Vatikan: Menschhandel stärker im öffentlichen Bewusstsein

Kardinal NicholsDas Phänomen Menschenhandel nimmt zwar weiter zu, doch auch die öffentliche Wahrnehmung dafür ist schärfer als noch vor zwei Jahren. Dieses Resümee zieht Kardinal Vincent Nichols von der zweitägigen Sitzung der sogenannten Santa-Marta-Gruppe, die am Donnerstag im Vatikan zu Ende gegangen ist. Bischöfe, Polizeichefs, Ordensfrauen, Opfer und Fachleute aus allen Kontinenten haben zwei Tage lang darüber beraten, wie Menschenhandel durch bessere Vernetzung der Institutionen eingedämmt werden kann. Kardinal Nichols zeigte sich vor Journalisten zufrieden über die bisherige Arbeit der Santa-Marta-Gruppe, die Papst Franziskus im April 2014 ins Leben gerufen hatte. Damals hatten sich Polizeichefs aus rund 20 Ländern dazu verpflichtet, die katholische Kirche in ihren Kampf gegen Menschenhandel auch institutionell stärker einzubinden. Kardinal Nichols:

„Heute Morgen haben wir Papst Franziskus einen Report übergeben, in dem die Fortschritte aus zwei Jahren Arbeit verzeichnet sind. Wie ich dem Heiligen Vater gesagt habe: ,hier drin ist eine ganze Menge an Ermutigendem´. Vor allem zeigt der Report auf, dass Menschenhandel und Sklaverei nicht mehr ganz so verdeckt stattfinden wie früher. Es gibt ein größeres Bewusstsein für das, was der Heilige Vater als ,offene Wunde im Fleisch der Menschheit´ bezeichnet hat. Stimmen, die früher komplett im Verborgenen blieben, werden heute gehört, und Verzweiflung, die unbeachtet geblieben ist, wird nun anerkannt.“

Dennoch nehme das Phänomen von Jahr zu Jahr zu, die großen Migrationsbewegungen der jüngsten Vergangenheit täten ihr Übriges dazu. Die perfiden und genau auf ihre Opfer ausgerichteten Strategien der Menschenhändler machen ein Eingreifen schwierig. Zwei Opfer von Menschenhandel kamen bei der Konferenz direkt zu Wort und gewährten mit der Schilderung ihrer persönlichen Leidensgeschichte Einblick in die Arbeitsweise der Menschenhändler. Das Zeugnis einer Frau, die als Haushaltssklavin missbraucht wurde, wurde in Schriftform vorgelegt.

Erzwungene Prostitution

Auch Princess wurde Opfer von Menschenhandel. Der jungen Nigerianerin wurde eine Stelle als Köchin versprochen, doch tatsächlich landete sie in einem Bordell und auf dem Straßenstrich in Italien, wo sie willkürlich festgelegte Schulden abarbeiten musste. Erst durch die Begegnung mit Caritasmitarbeitern konnte sie ihren Peinigern entfliehen. „Ich habe dann die Hilfsorganisation PIAM gegründet, um Opfern von Prostitution zu helfen, den ich habe mich gefühlt, wie sie sich fühlen. Ich bin der lebende Beweis für die Gefahren und Grausamkeiten, unter denen viele nigerianische Frauen leiden. Mein Herz fließt über vor Freude, wann immer ich einer von ihnen helfen kann.“ Durch intensive Arbeit vor Ort in Nigeria sei es tatsächlich gelungen, den Fluss von Mädchen aus dem Einzugsgebiet ihrer NGO nach Italien einzudämmen. Der internationalen Gemeinschaft lege sie vor allem ans Herz:

„Mehr internationale Projekte in den Ursprungsländern und dort nicht nur auf übergeordneter Ebene, sondern lokal, um Bildung für junge Mädchen zu fördern. Internationale Polizeieinheiten sollten stark zusammenarbeiten, um Menschenhändler in Ländern wie Nigeria, Niger und Libyen zu überführen und den Handel mit Sexsklaven dadurch einzuschränken. Außerdem braucht es mehr Zufluchtsstätten für die vielen Opfer von Menschenhandel in Europa und größere Finanzmittel für Schutzprogramme.“

Opfer von Menschenhandel, so der Appell von Princess, müssten bereits bei ihrer Registrierung in Europa als Opfer identifiziert und in Schutzeinrichtungen verbracht werden, um sie so ihren Ausbeutern zu entziehen.

Vom Sexsklaven zum Profifußballer

Al Bangura stammt aus Sierra Leone. Bereits als Kind träumte er von einer Karriere als Profifußballer, musste jedoch nach Todesdrohungen mit der Mutter und den Schwestern nach Guinea flüchten, wo er nicht wusste, wie er für den Lebensunterhalt der Familie hätte sorgen können. Hier habe er einen Franzosen kennengelernt, der ihm versprochen habe, professionell Fußball zu spielen. Dies sei der Beginn eines Albtraums gewesen, den er mit vielen anderen jungen Männern, die von einer Karriere als Fußballer in Europa träumten, teile. Denn über Paris wurde Al nach London geschafft, wo er in einem Hotelzimmer gefangen gehalten, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen wurde. Er wisse heute selbst nicht mehr, wie ihm die Flucht schließlich gelungen sei. In einem Heim gelandet, begann er wieder Fußball zu spielen. Dort wurde er durch einen Talentscout entdeckt und spielte schließlich tatsächlich in einem Club, der es bis in die englische Oberliga schaffte. Seine Prominenz helfe ihm nun, andere vor seinem Schicksal zu bewahren und Betroffenen zu helfen. (rv)