Italien: Sant´Egidio kritisiert EU-Türkei-Abkommen

TürkeiDas Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei über die Rückführung von Flüchtlingen „ist eine Niederlage“. Das sagte der Präsident der katholischen Basisgemeinschaft Sant´Egidio, Marco Impagliazzo, bei einer Pressekonferenz in Rom. Die katholische Bewegung organisiert seit kurzem mit dem Bund der evangelischen Kirchen in Italien humanitäre Korridore für Flüchtlinge. Bisher wurden bereits 97 syrische Flüchtlinge auf legale Weise und ohne dass sie auf Schlepper zurückgreifen mussten, in Italien aufgenommen.

„Unser Projekt kann man sehr gut andernorts wiederholen, weil es dem Staat nichts kostet. Alles liegt in den Händen von Verbänden und dennoch verläuft die Aufnahme der Flüchtlinge nach europäische Regelungen. Deshalb könnte das auch jeder andere EU-Staat genauso machen. Konkret geht es um die Vergabe von EU-Visa, die jedoch keine Schengen-Visa sind, wie es Touristen kennen. Wenn man also dieses Einreise-Instrument benützen würde, würde man auch das Problem in Griechenland oder Italien lösen, wo so viele Flüchtlinge auf ihr Weiterkommen warten.“

Ziel der humanitäre Korridore von Sant´Egidio ist es, in den nächsten zwei Jahren 1.000 Flüchtlingen aus Marokko, Äthiopien und anderen Transit-Ländern nach Europa zu begleiten. Es soll sich vor allem um sogenannte Risiko-Gruppen handeln. Dies sind vor allem Kinder, Kranke und Opfer von Menschenhandel. Bis Ende April soll die 150-Marke an aufgenommen Flüchtlingen erreicht werden.

„Wir rufen die Staaten Europas auf, aber auch jeden Bürger, unser Projekt zu unterstützen, weil es überall machbar ist. Wir sprechen von Korridoren, also gesicherten Wegen, die Tote im Meer verhindern sollen. Das heißt, Familien, ältere Menschen, Frauen und Kinder, die gerettet werden. Wir sehen stattdessen weiterhin Mauern, Zäune und Menschen, die in Auffanglagern warten und das mitten im Sumpf. So etwas mit anzusehen, tut weh, denn es gibt Möglichkeiten, um das zu verhindern.“ (rv)

Pressekonferenz zu Amoris Laetitia – live bei Radio Vatikan

Kardinal BaldisseriWas steht in der Apostolischen Exhortation Amoris Laetitia? Und was bedeutet das, was Papst Franziskus schreibt, für die Kirche und den synodalen Prozess zum Thema Familie? Fragen, die an diesem Freitag bei der Vorstellung des Textes beantwortet werden. Kardinal Christoph Schönborn und der Generalsekretär der Synode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, werden neben einem italienischen Ehe- und Spezialistenpaar den Text bei einer Pressekonferenz vorstellen.

Sie können diese Pressekonferenz online live verfolgen, ab 11.30 Uhr entweder über Radio Vatikan Player oder über Youtube. (rv)

Amnesty International: Grauenhafter Rekord 2015

Amnesty InternationalEin grauenhafter neuer Rekord wurde im vergangenen Jahr aufgestellt. Amnesty International verzeichnet einen drastischen Anstieg von Hinrichtungen weltweit. Mindestens 1.634 Hinrichtungen wurden 2015 weltweit durchgeführt, wie aus der am Mittwoch vorgelegten Statistik der Menschenrechtsorganisation hervorgeht. Pia Dyckmans sprach mit dem Amnesty-Experten Oliver Hendrich über die jüngsten Entwicklungen.

Oliver Hendrich: „Für das vergangene Jahr hat Amnesty International mehr als 1.600 Hinrichtungen registriert – mindestens. Das ist die höchste Zahl an Hinrichtungen, die die Organisation unter Auslassung von China seit 1989 registriert hat. Allerdings sind für einen Großteil dieser Hinrichtungen drei Staaten verantwortlich: Pakistan, Iran und Saudi Arabien.“

Radio Vatikan: Etwa 90 Prozent der 2015 registrierten Hinrichtungen sind der Amnesty-Statistik zufolge auf die Staaten Iran (mindestens 977), Pakistan (mindestens 320) und Saudi-Arabien (mindestens 158) zurückzuführen, die hauptverantwortlich für den globalen Anstieg seien. Saudi Arabien ist ein wichtiger Handelspartner von Deutschland, das Auswärtige Amt spricht von einem „freundschaftlichen und spannungsfreien“ Verhältnis. Das passt doch irgendwie nicht zusammen.

