Kardinal Müller: Bonhoeffers Potential für die Ökumene

Kardinal MüllerDass sich Kardinal Gerhard Müller mit Dietrich Bonhoeffer auskennt, liegt an seinem Lehrer, Kardinal Karl Lehmann. Ein Referat am Anfang seines Studiums führte den heutigen Präfekten der Glaubenskongregation zu einem der bedeutendsten Märtyrer der evangelischen Kirche, er befasste sich damals mit dem Sakramentsverständnis Bonhoeffers. Aus der Seminararbeit wurde später eine Diplomarbeit und aus dieser schließlich eine Doktorarbeit. 70 Jahre nach der Hinrichtung Bonhoeffers ehrt Kardinal Müller den protestantischen Theologen und Nazigegner in einem Vortrag in Rom als standhaften Glaubenszeugen und christlichen Märtyrer.

Nicht nur für Protestanten ist Bonhoeffer ein Begriff. Bekannt geworden ist Bonhoeffer vor allem durch seine eindrucksvollen Texte, die er während seinem Aufenthalt im Konzentrationslager kurz vor seiner Hinrichtung geschrieben hat. Ökumenische Fundstücke, die auch im katholischen Gotteslob einen festen Platz haben. Doch dabei darf es nicht bleiben, erläutert Müller: „In vielen Gemeinden ist Bonhoeffer präsent durch bestimmte Lieder und Texte, aber es ist auch die Frage, wie weit er dann in die ökumenische Theologie dann als solche auch eingeht, hier konnte er ja nur in seiner kurzen Lebenszeit einige Impulse geben."

Müller sieht auch für heute ein enormes Potential in Bonhoeffers Theologie. Gerade seine Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat in einer säkularisierten Welt sind für Müller wichtige Impulse, auch für die heutige Zeit. Für die Ökumene ist Bonhoeffer nicht zuletzt auch wegen seines engen Kontakts zum Katholizismus und zur katholischen Theologie von Bedeutung. Während seiner Verfolgung in der Nazizeit fand er Unterschlupf im Kloster Ettal. Nach seinem Abitur einige Jahre zuvor verbrachte er sogar eine Zeit in Rom. Für einen Protestanten, der aus einem katholisch feindlichen Umfeld kam, eine positive Erfahrung, weiß Müller. „Er sagt ja dann, […] dass er hier zum ersten Mal erkannt und erlebt hat, was Kirche ist, denn aus seinem evangelischen Hintergrund ist Kirche ja nicht so anschaulich gelebt. Das hier Jung und Alt, aber das eben gebildete und nicht gebildete Menschen zusammen sind und beten, dass hat ihn sehr beeindruckt."

Bonhoeffer erlebte, dass in Rom viele zur Beichte gehen – das Sündenbekenntnis und die Gottesbegegnung über die Verkündigung hinaus. Das beeindruckte ihn laut Müller so sehr, dass Bonhoeffer versuchte die Beichte im evangelischen Sinne wieder in die religiöse Praxis zu integrieren. Der lutherische Theologe ist für Müller einer der Weichensteller der ökumenischen Bewegung, von katholischer Seite anschlussfähiger als so manch anderer lutherischer Theologe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Bonhoeffer nicht nur Theologe sondern auch Praktiker war, erklärt Müller:

„Er hat ganz bewusst den Schritt über das akademische hinaus gemacht zur Praxis hin. Nicht nur die Theorie umgesetzt, sondern die innere Einheit vom Bezug zu Gott im theologischen Denken im Gebet, aber eben auch in der konkreten Begegnung mit den Menschen, Mitgläubigen in der Gemeinde, aber auch denen, die distanziert sind zur Kirche. Diesen konkreten Schritt vom Theoretischen zum Praktischen – im weiteren Sinne des Wortes – den hat er getan und dieser ist für ihn auch maßgebend geworden."

