinigung und der Wille, die Folgen unserer Fehler wieder gut zu machen, „auch all dies ist eine Frucht der Weitergabe des Glaubens, der Verkündigung des Evangeliums."
Woran messen wir das Vorgehen?
Die Fallen, die sich dem Glauben heute stellen, beschreiben die Lineamenta mit Sektierertum und Zivilreligion, beides gelte es gleichermaßen zu vermeiden. In unserem nachideologischen Zeitalter „ist es erforderlich, dass die christliche Praxis das Nachdenken leitet". Es müsse also das tägliche Leben der Christen im Vordergrund stehen, nur lebendige Gemeinschaften könnten den lebendigen Glauben weitergeben. „Die Weitergabe des Glaubens erfolgt nicht nur in Worten, sondern erfordert eine Beziehung zu Gott." Die Welt habe ein Recht darauf, die Lehre der Kirche in diesen Gemeinschaften zu sehen.
Wer soll das tun?
Die neue Evangelisierung sei keine Spezialaufgabe, keine spezialisierte Tätigkeit, die an bestimmte Gruppen oder an Einzelne übertragen werde. Sie gehöre in die Erfahrung eines jeden Christen, „angeregt von der Liebe" soll der Glaube die verschiedenen Kulturen aufnehmen und erneuern.
Ausdrücklich und ausführlich wird das Engagement vieler Christen genannt, die sich vor allem ehrenamtlich für die Glaubensweitergabe eingesetzt hätten, in ihnen werde die Lehre des Konzils verwirklicht.
Gleichzeitig werden aber auch hier die Herausforderungen benannt: die geringe Zahl von Priestern, eine gewisse Müdigkeit und Zermürbung und das „zu niedrige Niveau des Austauschs" in christlichen Gemeinschaften.
Wie soll das jetzt weitergehen?
Den einzelnen Abschnitten der Lineamenta folgen Fragenkataloge, welche die Diskussionen erleichtern und vor allem strukturieren sollen. Die Bischofskonferenzen und katholischen Ostkirchen, die Dikasterien der römischen Kurie und die Ordensgemeinschaften sollen das Nachdenken darüber erleichtern: „in den Diözesen, Seelsorgsgebieten, Pfarreien, Ordensgemeinschaften, Vereinigungen, Bewegungen etc". Der 1. November ist der Stichtag für das Einsenden der Antworten an das Sekretariat der Bischofssynode. Daraus werde dann das instrumentum laboris, also das Arbeitspapier für die Synode erarbeitet.
Wie kam es dazu?
Bekannt geworden ist der Begriff der „Neuen Evangelisierung" durch Papst Johannes Paul II.: Er benutzte ihn, „um Schwung in eine Sache zu bringen". Bereits Papst Paul VI. hatte in seinem apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi von 1975 auf die Wichtigkeit der Evangelisierung für den Glauben hingewiesen. Das Zweite Vatikanum hatte die Glaubensweitergabe das Wesen der pilgernden Kirche genannt. Diese Gedanken und das Anliegen Johannes Pauls griff Benedikt XVI. auf, der dazu 2010 einen eigenen Päpstlichen Rat gegründet hatte. (rv)