Papst an Kolumbiens Bischöfe: Keine „Kaste von Funktionären“

Papst Franziskus hat die Bischöfe Kolumbiens dazu aufgerufen, Hirten zu sein und nicht Funktionäre, sich nicht den Machthabenden anzudienen, auf geheime Absprachen zu verzichten und dem Land zu helfen, „mutig den ersten Schritt auf dem Weg zum endgültigen Frieden zu tun“. In einer langen und artikulierten Rede äußerte sich der Papst vor den 130 Bischöfen Kolumbiens in Bogota; es war das erste Mal bei einer Reise von Franziskus, dass die Ansprache an den Episkopat eins zu eins öffentlich übertragen wurde.

Franziskus machte das Motto seiner Kolumbienreise, „Tun wir den ersten Schritt“, zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Der erste Schritt, das sei jener Gottes auf den Menschen zu. Diesen ersten Schritt müssten die Bischöfe „mit heiliger Furcht und Ergriffenheit“ behüten, keinesfalls dürfe der Weg hin zur Logik einer weltlichen Macht führen.

„Gott geht uns voraus; wir sind die Reben, nicht der Weinstock. Deshalb bringt nicht die Stimme dessen zum Schweigen, der uns gerufen hat. Glaubt nicht, dass die Summe eurer armseligen Tugenden oder die Schmeicheleien der jeweiligen Mächtigen den Erfolg der euch von Gott anvertrauten Aufgabe garantieren. Im Gegenteil: Bettelt im Gebet, damit ihr denen etwas schenken könnt, die sich immerfort an euer Herz als Hirte wenden.“

Um ihre Identität als „Sakrament des ersten Schrittes Gottes greifbar zu machen“, sei es Aufgabe der Bischöfe, ständig aus sich selbst „herauszugehen“. Franziskus nannte dies geradezu eine „Bedingung für die Ausübung des apostolischen Dienstes“: die „Bereitschaft, sich Jesus zu nähern und alles hinter uns zu lassen, was wir waren“.

Bischöfe sind keine „Kaste von Funktionären“

„Passt euch nicht dem Maßstab derer an, die gerne möchten, ihr wärt bloß eine Kaste von Funktionären, die sich dem Diktat der Gegenwart beugen. Heftet hingegen euren Blick auf die Ewigkeit dessen, der euch erwählt hat, und seid bereit, das endgültige Urteil aus seinem Mund zu hören.“

Franziskus würdigte die Kirche Kolumbiens als besonders vielfältig. Unterschiedliche pastorale Sensibilitäten und regionale Eigenheiten seien bereichernd. Zugleich mahnte der Papst die kolumbianischen Bischöfe zu Einheit und Transparenz. „Bemüht euch ständig um die Bewahrung der Gemeinschaft unter euch. Werdet nicht müde, sie durch den offenen und brüderlichen Dialog aufzubauen, und meidet heimliche Projekte wie die Pest.“

Kolumbien braucht seine Bischöfe

Kolumbien brauche seine Bischöfe besonders für die Arbeit am Frieden, fuhr der Papst sinngemäß fort. Die Bischöfe sollten „ohne Angst das verwundete Fleisch eurer Geschichte und eures Volkes“ berühren – „in Demut, ohne Geltungssucht und mit ungeteiltem Herzen, frei von Kompromissen und Unterwürfigkeiten“. Gott allein sei der Herr, „wir Bischöfe dürfen keinem anderen Zweck dienen“.

Und Franziskus nannte eine Reihe von Herausforderungen für Kolumbien: der Weg zum endgültigen Frieden, Versöhnung, Ablehnung der Gewalt, „Überwindung der Ungleichheiten, welche die Wurzel vielen Leidens ist“, Verzicht auf Korruption, Festigung der Demokratie, „wofür Armut und Ungleichheit überwunden werden müssen“. Zum Meistern all dieser Herausforderungen brauche Kolumbien seine Bischöfe, sagte der Papst; Bischöfe, denen das Gewissen ihrer Gläubigen ein Anliegen ist.

„Ihr seid weder Fachleute noch Politiker, ihr seid Hirten. Christus ist das Wort der Versöhnung, das in unsere Herzen eingeschrieben ist. Ihr habt die Kraft, es nicht nur von den Kanzeln, in kirchlichen Dokumenten oder in Zeitschriftenartikeln verkünden zu können, sondern noch mehr in den Herzen der Menschen, im verborgenen Heiligtum ihrer Gewissen, in der glühenden Hoffnung, dass es sie dazu führt, die Stimme des Himmels zu hören, die sagt: Friede.“

Bischöfe sollen auf konkreten Menschen schauen und nicht auf ihre Idee von Menschen

