Vatikandiplomatie: Lob des Multilateralismus

In einer immer komplexer werdenden Welt können nur gemeinsame Anstrengungen zu politischen Lösungen führen: Dieses Grundprinzip der Vatikandiplomatie betonte deren Chef, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, an diesem Freitag sehr deutlich. Gerade mit Blick auf aktuelle Krisen wie etwa um Nordkorea könne man diese Komplexität sehen: „Wir leben in einem multipolaren Kontext, in dem es ganz verschiedene Instanzen gibt. Aber genau deswegen, weil die Welt enorm komplex geworden ist, müssen wir die Wichtigkeit des Instruments des Multilateralismus betonen, um auf eine friedliche Weise die Schwierigkeiten lösen zu können.“ Das sagte Parolin am Rand einer Buchvorstellung in Rom.

Multilateralismus ist das Prinzip, möglichst viele Partner an der Lösung politischer Probleme zu beteiligen. „Ich möchte bei dieser Gelegenheit diese Wichtigkeit des Multilateralismus noch einmal betonen“, so der Kardinal gegenüber Radio Vatikan. „Und das besonders in einer Zeit, in der dieser Multilateralismus in vielerlei Hinsicht in einer Krise steckt.“ Die Atomwaffen Nordkoreas fallen einem da ein, aber auch das multilaterale Abkommen mit dem Iran, das US-Präsident Donald Trump einseitig – unilateral – aufzukündigen droht, was ihm Kritik etwa aus Europa einbringt.

Kardinal Parolin ist eindeutig: Multilateralismus sei dem Einzelgängertum auf der globalen Bühne vorzuziehen. Dieser Unilateralismus sei eine „Versuchung“, so Parolin, der selber lange Jahre als Vatikandiplomat im aktiven Dienst war. „Der Heilige Stuhl sieht im Multilateralismus das Instrument, um die komplexen Probleme der Welt von heute zu lösen,“ bekräftigt Parolin.

Dazu gehöre für den Vatikan aber auch, konkrete Vorschläge zu machen. „Es reicht nicht aus, die Prinzipien in Erinnerung zu rufen, sondern es ist auch wichtig, auf mögliche Wege hinzuweisen, die man gehen kann.“

Die Krise des Multilateralismus müsse ebenfalls ganz konkret angegangen werden. „Man kann da an die Institutionen denken, welche dieses Prinzip umsetzen und die vielleicht eine Modernisierung gebrauchen können. Wie lange schon reden wir etwa über eine Reform der UNO und so weiter?“ In den Händen der dort im Augenblick in Vollversammlung tagenden Staats- und Regierungschefs liege das Schicksal der Menschheit: „Der Papst appelliert an ihre Verantwortung“, so Kardinal Parolin.Diese Verantwortung könnten sie nur gemeinsam wahrnehmen, wenn es um Frieden und die Entwicklung der ganzen Welt gehe. (rv)

Vatikan: Gendarmerie hat Obdachlose „mit Respekt“ behandelt

Eine plötzliche Kehrtwende im Vatikan? Viele Medien – auch im deutschsprachigen Raum – haben über die Räumung auf und um den römischen Petersplatz von Freitagmorgen berichtet und behauptet, dass die vatikanische Gendarmerie die Obdachlosen grundlos weggeschickt habe. Einige Berichterstattungen haben immerhin auch die Vatikan-Erklärung gebracht, in der erläutert wurde, dass die vatikanische Sicherheitsbehörde es für angebracht hielt, wenn morgens und tagsüber keine Obdachlose – vor allem bei den Säulengängen rund um den Petersplatz – campieren. Radio Vatikan hat darüber mit dem Hauptverantwortlichen der Gendarmerie gesprochen. Kommandant Domenico Giani erläutert uns, dass es drei Gründe gab, weshalb „seine Männer“ die Obdachlosen beim Petersplatz am Freitag „wegschickten“.

„Am Petersplatz gab es zwei Probleme, und zwar sowohl ein Sicherheitsproblem als auch ein Ansehensproblem. Was die Sicherheit betrifft: Der Vatikan ist nun mal ein Ort voller Symbole und deshalb eine Zielscheibe. Wohlgemerkt, derzeit haben wir keine konkreten Androhungen, aber die Gefahr ist dennoch da.“

Es sei in letzter Zeit immer wieder vorgekommen, dass Obdachlose tagsüber ihre Taschen unter den Säulengängen liegen ließen; jedes Mal führte dies zu Kontrollen, die viel Zeit in Anspruch genommen hätten. „Das konnten wir nicht länger hinnehmen, auch aus Respekt gegenüber unseren Kollegen der italienischen Polizei, die unnötig in Anspruch genommen wurden“, so Giani.

Der zweite Aspekt betrifft das Ansehen des Ortes: Der Platz und die Säulen seien nicht als Schlafstellen oder Campingplatz erbaut worden.

„Auf Wunsch des Heiligen Vaters und seit seinem Pontifikatsbeginn wurden neue Toiletten, Duschen und sogar Frisöre den Obdachlosen am Petersplatz zur Verfügung gestellt. Jeden Abend können sie bei den Mutter-Teresa-Schwestern neben dem Petersplatz eine Mahlzeit abholen. Wir haben auch eigene Freiwilligendienste, um den Bedürftigen materiell beizustehen. Wir geben in dieser Hinsicht unser Bestes.“

Jeder Mensch, ob obdachlos oder als sonstiger Gast im Vatikan, werde als Mensch von den Gendarmen wahrgenommen und behandelt, präzisiert Giani. Es habe ihn sehr verletzt, dass man die Räumung als „ruppige Aktion“ beschrieben habe. Dies sei nicht der Fall gewesen. „Im Gegenteil, es gab eine gute Zusammenarbeit mit den Betroffenen und wir haben ihnen geholfen, zusammen mit der Gemeinschaft von Sant´Egidio geeignetere Plätze in Rom aufzusuchen“, fügt der Kommandant der Gendarmerie an. Man habe ihnen sogar ein Frühstück offeriert und habe ohne Einsatz von Waffen gehandelt.

„Ein weiterer Grund für die Räumung betrifft die Hygiene. Das ist auch ein Sicherheitsaspekt für alle Gäste, die sich tagsüber auf dem Petersplatz aufhalten. Zusammen mit der italienischen Polizei und der römischen Müllabfuhr, die für die Hygiene auf den öffentlichen Straßen und Plätzen zuständig ist, sowie der vatikanischen Gärtnerei und der Vatikan-Feuerwehr haben wir beschlossen, dass man tagsüber dort nicht campieren soll.“ (rv)