Schottischer Kardinal O’Brien verliert Kardinalsvorrechte

Kardinal O´Brien KeithDer schottische Kardinal Keith Michael Patrick O'Brien verliert die Kardinalsvorrechte. Papst Franziskus hat eine entsprechende Bitte auf Verzicht vonseiten des emeritierten Erzbischofs von Edinburgh angenommen, wie der Dekan des Kardinalskollegiums an diesem Freitag mitteilte. Der 77 Jahre alte O'Brien steht unter dem Verdacht, Anfang der 1980er Jahre mehrere Priesteramtskandidaten missbraucht zu haben. Die Vorwürfe wurden im Februar 2013 laut. Der Kardinal nahm aus diesem Grund nicht an der Papstwahl vom März 2013 teil.

O'Briens Entscheidung, den Papst um die Annahme des Verzichts „auf die Rechte und Privilegien des Kardinalates" zu bitten, sei „nach einem langen Weg des Gebets" gefallen, teilte der Vatikan mit. Mit dieser Maßnahme zeige Papst Franziskus „allen Gläubigen der Kirche in Schottland seine pastorale Sorge und ermutigt sie, den Weg der Erneuerung und der Versöhnung mit Vertrauen fortzusetzen", heißt er in der nur wenige Sätze langen Erklärung aus dem Vatikan. O'Brien wird den Papst nicht mehr als Berater unterstützen und verliert das Recht auf die Teilnahme an einer Papstwahl sowie an Kardinalsversammlungen.

Die Mitteilung des Dekans des Kardinalskollegiums, Kardinal Angelo Sodano, verweist auf allgemeine kirchenrechtliche Bestimmungen zum Amt des Kardinals, die Canones 349, 353 und 356. Dort heißt es unter anderem, die Kardinäle hätten „die Verpflichtung, angelegentlich mit dem Papst zusammenzuarbeiten" (356) und stünden ihm „zur Seite, … womit sie dem Papst vornehmlich in der täglichen Sorge für die Gesamtkirche Hilfe leisten" (349). Bestimmungen zum Verzicht auf die Kardinalsprivilegien sind in den genannten Canones nicht enthalten.

Der Verzicht auf das Kardinalat ist ein äußerst seltener Vorgang. Der bisher letzte solche Fall liegt 88 Jahre zurück. 1927 bewog Papst Pius XI. den französischen Kardinal Louis Billot zum Verzicht auf das Kardinalat. Der Jesuit und Theologe Billot stand der antisemitischen Action française nahe.

Die ersten öffentlichen Vorwürfe gegen O'Brien tauchten im Februar 2013 auf, der Kardinal ließ sie zunächst zurückweisen. Wenig später räumte er Fehlverhalten ein und bat bei der Kirche sowie bei allen Personen, die er mit seinem Verhalten verletzt habe, um Vergebung. Papst Franziskus verordnete O'Brien im Mai 2013 einige Monate der geistlichen Besinnung außerhalb von Schottland. Seither lebte der emeritierte Erzbischof zurückgezogen. Seinen Rücktritt als Erzbischof hatte bereits Papst Benedikt XVI. in seinen letzten Amtstagen im Februar 2013 angenommen.

Als Reaktion auf die Verfügung von diesem Freitag wiederholte der frühere Kardinal seine Vergebungsbitte vom März 2013. Die britische Zeitung „Catholic Herald" zitiert O´Brien mit den Worten: „Ich danke Papst Franziskus für seine väterliche Sorge um mich und um jene, die ich in welcher Weise auch immer verletzt habe. Ich werde weiterhin nicht mehr am öffentlichen Leben der Kirche in Schottland teilnehmen; und ich werde den Rest meines Lebens zurückgezogen und im Gebet verbringen, besonders für das Erzbistum Saint Andrews und Edinburgh, für Schottland, und für alle, die ich verletzt habe."

Im Auftrag von Papst Franziskus hatte Erzbischof Charles Scicluna die Vorwürfe gegen O'Brien untersucht. Der maltesische Geistliche, ein ausgewiesener Fachmann für Episoden von Missbrauch in der katholischen Kirche, leitet derzeit die Stelle im Vatikan, die Berufungsanträge von Geistlichen unter Missbrauchsverdacht bearbeitet.