Der Schritt zeigt sich auch im Umgang mit etwa der Armut, Müller bezog sich auf Bonhoeffers Begriff des „religionslosen Christentums". Was das heißt?: „Dass wir nun irgendwie schön singen und pietistisch unsere Seelen pflegen und schöne wunderbare Gefühle haben, während wir neben dran die massenhafte Armut und das Elend sehen. Das kann man eben nicht voneinander trennen. Christus in seinem Wort und seiner Verkündigung, wie er auch in den Sakramenten zu uns spricht, ist der Christus, der uns auch in den Armen begegnet. Deshalb ist es wichtig zu sagen, Christentum ist nicht nur am Sonntag in der Feierlichkeit der Kirche, des Ritus und der Musik, in den Zeremonien." In dieser Bonhoefferischen Theologie zeigt sich seine Aktualität, die auch Papst Franziskus verkündet. Der Glaube an Gott und die Begegnung mit Jesus stehen im Mittelpunkt, nicht als Selbstzweck, sondern zur Begegnung mit den Menschen. (rv)

Vatikansprecher Lombardi vorübergehend außer Gefecht

Pater Lombardi PressekonferenzVatikansprecher Pater Federico Lombardi hat sich einer Hüftoperation unterzogen und wird sein Amt voraussichtlich für etwa einen Monat nur eingeschränkt ausüben können. Das teilte das vatikanische Presseamt am Montag mit. Lombardis Aufgaben übernimmt in dieser Zeit sein Stellvertreter im Pressesaal, Pater Ciro Benedettini. Schon seit Monaten bereitete Lombardi das Gehen sichtlich Schwierigkeiten. Lombardi ist 73 Jahre alt. Er wirkt seit 2006 als Pressesprecher des Heiligen Stuhles, zusätzlich zu seiner Aufgabe als Generaldirektor von Radio Vatikan. (rv)

Die Woche im Vatikan

VatikanplatzEin Besuch in Neapel und Pompei steht als Höhepunkt der kommenden Woche auf dem Programm des Papstes: Papst Franziskus wird am Freitag früh aufbrechen und zunächst nach Pompei fliegen, dort wird er in der Nähe der Ausgrabungen der antiken Stadt an der Marien-Wallfahrtskirche beten. Im nahe gelegenen Neapel will der Papst anschließend um 11 Uhr die Messe feiern und danach ein Gefängnis besuchen. Im Dom der Stadt wird er den Klerus des Bistums treffen. Nach einem Treffen mit Kranken und mit der Jugend des Erzbistums geht es dann zurück nach Rom. Mit Ausnahme von Assisi, das Franziskus im Oktober 2014 besuchte, haben ihn bislang alle Reisen innerhalb Italiens in den ärmeren Südteil des Landes geführt.

Die Arbeitswoche des Papstes beginnt mit einer Reihe von Audienzen, unter anderem für Frère Alois, den Prior der Gemeinschaft von Taizé. Donnerstag ist im Vatikan Feiertag, das Hochfest des heiligen Josef: An diesem Tag vor zwei Jahren hatte Papst Franziskus offiziell sein Pontifikat begonnen.

Die Bischöfe Bosniens und der Herzegovina sind in dieser Woche zu ihrem ad Limina Besuch in Rom, ab Freitag dann ist der Besuch der Bischöfe Japans vorgesehen.

Am Mittwoch wird der Papst wie üblich zur Generalaudienz auf den Petersplatz einladen und das Angelusgebet zum Beginn der neuen Woche am Sonntag beten. (rv)

Berater für die Bischofssynode ernannt

Bischofssynode 2015Die Vorbereitungen auf die kommende Synode der Bischöfe gehen voran: An diesem Samstag gab der Vatikan die Namen der Berater für die im Oktober tagende ordentliche Vollversammlung bekannt. Es handelt sich um Theologen vor allem der päpstlichen Universitäten in Rom, so etwa den Rektor der Gregoriana, Pater Francois-Xavier Dumortier SJ und Professoren der Urbaniana, der Orientale und der Lateranuniversität. Anders als im Vorjahr ist auch ein Vertreter des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für die Studien zu Ehe und Familie dabei.

