Kardinal Sandri: „Der Kaukasus muss eine Brücke sein“

Kardinal SandriAm Sonntag hat es sich zum 101. Mal gejährt: ‘Metz Yeghern’, das große Übel, wie die Armenier das schreckliche Massaker an eineinhalb Millionen Menschen durch das Heer des damaligen Osmanischen Reiches bezeichnen. Papst Franziskus selbst hat in seiner Ansprache zu Beginn der Gedenkmesse zum 100. Jahrestag vor einem Jahr das Morden an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs öffentlich als „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. In den letzten Wochen stand Armenien wieder aus traurigem Anlass in den Schlagzeilen: In der Region Bergkarabach sind im wieder aufgeflammten Konflikt mit Aserbaidschan zahlreiche Opfer zu beklagen. Ende Juni wird Papst Franziskus nun persönlich nach Armenien reisen. Kardinal Leonardo Sandri ist Präfekt der Ostkirchenkongregation. Im Gespräch mit Radio Vatikan unterstreicht er die Wichtigkeit einer lebendigen Erinnerung an die Übel der Menschheitsgeschichte wie eben den Massenmord an Armeniern, die jedoch nicht von den aktuellen Gräueln ablenken dürfe:

„Wir alle fühlen auch in der jetzigen Situation mit dieser Tragödie und den Toten, den Opfern dieser Realität in Bergkarabach und hoffen, dass man mithilfe der internationalen Gemeinschaft eine gerechte und dauerhafte Lösung für den Konflikt finden kann, der sehr schlimme Folgen für die beiden Völker haben könnte. Besonders für Armenien, dieses Land, das der katholischen Kirche so sehr am Herzen liegt, das erste christliche Land. Wollen wir hoffen, dass all das sich nicht in einen Krieg zwischen Religionen und zwischen Positionen, die so weit auseinander liegen, verwandelt.“

Deshalb sei es nötig, dass diejenigen, die dazu in der Lage seien, auch Hilfe anböten, um aus provisorischen Lösungen endlich einen dauerhaften Frieden zu schaffen, betont Kardinal Sandri, „damit man diese Zusammenstöße vermeiden kann, die sich zu all den Leiden in der Geschichte des armenischen Volkes summieren und die sich zu dieser richtiggehenden Welle von Kriegen zwischen Völkern und Religionen gesellen, die das menschliche Zusammenleben stören.“

Der Besuch des Papstes in der Region sei der erste Teilabschnitt seiner Kaukasusreise, die ihn vom 24. bis zum 26. Juni nach Armenien führt. In einer zweiten Etappe wird er vom 30. September bis zum 2. Oktober Aserbaidschan und Georgien besuchen. Ein offizielles Programm ist noch nicht bekanntgegeben worden, doch Kardinal Sandri bewertet auch in der kommenden Reise zunächst einmal die Dimension der persönlichen Begegnung als besonders wichtig.

„Er wird in Armenien insbesondere die Armenische Apostolische Kirche vorfinden, die Kirche, die der katholischen Kirche die Türen geöffnet hat und die den Heiligen Johannes Paul II empfangen hat, die auch der katholischen Kirche die Möglichkeit gegeben hat, zu existieren, denn von ihr war dort nach dem Kommunismus nichts übrig. Und er wird die Bevölkerung treffen und das tun, was er bei all seinen Reisen tut: begegnen, nahe sein, vor allem denjenigen, die leiden. Gleichzeitig ist da die Begegnung, der Besuch, der prophetisch auf eine bessere Welt hinweist, eine Welt, die die Trennungen überwindet, die diese schädlichen Realitäten überwindet, die das menschliche Leben zerstören.“

Dieses Versprechen einer besseren Welt könne durch einen Papstbesuch ein Stück weit näher rücken, freut sich Kardinal Sandri. Armenien habe es verdient, eine offene Zukunft vor sich zu haben und seine Werte der internationalen Gemeinschaft anbieten zu können. „Ich wünsche mir, dass diese vom Heiligen Vater angekündigte Reise viel Gutes bringen möge, für das liebe Armenien, aber auch für die anderen beiden Länder, für Georgien, das auch christlich ist, als auch für Aserbaidschan. Der Kaukasus muss eine Brücke sein, wie der Papst betont, auch wenn er von anderen Realitäten spricht, nicht eine Mauer von Trennungen und Kriegen, sondern eine Brücke, die den Osten und den Westen verbindet.“ (rv)

