Italien: „Zölibat überdenken“ – „Nein, doch nicht“

Die Zölibatspflicht sollte überdacht werden. Das schlägt der italienische Kardinal Carlo Maria Martini in einem Beitrag für die österreichische Tageszeitung „Die Presse" vor. „Die Grundfragen der Sexualität müssen im Dialog mit den neuen Generationen neu überdacht werden", schreibt der ehemalige Erzbischof von Mailand. Diese Grundfragen müssten gestellt werden, um das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen, so Martini mit Blick auf die Missbrauchs-Skandale. Der Turiner Kardinal Severino Poletto hat Martini am Montag widersprochen: Er sei gegen eine Revision des Zölibatsversprechens. Priester sollten nicht zu „Funktionären" werden, sondern weiterhin „24 Stunden am Tag im Dienst der Kirche sein". Auch Vatikan-Kardinal Walter Kasper hat sich in einem Zeitungsinterview, das an diesem Montag veröffentlicht wurde, dagegen gewandt, unter dem Eindruck der Missbrauchsfälle jetzt eine Zölibatsdebatte zu beginnen.

Das Thema Missbrauch ist inzwischen auch in Italien in den Mittelpunkt des Medieninteresses gerückt. So hatte die Zeitschrift „L`Espresso" zuletzt mehr als vierzig Vergehen von Geistlichen zwischen der Toskana und Südtirol recherchiert. – Kardinal Carlo Maria Martini stand von 1980 bis 2002 an der Spitze des Erzbistums Mailand und war eine der herausragenden Gestalten der italienischen Kirche. Für eine monatliche Rubrik mit Antworten auf Leserfragen zu kirchlichen und religiösen Themen in der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera" wurde der über 80-jährige Kardinal im Februar mit dem renommierten italienischen Journalistenpreis „Premiolino 2010" geehrt. (rv)