Unter den ernannten sind fünf Priester und sieben Laien. Die ernannten Konsultoren nehmen an den Beratungen der Versammlung teil, haben selber aber kein Stimmrecht. (rv)

Rom bereitet sich auf Heiliges Jahr 2016 vor

Papst FranziskusNach der Bekanntgabe des Papstes, dass die Kirche 2016 ein „Jubiläum der Barmherzigkeit" begehen wird, sind die Reaktionen in der Weltkirche sehr positiv. Bischofskonferenzen weltweit begrüßen die Ankündigung. Auch die Stadt Rom freut sich auf den besonderen Anlass und dankt Franziskus für diese Verkündigung, wie der Bürgermeister der Stadt Ignazio Marino sagte. Es sei nun wichtig für die Hauptstadt Italiens, sich auf das Jahr rechtzeitig vorzubereiten und die Pilger so gut wie möglich zu empfangen.

Blicken wir zurück auf Freitagabend im Petersdom: Es war eine besinnliche Bußfeier, just am Tag, an dem Papst Franziskus seinen zweiten Jahrestag seiner Wahl feierte. Am Morgen fand keine Messe in der Kapelle Santa Marta statt und auch die Fastenpredigt von Pater Raniero Cantalamessa fiel aus. Freitag, der 13. März, war im gesamten Vatikan ein Feiertag. Die Bußfeier am Abend fand im Rahmen der Initiative „24 Stunden für den Herrn" statt, Papst Franziskus hörte wie im vergangenen Jahr auch schon mit vielen anderen Priestern Beichte. Dann hielt der Papst seine Ansprache und teilte mit, dass er für 2016 ein Heiliges Jahr einberufen wolle. Er erläuterte auch genauer, was damit gemeint sei: „Das ist die Zeit der Barmherzigkeit. Es ist wichtig, dass die Gläubigen sie leben und in alle Gesellschaftsbereiche hineintragen. Vorwärts!". Weiter fügte Franziskus an, dass er die Organisation dieses Jahres dem Päpstlichen Rat für die Förderung der Neuevangelisierung an vertraue, „auf dass es ein neuer Abschnitt auf dem Weg der Kirche in ihrer Mission wird, jedem Menschen die Frohe Botschaft der Barmherzigkeit zu bringen". Er sei davon überzeugt, „dass die ganze Kirche – welche die Barmherzigkeit so nötig hat denn wir sind alle Sünder – in diesem Jubiläumsjahr die Freude findet, die Barmherzigkeit Gottes neu zu entdecken und fruchtbar werden zu lassen".

Das Heilige Jahr wird zum 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) begonnen. Es sei damit eine Einladung, das mit dem Konzil begonnene Werk fortzuführen, so der Vatikan in einer Pressemitteilung. Datum der Eröffnung ist der 8. Dezember 2015, das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens und gleichzeitig Jahrestag des Endes des Konzils. Enden wird das Heilige Jahr am 20. November 2016 mit dem Christkönigsfest. (rv)

Hintergrund: Was ist ein Heiliges Jahr?

Papst Johannes  Paul II. PforteEs war zunächst einmal ein Verkehrsproblem: Als Papst Bonifaz VIII., Nachfolger des zurück getretenen Papstes Coelestin, für das Jahr 1300 das erste Mal überhaupt ein Heiliges Jahr ausrief. Die alte leoninische Mauer Roms musste an einigen Stellen eingerissen werden und die damals einzige Brücke über den Tiber – die Engelsbrücke – bekam ein Einbahnstraßensystem, um der Pilgermengen Herr zu werden.

Bonifaz wollte damals genau das feiern, was Franziskus heute auch feiern will: Die Vergebung Gottes, Gottes Barmherzigkeit. Bis dahin war die einzige Möglichkeit, im Mittelalter eine vollständige Lossprechung zu bekommen, ein Kreuzzug oder eine lange Pilgerreise etwa nach Santiago zu machen. Nun ging das also auch in Rom, was eine Aufwertung des Zentrums der Kirche bedeutete und eben auch eine neue Institution, das Heilige Jahr.