Kardinal Koch: Große Zeichen für die Ökumene

Kardinal KochEs sind große Zeichen für die Ökumene, die im Moment gesetzt werden. Erst vor zwei Wochen hat Papst Franziskus gemeinsam mit dem ökumenisch-orthdoxen Patriarchen Bartholomaios I. auf Lesbos ein Dokument zur Flüchtlingskrise unterzeichnet. Ein Schritt, der selbst vor Wochen noch nicht so leicht denkbar gewesen wäre. Die großen Themen für die Ökumene dieses Jahr sind das im Juni anstehende Panorthodoxe Konzil und die Eröffnung des Lutherjahres im Oktober gemeinsam mit Papst Franziskus. Welche Chancen bringt das für die Ökumene? Wir haben mit Kurt Kardinal Koch gesprochen, dem „Ökumene-Minister“ vom Papst:

„Das ist eine ganz große Chance, dass die Orthodoxen Kirchen zusammenkommen und gemeinsam beratend den Weg in die Zukunft gehen wollen. Ich hoffe, dass das ein guter Schritt sein wird, sich nach so langer Zeit wieder einmal zu treffen. Welche Ergebnisse dabei herauskommen, das kann man heute noch nicht sagen, aber nur schon das Faktum, dass man zusammenkommt und gemeinsam berät, halte ich für ein ganz großes Zeichen.“

Ein Jahrtausend ist verstrichen, seitdem sich alle orthodoxen Kirchen zum Gespräch versammelt haben. Ein komplizierter Prozess, da die orthodoxe Kirche in sich teils sehr unterschiedliche Ansichten und Standpunkte vertritt. Für das Konzil im Juni wurde deshalb auch mit Kreta ein neutraler Veranstaltungsort gewählt. Dass es im Jahr 2016 so weit kommen konnte, ist für Kardinal Koch eine beachtliche Leistung: „Es gibt doch einige Misstöne in der Orthodoxie. Wenn ich beispielsweise die neueste Erklärung der orthodoxen Kirche in Bulgarien sehe, die sehr zurückhaltend ist gegenüber der Ökumene, hoffe ich doch, dass da ein deutliches Zeichen eines positiven Weitergehens in der Ökumene gesendet wird.“

Das Konzil auf Kreta wird dabei aber nicht nur Auswirkungen auf die orthodoxen Kirchen haben, sondern auch für den Dialog zur katholischen Kirche eine Rolle spielen. Das erhofft sich Kardinal Koch als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. „Weil Partner, die unter sich selber nicht ganz einig sind, auch immer den Dialog ein bisschen behindern.“

Nach dem Konzil richtet sich der Blick der Weltkirche im Oktober auf das schwedische Lund. Sitz des Lutherischen Weltbundes, wo die Gedenkfeier zu 500 Jahren Reformation begangen wird, in Anwesenheit von Papst Franziskus. Ein Schritt, der die katholische und evangelische Kirche näher zusammen führen wird, hofft Kardinal Koch: „Nicht die Lutheraner laden die Katholiken ein, sondern Lutheraner und Katholiken laden gemeinsam die anderen ein. Das ist ein sehr positives Zeichen. Wir haben diesem Wunsch der Lutheraner entsprochen, nach Lund zu gehen und ich bin sehr froh und dankbar, dass der Heilige Vater zugesagt hat, teilzunehmen.“

Gerade aus Deutschland kommt dabei der Wunsch, den Papst im Gedenkjahr im Geburtsland der Reformation zu empfangen. Dass die Eröffnung mit Franziskus nun in Schweden stattfinden wird und nicht in Deutschland hat für Kardinal Koch mehr mit Interna der lutherischen Kirche zu tun, als mit dem Papst. „Es war die Entscheidung und der Wunsch der Lutheraner nach Lund und nicht nach Deutschland zu gehen. Deutschland ist eines der Reformationsländer, aber es gibt auch noch andere. Die Lutheraner sagen das Reformationsgedenken heute ist ein universales Geschehen, und deshalb haben sie Lund gewählt als Geburtsort des Lutherischen Weltbundes – und der Papst hat zugesagt.“ (rv)