Hendrich: „Das sollte auch für die Bundesregierung eine deutliche Mahnung sein, hier stärker auf die Menschenrechte zu achten und auch in den Außenbeziehungen mit wichtigen Wirtschafts- und Handlungspartnern solche Themen trotzdem anzusprechen. Hier würden wir uns wünschen, dass bei diesen Ländern diese Aspekte stärker berücksichtigt werden. Wir haben auch bei der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran gesehen, dass es immer wieder Situationen und Entscheidungen gibt, wo auf der einen Seite gesagt wird, Menschenrechte sind uns wichtig, aber wenn es dann um wirtschaftliche Interessen geht, man dann doch eine Abwägung zu Gunsten der Wirtschaftsinteressen macht. Das ist eine Entwicklung, die nicht gut ist.“

RV: Die Zahlen von Hinrichtungen in China sind offiziell nicht bekannt, sie gelten als Staatsgeheimnis, dennoch schätzen Sie die als enorm hoch ein – Sie vermuten, dass China wieder mehr Menschen hinrichten ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen. Wie kommen Sie auf die Zahlen?

Hendrich: „Amnesty International hat sich vor einigen Jahren dazu entschieden, keine Todesstrafenzahlen mehr für die Volksrepublik China zu veröffentlichen, weil wir davon ausgehen, dass die von uns ermittelte Mindestzahl sehr stark von der tatsächlichen Zahl abweicht. Amnesty beobachtet China natürlich weiterhin, aber die Todesstrafe wird dort als Staatsgeheimnis geführt, das heißt, es ist sehr schwer für Amnesty, aber auch für die Chinesen im Land, sich über die Todesstrafe zu informieren. Sodass es für uns sehr schwer ist, Schritte einschätzen zu können, die China unternommen hat. Deshalb fordert Amnesty International von China hier mehr Transparenz als erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Abschaffung.“

RV: Bei all den schrecklichen Zahlen schreiben sie aber auch von einer entgegengesetzten Entwicklung, Was sind denn positiven Meldungen ihres Berichts?

Hendrich: „Was wir sehen – und das ist glücklicherweise ein Trend, der seit Jahrzehnten anhält – dass immer mehr Staaten sich von der Todesstrafe verabschieden. Inzwischen wendet eine Mehrheit der Staaten diese Strafe nicht mehr an und inzwischen gibt es eine Mehrheit von Staaten, die die Todesstrafe aus ihren Strafgesetzbüchern gestrichen haben. Diese Gruppe wächst von Jahr zu Jahr. Im letzten Jahr haben vier Staaten diesen Schritt vollzogen: Fidschi, Madagaskar, Suriname und die Republik Kongo. Das führt natürlich zu Druck auf die Staaten, die die Todesstrafe weiter anwenden. Das ist ein stark motivierendes Signal an diese Staaten, diesen Schritt nun auch zu gehen.“

RV: Das klingt nach einem langfristige Trend in die Richtung einer Welt ohne Todesstrafen. Ist das nicht ein Widerspruch, wenn zwar einige wenige Länder nur noch die Todesstrafe verhängen, dafür diese es umso mehr umsetzen?

Hendrich: „Natürlich gibt es innerhalb der Gruppe, der Staaten mit Todesstrafe, einen wirklichen harten Kern von Staaten, die jedes Jahr bei der Statistik von Amnesty International auf den ersten Rängen landen. Diese Staaten sind diejenigen, die den Großteil des Problems ausmachen. Würden diese Staaten auch nur erste Schritte gehen auf dem Weg Abschaffung der Todesstrafe – das ist oftmals ein langer Prozess über verschiedene Stufen – wäre das Problem Todesstrafe insgesamt schon um eine ganze Größenordnung kleiner. Ich denke aber trotzdem, dass wir mit der ganz klaren Richtung in weltweiter Abschaffung auf einem guten Weg sind. Diese Gruppe von Staaten ist zunehmend isoliert und das übt schon Druck auf sie aus, auch Schritte in diese Richtung zu gehen.“ (rv)