Den italienischen Dichter Dante hat das so beeindruckt, dass er Teile seiner Göttlichen Komödie in der Osterwoche des Heiligen Jahres 1300 spielen lässt. Was ihn nicht davon abhielt, den Papst in den achten Ring der Hölle zu versetzen.

Das Heilige Jahr heißt ursprünglich Jubeljahr oder Jubiläum und geht zurück auf Levitikus 25:8, dort wird jedes 50. Jahr die Befreiung der Sklaven, Erlass von Schulden und Rückgabe von Grund und Boden angeordnet. Es soll der sich entwickelnden Tradition der Kirche nach der inneren Erneuerung der Gläubigen dienen. Immer wieder wurden diese Jahre auch für aufsehenerregende Gesten genutzt, die das Grundthema der Jahre – die Vergebung durch Gott – ausdrücken, zuletzt die großen Vergebungsbitten Papst Johannes Paul II., die er in einer Liturgie zum Heiligen Jahr 2000 aussprach.

Zunächst ließ man es alle 100 Jahre stattfinden, dann verkürzte man auf 50, später 33 und zuletzt 25 Jahre. So hat das letzte Jubeljahr 2000 stattgefunden. Immer wieder hat es aber auch außerordentliche Jahre gegeben, zuletzt 1983, so dass auch hier Papst Franziskus eine Tradition aufgreift.

Das Jahr beginnt mit dem Öffnen der Heiligen Pforten – der symbolischen Öffnung neuer Wege zum Heil – und endet mit deren Schließung. Die Pforten in Sankt Peter sowie in Johannes im Lateran, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern sind normalerweise zugemauert.

Seit Einführung der Heiligen Jahre ist die Vorbereitung auf die Pilgerströme auch ein Anlass für bauliche Maßnahmen in der Stadt. Wie gesagt, auch das Verkehrproblem wie bei Bonifaz VIII. ist eine Tradition geblieben. Rom ist von den Heiligen Jahren geprägt, brachten die Pilger doch immer Votivgaben mit, welche die vielen Kirchen der Stadt schmücken. Auch einige Brücken sind für Pilgermassen gebaut, Julius II. zum Beispiel war das Einbahnsystem der Engelsburg nicht geheuer, er ließ 1500 eine zweite Brücke bauen, die Ponte Sisto.

Aber abgesehen von den vielen äußeren Dingen wollen diese Jahre Zeiten der Neuentdeckung zentraler Glaubensinhalte sein und diese mit ganz konkreten Handlungen, eben einer Pilgerfahrt nach Rom, verbinden. Das nächste reguläre Heilige Jahr wird dann 2025 stattfinden. (rv)

Vatikan schickt Kardinal Tauran an die Elfenbeinküste

Kardinal TauranDer Präsident des Dialogrates Kardinal Jean-Louis Tauran und neu-ernannter Camerlengo des Vatikans reist an diesem Freitag gemeinsam mit einer Delegation an die Elfenbeinküste. Bei der viertägigen Reise wird er eine vatikanische Delegation anführen, die an den 110-jährigen Jubiläum der Evangelisierung der Diözese von Korhogo teilnehmen soll. Ein weiteres Ziel dieser Reise sei es, laut der vatikanischen Pressestelle, den interreligiösen Dialog in dem westafrikanischen Land zu fördern und ihm einen „größeren Schwung" zu verleihen – ganz im „Zeichen des Respekts" den Papst Franziskus wünscht.

