Analyse: Bestimmt die LGBT-Debatte die Jugendsynode?

VATIKAN – Die fünfzehnte ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode in Rom geht dem Ende zu. Es wird erwartet, dass der vorgeschlagene Text des Schlussdokuments in Kürze vorliegt.

Die Synode hat sich eigentlich „Jugend, Glaube und Berufungsentscheidung“ zum Thema gemacht.

Im Lauf der Synode wurde immer wieder darüber diskutiert, ob das Abschlussdokument eine „neue Sprache“ für den Umgang von Menschen enthalten wird, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen, wie es das Arbeitsdokument der Synode, auch bekannt als Instrumentum Laboris, tut.

Wenn eine „neue Sprache“ im Abschlussdokument enthalten ist, wird sie nach der Veröffentlichung des Dokuments wahrscheinlich zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der katholischen wie weltlichen Medien werden.

Unabhängig von der Fülle oder Tiefe des endgültigen Synodentextes kann für viele die gesamte Versammlung in vier Buchstaben zusammengefasst werden – oder auch nicht: LGBT.

Eine Umfrage zur Berichterstattung zeigt, dass die Frage der LGBT-Begrifflichkeiten bereits die Aufmerksamkeit der Medien und die öffentlichen Überlegungen vieler Teilnehmer dominiert hat. Und es laufen eindeutig Lobbykampagnen, um diese Sprache einzubeziehen.

Eine Frage des Respekts?

Die Verwendung des Begriffs „LGBT“ im Arbeitsdokument der Synode hat in diesem Frühjahr einen Sturm ausgelöst. Kardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Synode, sagte zunächst, dass die Sprache aus einem prä-synodalen Dokument stamme, das von jungen Menschen während eines Vorbereitungstreffens in Rom am 19. und 24. März erstellt wurde.

Tatsächlich tauchte das Akronym im Vor-Synodendokument jedoch nicht auf.

Obwohl die Einbeziehung der „LGBT“-Terminologie viel Aufmerksamkeit erregt hat: Nur eine kleine Minderheit der Synodenteilnehmern hat dies öffentlich unterstützt.

Während einer Pressekonferenz letzte Woche schien Kardinal John Ribat aus Papua-Neuguinea diese Unterstützung zusammenzufassen. Er sagte, dass die Kirche zu den Jugendlichen „in der Sprache, die sie benutzt“ sprechen sollte.

Die Jugendlichen wollen, dass die Kirche „uns so nennt und anspricht, weil wir das sind, was wir sind“, sagte der Kardinal wörtlich.

Ribat wiederholte Argumente von Klerikern und anderen, denen zufolge die Achtung vor Katholiken, die gleichgeschlechtliche Neigungen haben, es erfordere, sie so als solche zu bezeichnen, wenn sie sich selbst auch so nennen.

Diese Argumente gehen über die Verwendung eines bestimmten Akronyms hinaus. Sie gelten auch für die Synodendiskussionen darüber, ob Begriffe wie „Familie“ und „Ehe“ auf eine Weise verwendet werden können und sollten, wie sie die zeitgenössische westliche Kultur neu definiert.

Einige Katholiken, und viele außerhalb der Kirche, fragen sich, was die ganze Aufregung darüber denn eigentlich soll.

Aber für viele Bischöfe bringt eine oft als „respektvolle“ oder „inklusive“ Sprache bezeichnete Begrifflichkeit eine ganze Reihe von Problemen mit sich – egal ob diese gewollt sind oder nicht.

Das erste Problem ist die Gleichsetzung aller jungen Menschen mit denen, die sich mit der „LGBT“-Bewegung identifizieren, wie Kardinal Ribat zeigt. Es gibt sehr viele junge Katholiken, darunter viele, die gleichgeschlechtliche Neigungen haben, die sich der politischen und kulturellen Kampagne für „sexuelle Identität“ widersetzen.

Abgesehen von einigen Ausreißern, die vom Sekretariat der Synode besonders hervorgehoben wurden, ist es in der Tat schwer zu erkennen, dass die Einführung einer „neuen Sprache“ wirklich breite Unterstützung findet.

Zudem sagen Kritiker, dass die Verwendung der LGBT-Sprache mit dem Versuch einhergeht, die Identity Politics des Westens in das Denken und die Sprache der Kirche zu importieren.

Die Befürworter der Aufnahme des Akronyms LGBT in das offizielle Vokabular der Kirche behaupten dagegen, dass dies keine Änderung in der Lehre der Kirche darstelle, sondern lediglich eine Haltung des Dialogs und der Achtung sei.

Was macht uns aus?

Die Synodenbischöfe scheinen alle daran interessiert zu sein, die Frage zu thematisieren, wie die Sexuallehre der Kirche jungen Menschen vermittelt werden kann, die in einer Kultur aufgewachsen sind, die durch Identity Politics definiert ist, welche Themen wie die gleichgeschlechtliche Ehe als Fragen der „Menschenrechte“ einordnet.

