Menschenhandel und die Integration der Opfer

VATIKANSTADT – Wie kann man die Opfer von Menschenhandel wieder in die Gesellschaft integrieren? Auf welche Weise kann man ihnen auf juristischer Ebene helfen? Darüber sprachen die Teilnehmer beim Workshop der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften vom 4. bis 6. November.

Die Tagung ist Bestandteil eines umfangreichen Einsatzes im Kampf gegen den Menschenhandel, den sich die Akademie, mit Sitz in der Casina Pio IV., auf ausdrücklichen Wunsch Papst Franziskus´ an deren Kanzler, Erzbischof Marcelo Sanchez Sorondo, zu eigen gemacht hat.

Die Präsidentin, Margaret Archer, hob den bereits zurückgelegten Weg der Akademie hervor und versuchte, diesem letzten Workshop einen etwas praktischeren Ansatz zu geben. Man versuchte, „aus der Sicht der Opfer zu denken“ und nicht nur von der „klassischen Idee“, die Verantwortlichen des Menschenhandels zu belasten, auszugehen.

Das Thema des Menschenhandels ist mit starker Dringlichkeit auf die Agenda 2030 – Ziele für nachhaltige Entwicklung der UNO gesetzt worden, in der man unter Punkt 27 liest, dass sich die teilnehmenden Staaten dazu verpflichten, „Zwangsarbeit und Menschenhandel“ auszumerzen und der „Kinderarbeit mit aller Kraft“ ein Ende zu bereiten.

Der Menschenhandel ist ein „Milliardengeschäft“ betonte Rani Hong, Präsidentin der Tronie Foundation. Frau Hong gab auch ein persönliches Zeugnis. Sie war aus ihrer Familie entführt und versklavt worden und so lange Opfer der Menschenhandels gewesen, bis sie an das internationale Adoptionssystem Kanadas verkauft wurde. Dort fing sie an, sich ein neues Leben aufzubauen.

„Das Problem, die Kinder für Adoptionen zu verkaufen ist in den Medien präsent. Man spricht viel über die Kinder, die als Hausbedienstete oder für Organtransplantationen verkauft werden. Es ist wichtig, diesem Thema Bedeutung zu geben, damit die Menschen zu einer Sensibilität dafür erzogen werden.“

„Papst Franziskus hat sich mit diesem Problem schon vor einiger Zeit beschäftigt und betont, wie man von der Entführung auf den Straßen ins Internet gewechselt sei, denn das Internet ist der Ort, an dem die Kinder am häufigsten aufgegriffen werden“ so Erzbischof Sanchez Sorondo.

Der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften erläuterte weiterhin, dass es auch darum gegangen war „die Verbreitung des Phänomens Menschenhandel zu erklären und gute Ansätze oder bessere Modelle zu finden, um den Opfern zu helfen. Die Definition von Menschenhandel, die sowohl von Benedikt XVI. als auch von Papst Franziskus gegeben worden war, wurde wiederholt und zusammengefasst, d.h. Menschenhandel ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Zwangsarbeit, Prostitution und Organhandel. Ebenso betrachtete man die Ausbreitung des Phänomens, wobei vor allem versucht wurde, die besten Auswege aus dieser Situation zu finden.“

Der Erzbischof erinnerte daran, dass „es unzählige weibliche Ordenskongregationen gebe, die sich um die Opfer kümmerten“; es sei aber auch wichtig, dass Laien eine „geistliche, psychologische und menschliche Hilfe“ anböten.

Weiterhin wurden behandelt, wie der Menschenhandel aufgedeckt werden könne, indem man die Geldflüsse verfolge. Diese Arbeit wird von der Global Alliance for Legal Aid, unter Leitung von Jami Solli, geleistet, die den Workshop mit organisiert hat.

Menschenhandel wird auch am kommenden 9. und 10. November das Thema sein, wenn in der Casina Pio IV die Konferenz „Richterinnen und Staatsanwältinnen über Menschenhandel und organisiertes Verbrechen“ stattfinden wird. (CNA Deutsch)

Vatikan am Welttag der Frau: Mit Bildung zu neuem Selbstvertrauen

Casina Pio IVZum dritten Mal in Serie wird im Vatikan der internationale Welttag der Frau begangen. Das Erzähl-Event „Voices of Faith“, zu Deutsch „Stimmen des Glaubens“, am 8. März in der Casina Pio IV. in den vatikanischen Gärten bietet engagierten Katholikinnen aus aller Welt eine Plattform. Eingeladen sind Frauen aus vier Kontinenten, die Opfer von Menschenhandel oder Zwangsheirat wurden oder aktiv gegen diese Missstände ankämpfen. Thema ist auch der Zugang zu Bildung für Frauen in armen Ländern. Zusätzlich ist eine Podiumsdiskussion zur Rolle der Frau in der Kirche geplant.

Chantal Götz, die Präsidentin der katholischen Fidel-Götz-Stiftung aus Liechtenstein, organisiert das Treffen im Vatikan. Es trägt anlässlich des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit den Titel „Barmherzigkeit braucht Mut“. Götz erklärt, warum es so wichtig ist, die Stimmen dieser Frauen zu hören:

„Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Vatikan nicht unbedingt nach außen geht und sich das Ganze auch ein bisschen anschaut. Der Papst hat ja auch dazu aufgefordert, dass die Bischöfe und Kardinäle ein bisschen mehr Felderfahrung bekommen. Das findet in dem Sinn so nicht statt. Aufgrund meiner eigenen Erfahrung in der Stiftung, wo ich viel rausgehe und mit den Frauen und Mädchen spreche, habe ich gesagt, vielleicht ist es einfacher, wir bringen diese tollen Frauen mit ihren Geschichten in den Vatikan rein. Ich denke, aufgrund von diesen Geschichten können wir eine gewisse Mentalitätsveränderung erreichen und über einen emotionalen Weg sagen, Frauen tragen viel dazu bei, um die Gleichberechtigung in der Kirche anzustreben, aber wir können die Männer mit ins Boot holen und sagen: Eigentlich gehören wir doch alle zu dieser Kirche.“

Jedes Jahr werden weltweit über 15 Millionen Mädchen verheiratet, ein großer Teil davon in Indien. Caroline und Judy, die am Weltfrauentag im Vatikan sprechen, kommen beide aus Kenia. Sie konnten sich einer Kinderheirat im Teenageralter entziehen. Caroline Nduku ist nun 21 und erzählt, wie sie im Alter von 14 vor die Wahl gestellt wurde: entweder zu heiraten oder Kinderarbeit zu leisten.