Vorgesehen seien Gespräche mit Vertretern des Islams sowie traditioneller einheimischer Religionen. Zum Abschluss des Besuchs ist am Dienstag in der Hauptstadt Abidjan eine persönliche Begegnung mit Präsident Alassane Ouattara geplant. (rv)

„Ich habe das Gefühl, mein Pontifikat wird kurz sein“

Papst FranziskusPapst Franziskus hat sich, sozusagen, mexikanisiert: Dem mexikanischen Fernsehen gab er zu seinem zweiten Amtsjubiläum ein großes Interview, unter einem Bild der Jungfrau von Guadalupe. Dabei warb er erneut um Verständnis dafür, dass er in einer privaten Email vor einer „Mexikanisierung" seiner argentinischen Heimat gewarnt hatte – das sei doch ein in erster Linie „technischer Begriff", wie auch das Wort „Balkanisierung". Und er sprach von seinem Gefühl, dass er ein eher kurzes Pontifikat haben werde.

Fast anderthalb Stunden O-Ton Franziskus: Das Gespräch mit dem Sender „Televisa" gehört zu den bisher längsten Papst-Interviews überhaupt. Differenziert äußert er sich über den Vatikan; es gebe „hier sehr gute Menschen", und eine „genügende" Zahl von ihnen sage ihm auch ihre Sicht der Dinge „offen ins Gesicht". Wobei Franziskus beteuert: „Nie, nie, nie – das sage ich vor Gott – habe ich, seit ich Bischof bin, jemanden dafür bestraft, dass er mir die Dinge ins Gesicht gesagt hat! Das sind die Mitarbeiter, die ich will." Seine vielbeachtete Weihnachtsansprache an die Kurie habe in erster Linie eine profunde „Gewissenserforschung" sein sollen. „Ich wollte sie so plastisch machen", erklärt er, „das hat vielleicht nicht gefallen, der Stil war nicht sehr traditionell für eine Botschaft zum Jahresende – aber am Jahresende tut man gut daran, eine Gewissenserforschung zu halten". Im Übrigen sei es ihm bei der Kurienreform vor allem um eine „Bekehrung des Herzens" zu tun, allerdings durchaus gefolgt von einer „Bekehrung der Lebensweise": „Ich glaube, das ist der letzte Hof, den es noch gibt in Europa", sinniert der Papst über den Vatikan, da müsse etwas „geändert werden", als „Dienst an der Kirche" und „an den Bischöfen".

„Ich habe das Gefühl, dass mein Pontifikat kurz sein wird", vertraut Franziskus außerdem seiner Interviewerin an, allerdings sei das „ein etwas vages Gefühl", darum habe er doch „immer die Möglichkeit offen" – ein Punkt, den er allerdings nicht näher ausführt. Ob er, wie Diözesanbischöfe, also mit achtzig Jahren zurücktreten werde? Das wehrt der Papst ab: „Mir gefällt das nicht sehr, diese Altersgrenze festlegen", das Papsttum sei nun mal so etwas wie eine „letzte Instanz", eine „besondere Gnade". „Also, zu sagen: Der ist jetzt achtzig – das schafft ein Gefühl von Ende des Pontifikats, das nicht gut tun würde. Vorhersehbar, nicht?"

Mit Blick auf den synodalen Prozess zu Ehe und Familie warnt er ausdrücklich vor „übertriebenen Erwartungen"; er deutet an, dass wiederverheiratete Geschiedene aus seiner Sicht die Möglichkeit bekommen müssten, Taufpaten zu sein. Besonders ausführlich geht Franziskus in dem Interview aber natürlich auf mexikanische Belange ein: Er wolle das Land einmal ausführlich besuchen, „nicht nur flüchtig und im Vorbeigehen"; für die 43 verschwundenen – mutmaßlich getöteten – Studenten von Iguala fordert er „Gerechtigkeit, und dass man an sie denke". Auf Sekten angesprochen rät er, genau zwischen „ernsthaften Evangelikalen" und Sekten zu unterscheiden, und beklagt den verbreiteten „Klerikalismus" in Lateinamerikas katholischer Kirche, der die Laien am „Wachsen" hindere. (rv)