Aber der Konsens bricht um Vorschläge, die die zeitgenössische Sprache der Sexualität als Sprache der Identität zu übernehmen scheinen.

Erzbischof Charles Chaput von Philadelphia nutzte eine seiner Interventionen während der Synode, um deutlich zu machen, was er als Trugschluss hinter dem Label „LGBT“ sieht.

„Es gibt keine ‚LGBTQ-Katholiken‘ oder ‚Transgender-Katholiken‘ oder ‚heterosexuelle Katholiken'“ – so Chaput gegenüber den Synodenvätern – „als ob unser sexueller Appetit definiert, wer wir sind; als ob diese Bezeichnungen eigene Gemeinschaften unterschiedlicher, aber gleicher Integrität innerhalb der realen kirchlichen Gemeinschaft, des Leibes Jesu Christi, beschreiben würden“.

Wie viele westliche Länder in den letzten Jahren am eigenen Leib lernen mussten, führt die Zersplitterung einer gemeinsamen Identität in kleinere zu einem direkten Verlust der Einheit für das Ganze. Im Kontext der Kirche argumentieren einige Bischöfe, dass die Sprache der „sexuellen Identität“ keine Frage der Ein- oder Ausgrenzung ist, sondern eine Frage der Ekklesiologie und der Menschenwürde.

Einige der leidenschaftlichsten Vertreter der LGBT-Sprache in der Kirche sind der Meinung, dass die Übernahme dieses Vokabulars ein wesentlicher Bestandteil der Wahrung der „Würde“ gleichgeschlechtlich orientierter Katholiken sei. Pater James Martin, ein Jesuitenpater und prominenter Verteter dieser Meinung, hat gesagt: „Die Menschen haben das Recht, sich so zu nennen, wie sie wollen, und [LGBT] ist die Bezeichnung, die sie gewählt haben.“

Andere, wie Kardinal Wilfrid Napier von Durban, Afrikas prominentester Kardinal und eine der unverblümtesten Stimmen der Synode, betreiten diese These. Napier hat darauf hingewiesen, dass diese Art von Sprache etwas zu einem bestimmenden Merkmal einer Person macht, was die Kirche als ungeordnete Neigung definiert.

„Warum definieren Menschen sich und andere über ihre sexuelle Neigung oder Präferenz oder Praxis? Besonders, wenn es der Natur, dem Gesetz, der Tradition und der Lehre der Kirche zuwiderläuft?“ fragte Napier öffentlich auf Twitter.

Napier und andere argumentieren dagegen, dass die Kirche den Menschen nicht so anerkennt, wie er sich selbst definiert, sondern als ein Geschöpf nach dem Vorbild Gottes. Die Taufe definiert den Christen als ein Kind Gottes und ein Glied des Leibes Christi in der Kirche, sagen sie weiter.

Diese Bischöfe argumentieren, dass die Sprache der „Selbstidentifikation“, obwohl sie für das liberale Denken nach der Aufklärung von zentraler Bedeutung ist, schlecht mit der katholischen Theologie vereinbar ist. Wer mit „Selbstidentifikation“ arbeitet, wie es auch bei Identity Politics der Fall ist, der besteht der , dass der Mensch durch seine Wünsche und nicht durch die Tatsache definiert wird, dass er ein Geschöpf nach dem Vorbild seines Schöpfers ist.

Die LGBT-Terminologie, so sagen sie, befördert die Idee einer „Würde der Differenz“, die in einem bestimmten sexuellen Begehren verwurzelt ist, und nicht einer gemeinsamen Würde, die sich aus der allen gemeinsamen Einheit ergibt, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist.

Ein Sturm im Wassserglas?

Auch wenn die Debatte über vier Buchstaben wie ein Sturm im Wassglas wirken mag: Viele Bischöfe sagen, dass diese vier Buchstaben eine Weltanschauung ausdrücken, in welcher der Mensch sich zwar in Bezug auf sich selbst und andere definiert, aber nicht auf Gott.

Es geht um das christliche Menschenbild.

„It’s the antropology stupid!“ – „Es ist die Anthropologie, Dummkopf!“. So brachte es ein Synodenbeobachter gegenüber CNA kurz und bündig auf den Punkt.

(Eine Anspielung auf „It’s the economy stupid“ – der Spruch, mit dem Wahlstratege James Carvill 1992 die Wahl Bill Clintons zum US-Präsidenten gewann.)

Die Frage nach dem richtigen Menschenbild ist nicht der einzige Grund, warum Bischöfe die LGBT-Debatte kritisieren: Es geht auch um das Risiko einer Engführung der gesamten Synode.

Mehrere Bischöfe haben betont, dass die Jugendsynode nicht auf eine Debatte über eine bestimmte Begrifflichkeit reduziert werden darf.

