Kardinal Müller: Papst Gabe für Kirche, Nein zu Zentralismus

Der Papst ist nach Worten von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller „das Prinzip der Einheit der Kirche in der empfangenen Glaubensoffenbarung“. Dies betonte der Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation am Donnerstagabend in Rom bei der Vorstellung seines neuen Buches zum Papstamt. Sein Anliegen sei, das Papsttum so zu vermitteln, „dass es mit unserer christlichen Glaubensüberzeugung zu tun hat und als Gabe und Hilfe für die ganze Christenheit verstanden werden kann“.

Zugleich sprach Müller von einer „großen Gefahr“, den Papst zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken. „Kirche spielt sich nicht nur in Rom ab, sondern überall da, wo sich Menschen um den Altar versammeln“, so Müller. Schuld an einem „Papstzentralismus“ gab er auch den Medien. Zugleich gab er freimütig zu: „Ich bin katholisch. Ich brauche einen Papst.“

Mit Blick auf die Ökumene lobte der Kardinal das unter Papst Franziskus vertiefte Verhältnis zu Pfingstkirchen. Man dürfe allerdings nicht „beim guten persönlichen Verhältnis stehenbleiben“. Die Rolle des Papstes sei nach wie vor unverzichtbar. „Wer vertritt in der heutigen Weltgesellschaft so entschieden die Menschenwürde? Wer bemüht sich so um die Einheit der Christen in der einen Kirche?“, fragte Müller. „Das sind die Päpste der letzten Zeit.“

In seinem Buch spricht sich Müller unter anderem für eine behutsame Dezentralisierung der katholischen Kirche aus. „Im Sinne der Neuevangelisierung müssen auch die Bischöfe, die Synoden und Bischofskonferenzen eine größere Verantwortung wahrnehmen inklusive einer ,gewissen lehramtlichen Kompetenz´“, schreibt der Präfekt der Glaubenskongregation in dem Buch, das im Freiburger Verlag Herder erschien.

Papst Franziskus habe mit seiner Forderung nach einer „heilsamen Dezentralisierung“ jedoch keineswegs ein „Signal für einen Richtungswechsel oder eine Revolution im Vatikan gegeben“, so Müller weiter. „Separatistische Tendenzen und präpotentes Verhalten“ schadeten der katholischen Kirche. Eine Bischofskonferenz könne niemals „separate verbindliche dogmatische Erklärungen abgeben oder gar definierte Dogmen und konstitutive sakramentale Strukturen relativieren“. Konkrete Beispiele dafür, was Bischofskonferenzen künftig selbst entscheiden könnten, nennt Müller nicht.

In seinem Buch mit dem Titel „Der Papst – Sendung und Auftrag“ erklärt der deutsche Kardinal dieses Amt und seine historische Entwicklung. Ein Schwerpunkt bildet hierbei auch die Kontroverse über den Papst zwischen Katholiken und Protestanten. (rv)

Koch: „Papst übt eine Art von ökumenischem Primat aus“

Einer der größten Stolpersteine auf dem Weg der Ökumene: So hat der selige Paul VI. sein Amt, das Papstamt, einmal genannt. Sollten die Päpste also ihren Anspruch herunterschrauben, um kein ökumenisches Ärgernis mehr zu sein? Jein, antwortet auf diese Frage Kardinal Kurt Koch. Der Schweizer leitet den Päpstlichen Einheitsrat.

„Sicher stimmt es auf der einen Seite, was Papst Paul VI. beim Besuch des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen Ende der sechziger Jahre gesagt hat: dass er sich sehr wohl bewusst sei, dass sein Amt eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur Einheit ist. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass das Papstamt eine großartige Möglichkeit für die Einheit der Christen ist! Und da hat sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sehr viel entwickelt. Wenn ich jetzt gerade bei Papst Franziskus sehe, wie viele Repräsentanten anderer Kirchen nach Rom kommen wollen, mit dem Papst reden wollen, dem Papst begegnen möchten, und wie viel Zeit der Papst sich dafür nimmt – dann muss ich eigentlich sagen, dass der Papst schon so eine Art von ökumenischem Primat ausübt. In der Art und Weise, wie er sich Zeit für die Ökumene nimmt.“