„Ich konnte mich der Zwangsheirat entziehen, weil ich eine Leidenschaft fürs Lernen hatte. Was mich dabei antrieb, war, dass ich sah, was meine Schwestern für ein trauriges Leben voller Bitterkeit führten, weil sie direkt nach der Grundschule mit ungefähr 14 Jahren verheiratet wurden.“

Die Kultur, in der sie lebten, hindere sie an einer guten Zukunft, sagt Caroline. Deshalb sieht sie nur einen einzigen Ausweg für die jungen Frauen dort: ausbrechen. „Rennt weg vor diesen Kulturen, wenn ihr könnt.“

Judy Onyango kommt ebenfalls aus Kenia und studiert zurzeit für einen Master of Business Administration (MBA). Als ihr Vater starb, riskierte ihre Familie ein Leben in Armut. So wuchs der Druck auf Judy, von der Schule zu gehen und mit 16 zu heiraten, damit die Familie durch einen Ehemann finanziell unterstützt werde. Doch Judy hielt dem Druck Stand.

„Ich sah, was meine Mutter für ein elendes Leben hatte ohne ihren Mann. Wir konnten gerade so überleben, lebten von der Hand in den Mund. Wir aßen alles, was sie finden konnte. Und wir hatten keine Bildung. Alle diese Erfahrungen führten mir vor Augen, dass ich nicht einfach ohne Ausbildung heiraten sollte, weil ich sonst enden würde wie meine Mutter. Aber mit einer guten Bildung bin ich eine unabhängige Frau, die nicht auf das Geld ihres Ehemanns angewiesen ist.“

Mithilfe von Freunden und der Kirche konnte Judy sich finanziell über Wasser halten und ihre Ausbildung fortsetzen. Heute ist sie stolz, weil sie es aus den gesellschaftlichen Zwängen herausgeschafft hat und Vorbild für andere sein kann:

„Gute Bildung hat so viele positive Auswirkungen auf dein Leben. Zu allererst den Respekt und die Würde, die du dadurch bekommst. Jetzt schauen die Menschen auf mich und bewundern, dass ich es bis dorthin geschafft habe. Meine Geschwister sehen zu mir auf, ich bin ein Vorbild für sie. Auch auf andere Menschen und Organisationen habe ich einen Einfluss, um andere zu unterstützen. Hätte ich keine Bildung, hätte ich diesen Einfluss nicht. Ich bin so dankbar, dass ich anderen jungen Menschen nun helfen kann, indem ich ihnen meine Geschichte erzähle.“

Auf die Frage, was ihre Ziele sind, antwortet Judy:

„Für mich sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Nach meinem Master möchte ich gerne einen Doktor machen. Damit die Gesellschaft auf mich schaut und sagt: Das ist eine der wenigen, die es geschafft haben. Ich möchte so vielen Menschen wie möglich Kraft geben. Das geht nur mit dem höchsten möglichen Grad an Bildung. Noch gibt es sehr wenige Frauen in meiner Lage, die das getan haben. Und ich glaube, wenn diese wenigen Frauen zusammenkommen mit ihrer Erfahrung, ihrem Wissen und Fähigkeiten, sind sie dazu imstande, die Gesellschaft zu ändern. Weil in unserer Gesellschaft Frauen nach wie vor keinen Respekt erfahren.

Der indische Salesianerpater George Menamparampil begleitet die beiden Mädchen am Dienstag bei der Veranstaltung im Vatikan. Er ist für die Finanzierung von rund 300 Schulen und Hochschulen in Indien verantwortlich. Besonders leidenschaftlich setzt er sich für die Bildung von Mädchen ein, denn in seiner Heimat sind Kinderehen insbesondere in den unteren Schichten weit verbreitet, wie er erzählt:

„In Indien wird meistens auf die Mädchen heruntergeschaut, sie haben keine eigene Identität. Sie sind die Tochter des Vaters, die Schwester des Bruders, die Frau ihres Mannes oder die Mutter eines Kindes – aber eine eigene Identität wird ihnen nicht zugestanden. Mädchen werden missbraucht, ausgebeutet, sie haben keine Chance, ihr Potenzial auszuschöpfen. Dabei hätten Mädchen mit ihrer Intelligenz und all ihren anderen Qualitäten auf emotionaler, spiritueller und menschlicher Ebene ebenso viel zur Gesellschaft beizutragen wie Männer.“

Mit hunderten sogenannter Kinderparlamente versucht die Don Bosco-Gemeinschaft in ländlichen Gegenden Indiens die jungen Menschen für Kinderehen zu sensibilisieren und im Zweifel auch einzugreifen und die Polizei einzuschalten, um Druck auf die Eltern auszuüben. Nur so können die Mädchen zumindest bis zum 18. Lebensjahr zur Schule gehen.

Die Veranstaltung „Voices of Faith“ 2016 am Weltfrauentag, dem 8. März, kann per Livestream mitverfolgt werden. (rv)