Angesichts des Synodenverlaufs, und mit Blick auf ihren Abschlusstext, herrscht bei vielen Synodenvätern das Gefühl, dass die Frage der LGBT-Terminologie nur von einer kleinen Minderheit der Teilnehmer befeuert wird – und von einer viel größeren Kraft außerhalb des Synodensaals.

Der südafrikanische Kardinal Napier brachte es auf den Punkt.

Als der Jesuitenpater James Martin behauptete, die Verwendung der LGBT-Terminologie sei eine zentrale der Synode, antwortete Napier, er wisse nicht von welcher Synode Pater Martin rede.

Seines Wissens sei die Frage bei der Synode nur zwei- oder dreimal angesprochen worden – und „einmal war es eine vehemente Ablehnung der Verwendung des Begriffs in kirchlichen Schreiben“, so Napier wörtlich.

Dennoch sagen einige Bischöfe, dass „LGBT“-Begriffe im Abschlussdokument der Jugendsynode auftauchen werden, auch wenn es dafür keine klare Unterstützung geben wird, weder von den Synodenvätern noch von jungen Katholiken.

Ein junger Synodenbeobachter sagte gegenüber CNA, dass der eigentliche „Dialog“ zu diesem Thema einseitig sei, und verglich die kleine Gruppe, die sich für die Aufnahme der LGBT-Sprache einsetzt, mit einem „Trommelkreis in einem öffentlichen Park“.

„Da wird eine Menge Lärm gemacht, von einer kleinen Anzahl von Leuten. Sie reden viel darüber, dich einzuladen, es gibt eine Menge unaufhörlicher Wiederholungen, und letztlich scheinen sie nicht daran interessiert zu sein, etwas anderes zu hören als den eigenen Lärm.“

Dennoch sagte Kardinal Luis Tagle auf einer Pressekonferenz am 23. Oktober, er ahne, dass LGBT-Begriffe im Abschlussdokument verwendet werden.

„Es ist keine Synode, die vorgibt, alle Lösungen und alle Antworten zu haben, klare Lösungen und klare Antworten zu geben“, fügte Tagle wörtlich hinzu. „Das Leben ist nicht klar, und das Leben der jungen Leute ist jetzt wirklich nicht klar.“

Im Gegensatz dazu scheinen andere Bischöfe anzudeuten, das Dokument werde eine ehere traditionelle Anthropologie vertreten.

Erzbischof Peter Comensoli aus Melbourne, Mitglied des Redaktionskomitees für das Abschlussdokument, sagte vergangene Woche: Bei der Vermittlung der kirchlichen Lehre über Sexualität gehe es darum, dass jeder Mensch ein Sünder ist und jeder von Gott gefunden werden muss, um seine Liebe zu empfangen.

„Wir sind auch jene Sünder, die dazu berufen sind, in unserem eigenen Leben am Fuße des Kreuzes zu stehen. Im Sinne der Aufnahme, des Empfangens und des Eintretens in die Freundschaft Christi bringen wir also auch unser Leben, auch mein Leben, zum Fuß des Kreuzes. Und das ist jeder einzelne Mensch“, sagte er.

Eine Diskussionsgruppe unter der Leitung von Kardinal Oswald Gracias stellte fest, dass eine „Verkündigung der Keuschheit als erreichbar und gut für unsere Jugendlichen“ auffallend abwesend im Instrumentum Laboris war – mit anderen Worten: Die Keuschheit sollte eigentlich Schwerpunkt jeder Diskussion über Sexualität sein.

Eine weitere Gruppe, unter der Leitung von Kardinal Daniel DiNardo, verwies auf die „ideologische Kolonisierung“ durch westliche Länder, die wirtschaftliche und medizinische Hilfe und Entwicklungsarbiet mit der Erwartung verknüpfen, dass „westliche moralischer Werte in Bezug auf Sexualität und Ehe“ ebenfalls importiert werden. Kardinal Souraphiel von Äthiopien hat diese Warnung kürzlich ebenfalls wiederholt.

Einige Bischöfe scheinen die ganze Angelegenheit als wenig hilfreiche Ablenkung zu betrachten. Wie Chaput in seiner Intervention festgestellt hat, geht es darum „Jesus Christus zu predigen, ohne Zögern und ohne Ausreden für jede Generation, besonders für die Jugend“.

Nun, da sich die Synode ihrem Ende nähert, bleibt abzuwarten, ob sich der Druck auf die LGBT-Sprache im Schlussdokument bemerkbar machen wird. Aber trotz der Medienaufmerksamkeit scheint klar zu sein: Eine Mehrheit der Synodenbischöfe – vielleicht sogar eine „moralische Einheit“ – will eigentlich weniger Gerede über LGBT und mehr über INRI.

(CNA Deutsch)