„Ich bin zuversichtlich, dass kein Papst das rückgängig machen kann“

Er sehe die Christen längst auf dem Weg „vom größten Hindernis zu einer Möglichkeit der ökumenischen Einheit im Papstamt“. Das liege auch daran, „dass wir seit dem Konzil alles ökumenische Päpste gehabt haben“. „Johannes XXIII. hat diese Öffnung gebracht. Paul VI. war ein großartiger Ökumeniker, vor allem mit seinen Gästen. Wenn ich daran denke, wie er einen orthodoxen Metropoliten empfängt, indem er sich vor ihn kniet und ihm die Füße küsst… im Unterschied zu seinem (Vor-) Vorgänger, der das von Orthodoxen verlangt hat! Dass er dem anglikanischen Primas 1967 den Ring geschenkt hat. Das sind alles großartige Zeichen gewesen. Johannes Paul II. war ein großartiger Ökumeniker, der aus der Hoffnung gelebt hat, dass das dritte Jahrtausend das Zeitalter der Einheit sein muss. Papst Benedikt XVI. hat theologisch viel für die Einheit der Christen gearbeitet, Papst Franziskus führt das weiter. Ich bin absolut zuversichtlich, dass kein Papst das rückgängig machen kann, wenn er dem Zweiten Vatikanischen Konzil treu bleiben will, und dazu gehört die ökumenische Verpflichtung.“

Natürlich sei die Frage, „die Johannes Paul II. in die ganze Christenheit hineingegeben hat“, immer noch aktuell, so Kardinal Koch. Der heilige Papst aus Polen hatte in seiner Enzyklika „Ut Unum Sint“ eine Debatte darüber angeregt, wie das Papstamt so ausgeübt werden könne, dass es auch für die getrennten christlichen Geschwister akzeptabel sei. „Da müssen die Dialoge weitergeführt werden“, sagt Koch.

Der Chef-Ökumeniker des Vatikans äußerte sich auch zum Stand des Dialogs mit den Lutheranern – schließlich läuft ja gerade das Reformations-Gedenkjahr. Die letzten lehrmäßig strittigen Punkte zwischen beiden Seiten sollen in einem Konsenspapier ausgeräumt werden. Da geht es um Kirche, Eucharistie und kirchliches Amt. Rückt, wenn ein solches Dokument einmal zustande gekommen sein wird, die Einheit der Kirchen in Reichweite?

„Dann wäre Kirchengemeinschaft in Reichweite“

„Also, zunächst einmal ist das die logische Konsequenz, weil das in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (von Augsburg) selber gesagt wird, dass damit die ekklesiologischen Fragen dieses Konsenses noch nicht gelöst sind. Und deshalb ist der Vorschlag, den ich eingebracht habe, jetzt eine Gemeinsame Erklärung zu Kirche, Eucharistie und Amt zu verfassen, nur die logische Konsequenz, die sich aus diesem Konsens ergibt. Es wäre wirklich ein großartiger Schritt, wenn das gelingen könnte, zu dieser Gemeinsamen Erklärung zu kommen: Das scheint mir der unabdingbare Schritt für Kirchengemeinschaft und auch Eucharistiegemeinschaft zu sein!“

Noch einmal nachgefragt: Wenn eine solche Gemeinsame Erklärung einmal vorliegt – wäre dann die Eucharistiegemeinschaft in Reichweite? Koch: „Dann wäre Kirchengemeinschaft in Reichweite – und das ist die unmittelbare Voraussetzung für Eucharistiegemeinschaft.“ – Frage: „Ja, aber in zwanzig Jahren hat man eine solche Erklärung doch fertig…“ – Koch: „Ich weiß nicht, ob ich es noch… Also, ich werde es sicher noch erleben. Ich weiß nur nicht, ob ich noch auf Erden bin oder schon im Himmel. Aber erleben werde ich es, davon bin ich überzeugt!“

„Mein Vorbild in der Ökumene ist Mose“

Frage: „Aber so nah dran sind wir also an der Möglichkeit einer Einheit mit der lutherischen Kirche?“ – Koch: „Das hängt jetzt von den Antworten ab, die da kommen und was da erarbeitet werden soll. Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass dieser Vorschlag auf offene Ohren und Herzen stößt und dass die Bereitschaft da ist, sich auf den Weg zu begeben. Dann werden wir sehen, wann und wie das geht… Wissen Sie: Mein Vorbild in der Ökumene ist Mose. Der muss sein Volk in das Gelobte Land führen. Aber er ist nicht traurig, weil er das Gelobte Land nicht mehr erreicht. Das ist meine Spiritualität: Es kommt für mich nicht darauf an, was ich erreiche, sondern ich sehe meine Aufgabe darin, diesen Weg zu bereiten, das andere ist ohnehin das Departement des Heiligen Geistes.“

Kardinal Koch äußerte sich am Rand einer Buchvorstellung am Donnerstagabend in Rom. In der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima stellte er ein Buch von Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dem Präfekten der Glaubenskongregation, mit dem Titel „Der Papst“ vor. (rv)