Zwei Jahre Franziskus: Vatikanpressesprecher zieht Resümee

Pater Lombardi PressekonferenzWenn jemand hautnah an dem Geschehen im Vatikan dabei ist und sich tagein tagaus mit Papst Franziskus auseinandersetzt, dann ist es wohl Vatikansprecher Pater Federico Lombardi. Er ist bei jeder Reise an der Seite des Papstes, kümmert sich um die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Journalisten und hat für jede vatikanische Angelegenheit eine Antwort parat. Nach zwei Jahren mit dem ersten Papst, der auch Jesuit ist – wie Lombardi selber – versucht Lombardi sich an die vielen Bilder dieser Zeit zurückzuerinnern:

„In einem unendlichen Fluss von Bildern scheint es schwierig eines auszuwählen. Ich möchte jedoch an drei besondere erinnern. Das erste ist die Umarmung zu dritt, vor der Klagemauer in Jerusalem gemeinsam mit dem Rabbi und dem muslimischen Oberhaupt. Ein durch und durch symbolträchtiger Moment des Dialogs und des Friedens während der Reise von Papst Franziskus im Heiligen Land in einem durchaus kritischen Punkt des Weltfriedens.

Ökumene und interreligiöser Dialog

Ein zweites und für viele beeindruckendes Bild war am Ende der großen Zeremonie in der orthodoxen Kathedrale in Istanbul, in Konstantinopel, als sich Papst Franziskus vor dem Patriarchen hinkniete und in gewisser Weise um eine Segnung bat. Also der Moment der Brüderlichkeit, der Ökumene, der große Wunsch nach christlicher Einheit. Und das dritte Bild ist kein einzelnes Bild, sondern eine Folge von Bildern, als Papst Franziskus auf den Philippinen war. In dieser Menschenmasse, voller Liebe. Sie wünschten sich so sehr den Papst zu sehen, ihn zu umarmen, und dieser Enthusiasmus wurde über die Kinder transportiert. Also diese Freude, die Hoffnung gegenüber Papst Franziskus, eines Volkes, das auf die eigene Zukunft mit Hoffnung blickt und ihm die Kinder präsentiert, die neue Generation Asiens und der Menschlichkeit."

Anfänglich wirkte es für Lombardi so, als ob der Papst ein wenig „ängstlich" und „misstrauisch" gegenüber Reisen wäre. Doch dann zeigte sich schließlich ziemlich schnell, wie viel Bedeutung er in seinem Amt der pastoralen Dimension beimaß. Wie wichtig es für ihn war und ist, die Erwartung der Menschen zu erfüllen und an die Grenzen zu gehen. Lombardi erwähnte im Gespräch mit Radio Vatikan die Asienreise als ein Charakteristikum des zweiten Pontifikats-Jahres. Die Reisen nach Korea und Sri Lanka-Philippinen betrachtet er als eine Öffnung der asiatischen Front, nicht nur weil mit Franziskus nach langer Zeit wieder ein Papst auf dem asiatischen Kontinent (mit Ausnahme des Heiligen Landes) war, sondern auch weil das Christentum dort eine Minderheit darstellt. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stehen bereits der interreligiöse und der ökumenische Dialog im Mittelpunkt der Kirche. Diesen Weg hat laut Pater Federico Lombardi Papst Franziskus auf eine besondere Art und Weise weitergeführt:

„Für die Ökumene haben wir vor allem die Beziehung mit dem Patriarchen von Konstantinopel, also eine sehr intensive Auseinandersetzung mit den Orthodoxen, aber interessant und originell ist auch die Art und Weise, die Papst Franziskus gewählt hat, um mit anderen christlichen Gemeinden umzugehen, die nicht zu den klassischen, traditionellen Kirchen gehören – wie das Treffen mit den Pfingstkirche. Das ist einer der wichtigsten Punkte aus ökumenischer Sicht, denn es ist die dynamischste Dimension des Christentums in unserer Welt. Papst Franziskus hat mit seiner originellen und persönlichen Art der Begegnung neue Horizonte und bedeutende Wege eröffnet. Aus interreligiöser Sicht wissen wir, dass der Papst eine Tradition von Begegnungen pflegt wie persönliche Freundschaften mit jüdischen aber auch muslimischen Oberhäuptern. Und in Zeiten wie heute, wo Spannungen zwischen Völkern mit religiösen Problematiken verbunden sind, ist diese Orientierung an einem friedlichen Dialog, die Ermutigung des Verständnisses zwischen Religionen, extrem wertvoll."