Ebenso bat der Papst die Bischöfe, „stets auf den konkreten Menschen zu blicken“ und nicht „einem Begriff vom Menschen“ zu dienen. Menschen seien gebildet aus Fleisch und Knochen, aber auch aus „Geschichte, Glaube, Hoffnung, Empfindungen, Enttäuschungen, Frustrierungen, Schmerzen, Wunden“. Franziskus rief die Bischöfe dazu auf, für die Bildung von Laien zu sorgen, die kolumbianische Familie zu stärken, die Jugendlichen wertzuschätzen und ihren Fragen großherzige Räume zu öffnen. Überdies sollten sie ihren Priestern Väter sein und darauf achten, ob diese wirklich Jesus nachfolgten oder eher auf wirtschaftliches Auskommen, Doppelleben oder Karriere aus seien. Auch die Ordensleute sollten die Bischöfe nicht vernachlässigen, die in ihrer Lebensform eine „Ohrfeige für jede Form von Weltlichkeit“ seien.

Am Ende seiner Rede ging Franziskus – eher überraschend an dieser Stelle – auf den Schatz ein, den das Amazonasgebiet und die dort beheimateten Indigenen für Kolumbien und die Kirche darstellen. Er forderte die Bischöfe dazu auf, „die Kirche in Amazonien nicht sich selbst zu überlassen“ und würdigte die „arkane Weisheit“ der Indigenen, von der es zu lernen gelte. „Ich frage mich, ob wir noch fähig sind, von ihnen die Unantastbarkeit des Lebens und die Achtung der Natur zu lernen sowie das Bewusstsein, dass die instrumentelle Vernunft nicht genügt, um das Leben des Menschen zu erfüllen und auf die tiefe Suche, die ihn anfragt, zu antworten.“

Der Episkopat Kolumbiens gilt seit jeher als sehr konservativ ausgerichtet. In dem instabilen und von Konflikten gezeichneten Land wurde die Kirche historisch als Faktor der Stabilität gesehen. Die rund 90 heute amtierenden Bischöfe stehen zwar grundsätzlich hinter dem aktuellen Prozess des Friedens und der Versöhnung und wirkten tatkräftig am Zustandekommen des Friedensvertrages zwischen Regierung und FARC-Rebellen mit; allerdings empfahl die Bischofskonferenz bei der Volksabstimmung kein „Ja“, sondern eine „Gewissensentscheidung“, was ihr als mangelnde Unterstützung zu dem Abkommen ausgelegt wurde. (rv)

Brasilien: Es fehlen Missionare im Amazonasgebiet

Kardinal Claudio HummesInsbesondere die Region Amazonien hat dringenden Bedarf an Missionaren. Das berichtet der brasilianische Kardinal Claudio Hummes, Präsident des pan-amazonischen Kirchennetzwerkes REPAM, gegenüber Radio Vatikan. Die Region, die neun südamerikanische Länder umfasst, sieht sich immer größeren Schwierigkeiten gegenüber, die auch durch die Ausbeutungspolitik multinationaler Konzerne weiter gefördert werden und das Überleben der indigenen Bevölkerung gefährdet. Kardinal Hummes:

„Die Amazonasregion ist nach wie vor eine große Herausforderung für die Kirche. Der Papst begleitet und bestärkt uns hier. Er sagt uns immer, wir sollen mutig sein, und auch riskieren, mal neue Wege zu beschreiten und neue Lösungen zu finden. Wir haben wirklich wenige Missionare für unsere indigenen Gemeinschaften – und derer gibt es viele – die so wie es scheint in der Vergangenheit mehr Hilfestellung hatten als heute.“

Zwar gebe es in Amazonien durchaus viele Missionare, doch keine, die es aus den vielen Städten in die unzugänglichen Gebiete der Ureinwohner ziehe. Doch gerade diese hätten nach ihrer Evangelisierung nun Betreuung durch Missionare nötig. Eine weitere Herausforderung, vor der sich die Kirche vor Ort sehe, sei auch die nachhaltige Entwicklung der Region, so der Kardinal: „Das betrifft den Umweltschutz, die Nachhaltigkeit, und welche Art von Entwicklung wir für das Gebiet wollen. Der Papst begleitet alles das und ist sehr informiert. Er leitet uns auch mit seiner Enzyklika Laudato sí, die so etwas wie die Magna Charta für unsere Arbeit als Kirche ist, sei es für die Kommission der brasilianischen Bischöfe für Amazonien, sei es für REPAM, die alle neun Länder einschließt, die eine Amazonasregion haben. Laudato sí, so wie die großen Klimakonferenzen, nimmt sich der großen Themen unserer Zeit an und steht für die Arbeit, die wir als Kirche dort verrichten.“ (rv)

Kardinal Hummes: „Amazonien steht am Scheideweg“

Gegen Entwicklungspläne der brasilianischen Regierung über die Köpfe der Völker im Amazonasgebiet hinweg stemmen sich die katholischen Bischöfe in der Region, die auch als „grüne Lunge" des Planeten bekannt ist. Bei Brasiliens Plänen, etwa durch Staudämme im Amazonasgebiet Energie aus Wasserkraft zu gewinnen, dürften Umwelt und Mensch nicht vergessen werden, mahnt der Vorsitzende der Bischofskommission für Amazonien, Kardinal Cláudio Hummes. Radio Vatikan traf ihn im brasilianischen Manaus, wo an diesem Montag eine Konferenz der katholischen Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB) startet. Auf dem bis Donnerstag dauernden Treffen kommen zum ersten Mal Bischöfe, Laien und Verantwortliche von Institutionen aus sechs Regionen zusammen, um über Amazoniens Zukunft zu beraten.

