Botschafter Schmid zum Papstbesuch: „Ein ökumenischer Besuch“

Der kommende Papstbesuch in Deutschland ist nicht nur für viele Katholiken ein besonderes Ereignis, er markiert auch einen „Höhepunkt" in den Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl. Papst Benedikt XVI. ist der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren, und in diesem Amt besuchte er Deutschland schon zwei Mal: 2005 beim Weltjugendtag in Köln und 2006, als er ein paar Tage in seiner bayrischen Heimat verbrachte. Sein erster offizieller Besuch in Deutschland im September 2011 stößt schon jetzt auf enormes Interesse in der Bevölkerung und den Medien. Für den deutschen Botschafter am Heiligen Stuhl, Walter Jürgen Schmid, wird beim Papstbesuch im September die Ökumene im Vordergrund stehen. Radio Vatikan hat den Diplomaten zu den einzelnen Stationen der Papstreise befragt.

„Das ist ein äußerst wichtiges Ereignis. Mit dem Papst kommt das Oberhaupt der katholischen Kirche nach Deutschland. Diese steht in Deutschland in einer ganz besonderen Position, nämlich in der Position der Ökumene. Ich glaube, dass der Papstbesuch – nach den Akzenten, die er bisher gesetzt hat – ein ökumenischer Besuch werden wird. Er wird dann im politischen Bereich auch die Positionen auf den Tisch bringen, die der Papst und die katholische Kirche vertreten hat. Das werden eher grundsätzliche Erwägungen sein zur Rolle der Kirchen, der Religionsgemeinschaften im öffentlichen Leben – wir haben da in Deutschland ja eine sehr lange Tradition. Und deshalb werden wir mit Interesse darauf schauen und darauf warten, was der Papst in dieser seiner Rolle als Führer einer Weltkirche in Deutschland sagen wird."

Ein wichtiger Programmpunkt der Reise ist ja die Rede des Papstes vor dem Deutschen Bundestag am 22. September – was ist das für ein Zeichen an die deutsche Politik?

„Ich glaube, das ist in dem Zusammenhang zu sehen, den ich zuvor angesprochen habe: dass die Kirchen in Deutschland ja eine Rolle im öffentlichen Leben haben. Es ist das dritte Mal, dass ein Papst vor einem Parlament spricht. Benedikts Vorgänger, Papst Johannes Paul II., hat einmal vor dem polnischen Parlament gesprochen, weil es das Parlament seines Heimatlandes ist. Das ist auch das Präjudiz für die Rede Benedikts XVI. vor dem deutschen Bundestag. Und dann hat er ja auch einmal gesprochen im römischen Parlament, weil der Papst ja der Bischof von Rom ist. Diese Rede ist ein herausragendes Element der Reise nach Deutschland. Und die vielen Gespräche darüber und Spekulationen, was er sagen könnte – das weiß er wohl bisher nur ganz allein – zeigen, dass die Erwartungshaltung dazu sehr groß ist!"

Was könnte und sollte der Papst der deutschen Politik denn aktuell mit auf den Weg geben? Die letzten Monate waren ja geprägt durch nicht unwichtige innen- und außenpolitische Entscheidungen: zum Libyeneinsatz, zur Präimplantationsdiagnostik, zur Atompolitik…

„Ich glaube, das ist sehr schwer zu sagen. Und ich glaube, wir sollten hier dem Papst die Möglichkeit geben, die Punkte und Grundlinien zu nennen, die er für wichtig hält."

Besonderer Schwerpunkt der Reise ist die Ökumene und das Gespräch mit der evangelischen Kirche in Deutschland, im „Land der Reformation". Dazu wird der Papst unter anderem im Erfurter Augustinerkloster einkehren, dem Luther vor 1517 angehörte. Welche Wirkung kann den der Papstbesuch in dieser Hinsicht haben, vor allem für die neuen Bundesländer?

„Zunächst einmal zur Ökumene allgemein: Ich glaube, dass die Kirchen in Deutschland stärker sein werden, wenn sie zusammenwirken! Das ist ein Anliegen auf allen Seiten. Und ich glaube auch, es ist erfreulich, dass der Papst bei der Vorbereitung des Besuches ganz deutlich gemacht hat, dass er hier einen starken Akzent setzen möchte. Zweitens zu Ostdeutschland: Benedikt XVI. steht auch hier in der Tradition seines Vorgängers, der ja dazu beigetragen hat, dass die Teilung Europas und die Mauer überwunden werden konnten. Und ich glaube, dass der Besuch in Ostdeutschland auch als Geste des Papstes zu sehen ist, die Anerkennung bringt für die Christen in der ehemaligen DDR, die ja eine Minderheit waren, große Nachteile hinzunehmen hatten und dennoch zu ihrem Glauben standen."

Der Papstbesuch in Deutschland stößt schon jetzt auf enormes Interesse in der Bevölkerung und den Medien. Die katholische Kirche ist nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in den letzten Monaten allerdings stark in die Kritik geraten. Inwiefern kann der Papstbesuch die Wahrnehmung der katholischen Kirche in der Bevölkerung beeinflussen?

„Ich glaube, dass der Papst Positionen der katholischen Kirche deutlich machen wird, dass er für Verständnis werben wird. Und was die Situation der katholischen Kirche in Deutschland betrifft: die hängt davon ab, wie sich die katholische Kirche in Deutschland selber bewegt. Beides zusammen wird die Situation der katholischen Kirche in Deutschland beeinflussen."

Die Fragen stellte Anne Preckel. (rv)