Drahtseilakt: Vatikanische Außenpolitik in der Ära Trump

Der Vatikan legt es derzeit nicht auf eine Konfrontation mit der neuen US-Regierung an. Das machte der „Außenminister“ des Vatikans, Erzbischof Paul Richard Gallagher, jetzt im Gespräch mit Radio Vatikan deutlich. Auf die Frage, wie er denn den Bau von Mauern gegen Migranten bewerte, sagte der Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten im vatikanischen Staatssekretariat:

„Wir sehen, dass man an vielen Fronten arbeiten muss. Es geht darum, die Konflikte zu lindern und die Kriege da, wo es sie gibt, zu lösen. Man muss mehr für die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung vieler Länder tun, in denen die Armen geradezu gezwungen sind, eine bessere Zukunft für sich selbst und ihre Familien zu suchen – was legitim ist. In diesem Sinn arbeiten wir, und auch für eine neue Vision der Weltwirtschaft. Wir haben doch die Ressourcen und die Fähigkeit, eine gerechtere Welt zu bauen, wo es mehr Möglichkeiten zu einem Leben in Würde gibt.“

Eine Antwort auf die Frage nach der Mauer gab Gallagher nicht. US-Präsident Trump plant den Ausbau der stellenweise bereits existierenden Sperranlage zwischen Mexiko und den USA zu einer lückenlosen Mauer entlang der gesamten Grenze. Ziel ist es, illegale Einwanderung zu stoppen.

Bei einer Japanreise hat der Vatikanverantwortliche für die Beziehungen zu den Staaten in den letzten Tagen unter anderem in Tokio einen Vortrag über die Rechte von Flüchtlingen gehalten. Gallagher gab zu erkennen, dass er in Japan große Unruhe über Trumps Kurs wahrgenommen hat. Die Regierung von Präsident Shinzo Abe fürchtet, dass der neue Mann im Weißen Haus sich nicht mehr an US-Sicherheitsgarantien für Japan gebunden fühlt.

„Nach Japan zu reisen bedeutet, eine sehr spezielle Situation nach dem Zweiten Weltkrieg und nach den Atombomben-Abwürfen kennenzulernen“, so Erzbischof Gallagher. „Das Land ist immer noch zutiefst traumatisiert von diesen Erfahrungen, und Friede hat für die Menschen dort einen besonderen Sinn. Den Frieden zu sichern ist die Sorge aller Japaner. Sie verstehen, welchen Preis man für Frieden zu zahlen hat und welche Anstrengung der Friede braucht. Jetzt sorgen sie sich etwa wegen der Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel, wegen ihrer Verteidigungs-Allianz mit den USA und anderen Dingen. In der Welt sehen wir ja den Frieden oft als etwas Automatisches, Garantiertes an – aber so ist das nicht. In Japan verstehen sie, welchen Preis der Friede hat und welches Leid der Nicht-Friede mit sich bringt.“

Natürlich hat der hohe Besucher aus dem vatikanischen Staatssekretariat in Japan auch das Mahnmal von Hiroshima besucht, das an den ersten Atombomben-Abwurf von 1945 erinnert. Wer denkt da nicht an die Äußerungen Trumps in seinem Wahlkampf, Japan könne sich doch alleine verteidigen, etwa indem es sich Atomwaffen zulegt. Erzbischof Gallagher ficht hingegen für nukleare Abrüstung und die Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen, „auch mit einem gewissen Sinn für Realismus“.

„Wir arbeiten da im Wesentlichen an zwei Fronten: in der multilateralen Welt durch die internationalen Organismen. Und dann natürlich auch über unsere kirchlichen Kanäle. Wir hoffen, dass auch die katholischen Gemeinschaften von diesem Geist des Friedens bewegt sind, und von diesem Geist der Suche nach einer Ethik der Brüderlichkeit, von dem der Papst häufig spricht. Wir sollten unsere Ängste überwinden, die uns dazu bringen wollen, uns mit diesen schrecklichen Waffen zu verteidigen.“

Seit seinem Amtsantritt im März 2013 hat Papst Franziskus einiges geleistet auf dem Feld der Friedensdiplomatie. So trug die päpstliche Diplomatie zum Ende der Eiszeit zwischen den USA und Kuba bei. Jetzt könnte Trump einiges von dem, was Franziskus aufgebaut hat, wieder einreißen. Aber der Papst wird nicht lockerlassen, wie Erzbischof Gallagher sagt.

„Ich glaube, der Heilige Vater sieht die Vatikandiplomatie als einen Ausdruck dieses Dienstes, den die Kirche für die internationale Gemeinschaft leisten soll. Wir antworten auf Bitten von Regierungen und Völkern, um zum Frieden beizutragen und unser Mögliches zu tun. Dabei wollen wir nicht Hauptdarsteller sein, wir haben auch keine Patentlösungen für alles, aber in einem Geist der Brüderlichkeit können wir doch versuchen, anderen zu helfen, Vorurteile zu überwinden, miteinander zu reden, einen Dialog anzustoßen. Wir tun, was möglich ist. Der Heilige Vater wünscht, dass wir immer bereit sind, trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen, die es gibt. Wir antworten immer, wenn uns zwei Konfliktparteien anrufen – aber nicht, wenn nur eine von beiden uns ruft. Denn wir müssen immer versuchen, unparteiisch zu bleiben.“ (rv)