„Entwicklung ist auch für die Volksgruppen wichtig, die entlang der Flüsse im Amazonasgebiet leben. Die Frage ist jedoch die: Wie kann man es anstellen, dass diese Entwicklung nicht zerstörerisch für Kultur und Geschichte ist? Es stimmt, dass Brasilien elektrische Energie benötigt; es stimmt, dass Wasserenergie sauberer ist als andere Formen der Energiegewinnung. Doch all das muss zunächst mit allen Menschen besprochen und geteilt werden, die in der Region leben. Und dies muss auf intelligente Weise geschehen, denn der Mensch muss immer ins Zentrum großer Entwicklungsziele gestellt werden."

Vor Entscheidungen über Köpfe hinweg brauche es also eine breite Debatte, so der Kardinal, wie sich das für eine Demokratie gehört. Tatsächlich aber ist es schon lange Realität, dass Streiter für die Rechte der Menschen im Amazonasgebiet und Umweltschützer immer wieder Probleme bekommen. Viele Kirchenvertreter dort müssen auch heute noch um ihr Leben fürchten, bestätigt Kardinal Hummes im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Es war immer schon so, dass besondere Interessen von Unternehmen oder von anderer Seite Bischöfe, Priester, Schwestern und engagierte Laien bedroht haben, die Anführer der Indigenen wie auch der übrigen Bevölkerung Amazoniens, die das Recht der Region einfordern, als solche geschützt, gepflegt und nicht zerstört zu werden."

Eben für diesen Schutz der ökologischen und ethnologischen Vielfalt in der Region tritt die katholische Kirche ein – Papst Franziskus hatte Amazonien bei seinem Brasilienbesuch im Rahmen des Weltjugendtages als „Bewährungsprobe" für Brasiliens Kirche bezeichnet und daran erinnert, dass es hier um die Bewahrung gesamten Schöpfung gehe: die Arbeit der Kirche in dieser weiten Region müsse intensiviert und gefördert werden, so Franziskus. Angesichts der Entwicklungspläne der Regierung und privater Unternehmen für Amazonien befinde sich die Region aktuell am Scheideweg, so Kardinal Hummes. Um Mensch und Umwelt zu schützen müsse jetzt gehandelt werden. Hummes denkt da besonders an die Indios und die Ureinwohner, die chronisch diskriminiert werden:

„Es stimmt, dass in den letzten Jahren Fortschritte zu ihren Gunsten gemacht wurden, doch sie sind immer noch verstoßen. Die Kirche stellt deshalb die Frage ihrer Mission dort, sie war ist in der Geschichte Amazoniens von Anfang an präsent. Das bedeutet, dass sie hier eine Geschichte, Erfahrung und Wissen hat. Es ist auch wahr, dass Missionare und Bischöfe von anderen Orten herkommen, viele von ihnen haben nicht diese lange historische Erfahrung. Auch für sie ist es wichtig, an unserem Treffen teilzunehmen, um gemeinsam zu lernen und nachzudenken."

Man wolle in Manaus die „großen gemeinsamen Aktionslinien" festlegen und eine Perspektive für das Amazonasgebiet entwickeln, gibt der emeritierter Erzbischof von Sao Paulo das Anliegen des Bischofstreffens wider. Hier fühle man sich auch durch Papst Franziskus’ Aufmerksamkeit für die Region ermutigt und nehme seine Anregungen auf:

„Wir haben die Verantwortung, der Kirche in Amazonien ein ,amazonisches Gesicht‘ zu geben, wie es der Papst sagte. Das meint eine Inkulturation, deren Zentrum die Indios sind."

Franziskus hatte bei seinem Brasilienbesuch nicht nur die ökologischen Forderungen des Grundsatzpapiers der Bischofsversammlung von Aparecida aufgegriffen, an dem er selbst maßgeblich mitgewirkt hatte. Das Dokument, das 2007 entstand, geißelte damals schon den „zunehmend aggressiven Umgang" mit der Artenvielfalt und den Ressourcen des größten Ökosystems der Welt – unter anderem durch internationale Konzerne. Der Papst hatte auf seiner ersten apostolischen Auslandsreise auch dazu aufgerufen, dass die Kirche in Brasilien einen einheimischen Klerus heranbilden müsse, der der spezifischen Kultur der Region gerecht werden könne. (rv)