O'Briens Nachfolger als Erzbischof von Edinburgh Leo Cushley bezeichnete dem „Catholic Herold" zufolge die Maßnahme von Papst Franziskus als „fair, gerecht und angemessen". O'Briens Verhalten habe viele Menschen „gequält, treue Katholiken demoralisiert und die Kirche bei den Nicht-Katholiken weniger glaubwürdig gemacht". (rv)

Kardinal Müller: Bonhoeffers Potential für die Ökumene

Kardinal MüllerDass sich Kardinal Gerhard Müller mit Dietrich Bonhoeffer auskennt, liegt an seinem Lehrer, Kardinal Karl Lehmann. Ein Referat am Anfang seines Studiums führte den heutigen Präfekten der Glaubenskongregation zu einem der bedeutendsten Märtyrer der evangelischen Kirche, er befasste sich damals mit dem Sakramentsverständnis Bonhoeffers. Aus der Seminararbeit wurde später eine Diplomarbeit und aus dieser schließlich eine Doktorarbeit. 70 Jahre nach der Hinrichtung Bonhoeffers ehrt Kardinal Müller den protestantischen Theologen und Nazigegner in einem Vortrag in Rom als standhaften Glaubenszeugen und christlichen Märtyrer.

Nicht nur für Protestanten ist Bonhoeffer ein Begriff. Bekannt geworden ist Bonhoeffer vor allem durch seine eindrucksvollen Texte, die er während seinem Aufenthalt im Konzentrationslager kurz vor seiner Hinrichtung geschrieben hat. Ökumenische Fundstücke, die auch im katholischen Gotteslob einen festen Platz haben. Doch dabei darf es nicht bleiben, erläutert Müller: „In vielen Gemeinden ist Bonhoeffer präsent durch bestimmte Lieder und Texte, aber es ist auch die Frage, wie weit er dann in die ökumenische Theologie dann als solche auch eingeht, hier konnte er ja nur in seiner kurzen Lebenszeit einige Impulse geben."

Müller sieht auch für heute ein enormes Potential in Bonhoeffers Theologie. Gerade seine Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat in einer säkularisierten Welt sind für Müller wichtige Impulse, auch für die heutige Zeit. Für die Ökumene ist Bonhoeffer nicht zuletzt auch wegen seines engen Kontakts zum Katholizismus und zur katholischen Theologie von Bedeutung. Während seiner Verfolgung in der Nazizeit fand er Unterschlupf im Kloster Ettal. Nach seinem Abitur einige Jahre zuvor verbrachte er sogar eine Zeit in Rom. Für einen Protestanten, der aus einem katholisch feindlichen Umfeld kam, eine positive Erfahrung, weiß Müller. „Er sagt ja dann, […] dass er hier zum ersten Mal erkannt und erlebt hat, was Kirche ist, denn aus seinem evangelischen Hintergrund ist Kirche ja nicht so anschaulich gelebt. Das hier Jung und Alt, aber das eben gebildete und nicht gebildete Menschen zusammen sind und beten, dass hat ihn sehr beeindruckt."

Bonhoeffer erlebte, dass in Rom viele zur Beichte gehen – das Sündenbekenntnis und die Gottesbegegnung über die Verkündigung hinaus. Das beeindruckte ihn laut Müller so sehr, dass Bonhoeffer versuchte die Beichte im evangelischen Sinne wieder in die religiöse Praxis zu integrieren. Der lutherische Theologe ist für Müller einer der Weichensteller der ökumenischen Bewegung, von katholischer Seite anschlussfähiger als so manch anderer lutherischer Theologe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Bonhoeffer nicht nur Theologe sondern auch Praktiker war, erklärt Müller:

„Er hat ganz bewusst den Schritt über das akademische hinaus gemacht zur Praxis hin. Nicht nur die Theorie umgesetzt, sondern die innere Einheit vom Bezug zu Gott im theologischen Denken im Gebet, aber eben auch in der konkreten Begegnung mit den Menschen, Mitgläubigen in der Gemeinde, aber auch denen, die distanziert sind zur Kirche. Diesen konkreten Schritt vom Theoretischen zum Praktischen – im weiteren Sinne des Wortes – den hat er getan und dieser ist für ihn auch maßgebend geworden."

Der Schritt zeigt sich auch im Umgang mit etwa der Armut, Müller bezog sich auf Bonhoeffers Begriff des „religionslosen Christentums". Was das heißt?: „Dass wir nun irgendwie schön singen und pietistisch unsere Seelen pflegen und schöne wunderbare Gefühle haben, während wir neben dran die massenhafte Armut und das Elend sehen. Das kann man eben nicht voneinander trennen. Christus in seinem Wort und seiner Verkündigung, wie er auch in den Sakramenten zu uns spricht, ist der Christus, der uns auch in den Armen begegnet. Deshalb ist es wichtig zu sagen, Christentum ist nicht nur am Sonntag in der Feierlichkeit der Kirche, des Ritus und der Musik, in den Zeremonien." In dieser Bonhoefferischen Theologie zeigt sich seine Aktualität, die auch Papst Franziskus verkündet. Der Glaube an Gott und die Begegnung mit Jesus stehen im Mittelpunkt, nicht als Selbstzweck, sondern zur Begegnung mit den Menschen. (rv)