Diplomatische Erfolge

Auf internationaler Ebene hat Papst Franziskus für die Kirche auch eine Vermittlerrolle übernommen. Die Liste der Friedensappelle sei unendlich lang, erklärt Lombardi. In den dramatischsten Situationen richtete sich der Papst an diejenigen, die seine Unterstützung brauchten: sei es der nahe Osten, die Ukraine oder Europa. Ein besonderes Beispiel solcher Initiativen war für Lombardi der Gebetsmoment und das Friedensgebet in den Vatikanischen Gärten vergangenen Juni, kurz nach seiner Heilig-Land-Reise, mit den Präsidenten Israels und Palästinas, Peres und Abbas. Viel internationale Aufmerksamkeit regnete es auch für die durchaus wichtige Rolle von Papst Franziskus bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Kuba und Amerika:

„Es ist schön, wenn die katholische Kirche diese wichtige Rolle für den Frieden auf der internationaler Ebene weiterhin halten kann. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat den Frieden zwischen den Völkern erst unlängst in einer Ansprache an der gregorianischer Universität als großes Abbild der diplomatischen Arbeit des Heiligen Stuhles beschrieben."

Aber Papst Franziskus leistet meiner Meinung nach auch einen persönlichen Beitrag. Dieser beruht auf seinem Charisma bei den persönlichen Begegnungen mit den Staats- und Regierungschefs, wenn er versucht mit ihnen vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Persönliche Beziehungen, die über das Besprechen der objektiven Probleme und dessen Komplexität hinausgehen. Er hilft diesen weiteren Schritt zu machen und er bringt seine Person ins Spiel. Mit seinem Mut, seiner Hoffnung….Das sind dann die entscheidenden Schritte, an welche sich das System der diplomatischen Beziehungen, der Verhandlungen etc. orientiert und auf welches eine längerfristige Lösung der Probleme folgt.

Also, ich denke, dass Franziskus diese Gabe hat. Er hat die Gabe, Impulse mit seiner Persönlichkeit zu geben und er hat eine Begabung Beziehungen mit Staatsoberhäupter und auch mit religiösen Oberhaupte zu führen. Sie sehen in ihm die Kraft der Persönlichkeit, die zu weiteren konkreten Schritten im Leben führt. Von dessen bin ich sehr überzeugt. Diese zwei Sachen schließen sich nicht gegenseitig aus: das Charisma der Persönlichkeit des Papstes und der diplomatische Dienst, auch der seiner Mitarbeiter beim Heiligen Stuhl, im weitesten Sinne. Hoffen wir, dass das auch helfen kann, in vielen Teilen der Welt Frieden zu bringen, denn das brauchen wir sehr dringend."

Reformen auf der ganzen Linie

Die Kurienreform galt als ein weiterer prägnanter Punkt des „neuen Papstes". Bereits am Anfang seines Pontifikates hat er diese Reform zu seinem Schlagwort gemacht und sich damit den großen internen Problemen der Kirche gewidmet. Lombardi betont, dem Papst gehe es nicht um Schnelligkeit. Viel eher um Sorgfalt und einen passenden „Rhythmus der Reflexion", basierend auf der Idee von Beratungen. Hier spielt auch der sogenannte K-9 Rat eine tragende Rolle, den Papst Franziskus während seines Pontifikats einführte.

