Der Methusalem des Papst-Senates

Kardinal CapovillaEr ist nicht nur mit Abstand der Älteste im Kardinalskollegium – Loris Capovilla ist auch in manch anderer Hinsicht außergewöhnlich. Der 98-Jährige war einmal – das ist fünfzig Jahre her! – der Privatsekretär von Johannes XXIII. Ende April nun wird der Roncalli-Papst heilig gesprochen, und Capovilla ist – seit dem vergangenen Wochenende – Kardinal. Im Gespräch mit Radio Vatikan scherzt der Methusalem des Papst-Senates:

„Ich grüße euch als römischer Priester! Ich bin zufrieden darüber, denn diese Tatsache, ein ‚neuer’ römischer Priester zu sein, erinnert mich an meine Berufung.“

Tatsächlich entstand das heutige Kardinalskollegium historisch aus den römischen Pfarreien und Pfarrei-ähnlichen Einheiten, Roms Priester gehörten also zu den ersten Senatoren ihres Bischofs. Kardinal Capovilla war zu alt, um zum Konsistorium nach Rom zu reisen; er hat die Kardinalserhebung am Fernseher mitverfolgt.

„Mein Eindruck von der Predigt des Heiligen Vaters (am Sonntag) war, dass er uns in ein Klima der Heiligkeit eintreten lässt. Tatsächlich wird dieses Jahr ja geprägt vom feierlichen Einschreiben Johannes XXIII. und Johannes Pauls II. ins Buch der Heiligen.“

Es sei kein „Luxus“, heilig zu sein, sondern etwas Notwendiges für das Heil der Welt, sagte Papst Franziskus in seiner Predigt. Capovilla kommentiert:

„Ich habe da an das fünfte Kapitel (des Konzilstextes) Lumen Gentium gedacht, das die Überschrift hat: Universelle Berufung zur Heiligkeit. Nicht der Priester, oder der Kardinal, oder der Bischof, oder der Mönch, sondern alle Christen – alle Männer und Frauen, die Träger von Gottes Licht sind – alle sind wir zur Nächstenliebe berufen, zur Güte, zum Dienst, zur Demut, zum Opfer. Und das soll leuchten in der Welt. Nicht umsonst hat Papst Benedikt XVI. – dem unsere ganze Verehrung gilt – gesagt, der Polarstern des XXI. Jahrhunderts müsse das Zweite Vatikanische Konzil sein. Es geht um die Hoffnung einer Gemeinschaft, die sich auf eine Zivilisation der Liebe zubewegt. Die Ansprachen von Papst Franziskus in diesen Tagen, nein: an allen Tagen, haben mich dazu inspiriert.“

Ein neuer Kardinal trete ein in die Kirche von Rom – nicht in einen Hofstaat. Diese Papstworte vom Sonntag sind von vielen Medien zitiert worden. In dem 98-jährigen Kardinal aus Norditalien sind bei diesen Worten Erinnerungen aufgestiegen.

„Ich habe an das gedacht, was mich Papst Johannes gelehrt hat. Er sagte mir: ‚Loris, sprich von der Gegenwart mit Milde und Zutrauen, verlier nie den Mut. Von der Vergangenheit sprich möglichst gut und sei denen, die vor dir kamen, dankbar für das, was sie geleistet haben, trotz der Grenzen ihrer Zeit, ihrer Bildung und Lage. Und was die Zukunft betrifft: Da mach keine Vorhersagen, das steht dir nicht zu!’ Ich erinnere mich auch an die letzten Worte von Papst Johannes, sein Testament an die Kirche, die er so sehr geliebt hat: Er sagte, um Christ zu sein, müsse man groß denken und weit sehen. Das ist mein Wunsch… Ich habe sehr wenig geleistet in meinem Leben, ich fühle mein ganzes Kleinsein. Aber mit Jesus werde auch ich zu jemandem. Im Namen Jesu kann auch ich in das Haus eines Kranken gehen und sagen ‚Steh auf und geh!’ Im Namen Jesu kann auch ich Gift trinken oder in einem entchristlichten Umfeld leben, ohne dass ich vergiftet werde, denn ich entgifte mich durch das Gebet… Jesus hat mir gesagt, dass ich mit seiner Hilfe alle Sprachen sprechen kann: Sie fließen zusammen in der Sprache der Liebe.“

Capovilla wurde am 14. Oktober 1915 in der Nähe von Padua geboren; ab 1953 war er Sekretär von Angelo Giuseppe Roncalli, der zunächst Patriarch von Venedig und ab 1958 Papst war. Nach dem Tod des Papstes 1963 wurde Capovilla Erzbischof; seit Ende der achtziger Jahre wohnt er im Geburtsort Johannes XXIII., er hat viele Bücher über ihn geschrieben oder herausgegeben.  (rv)