Die Weihnachtsansprache des Papstes über die 15 Krankheiten der Kurie erwähnt Lombardi als tragendes Beispiel dafür, dass er die Reform als eine „persönliche Umwandlung" von jedem Einzelnen sehe. Die von Medien vielzitierte Ansprache hätte genauso gut auf jedes andere Unternehmen umgesetzt werden können.

„Was dem Papst wichtig ist, ist dass die Reform keinen logistischen, organisatorischen Charakter hat, sondern dass sie vor allem eine Erneuerung des Verhaltens mit sich bringt. Das ist auch das, was das Evangelium jeden von uns fragt."

Familiensynode – Der Weg ist lang

Die Familiensynode hat in gewisser Weise das zweite Jahr von Papst Franziskus monopolisiert. Das Thema Ehe- und Familienpastoral hatte sich der Papst als erste große Reformbaustelle im Innerkirchlichen ausgesucht. Dazu verschickte er einen Fragebogen an die Bischofskonferenzen in aller Welt, der vielerorts auch von interessierten Laien ausgefüllt wurde. Für Lombardi ist der Weg noch lang, aber die Richtung die Richtige:

„Natürlich, die Familie ist sehr mit dem konkreten Leben der meisten Menschen dieser Welt verbunden, und daher ist die Reflexion über dieses Thema anhand des Evangeliums, wie man diese Dimension erlebt, die fundamentalen Problemen der persönlichen und sozialen Themas, ist ein großer Beitrag auch für die Menschheit und eine Art den Dienst der Kirche weiterzuentwickeln für die Menschheit heute."

Die Peripherie, die Ausgegrenzten, die Armen

Das Wort Peripherie ist eines dieser Wörter, das man mit Papst Franziskus verbindet. Er hat die Armen, die Menschenwürde und die Verteidigung der Schutzlosen von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt. Auch in seinem zweiten Jahr habe er das öffentliche Interesse auf die Menschen „an den Rändern unserer Gesellschaft" gelenkt und die Mission der „Rettung der Menschenwürde" ganz oben auf die Agenda geschrieben. Seien es die Probleme der Migranten, der neuen Sklaven, der Flüchtlinge, die Alten oder die Kranken. Wichtig erscheint Lombardi, dass Franziskus auch die Arbeit von Benedikt XVI. weitergeführt hat mit dem Fokus auf die Opfer von Kindesmissbrauch durch Kleriker.

„Die minderjährigen Opfer des sexuellen Missbrauchs sind Personen, deren Menschenwürde verletzt ist und um die wir uns kümmern müssen. Das wurde auch mit der Gründung der neuen Kinderschutzkommission für Minderjährige klar – in einer Perspektive, die nicht bloß auf Fehler zurückblickt, sondern auch für die Zukunft vorbauen und Missbrauch mit allen Mitteln verhindern will."

Medien mögen den Papst

Die Medien mögen den Papst, sagt Lombardi. Täglich bekomme er drei bis vier Anfragen der großen Zeitungen aus allen Teilen der Welt. Das reflektiere einerseits ein Interesse der Menschen und sei andererseits ein Indikator dafür, dass der Papst als moralisches und religiöses Oberhaupt gefragt sei. Und die Meldungen seien mehrheitlich auch positiv:

„Ich hoffe, dass dies anhält und andauert. Manchmal, vielleicht, gibt es Teile am Rande dieser medialen Welt. Sie sind geprägt von der Freiheit und der Originalität, mit welcher der Papst manche Situationen meistert. Und diese Medien bleiben dann ein wenig orientierungslos, ein wenig verwirrt und betonen eben genau diesen Aspekt. Aber das liegt vielleicht daran, dass sie nicht diesen positiven Ausblick haben, von einem Blickpunkt des Glaubens aus gesehen. Oder es fehlt der Blick auf die Zukunft, der wichtig ist für das Verstehen und die Begleitung eines Pontifikates wie jenes von Franziskus." (rv)

Vatikan/UNO: Personen sind wichtiger als Überzeugungen

Erzbischof Silvano TomasiDer Vatikanvertreter bei der UNO in Genf hat die Gewalt der Terrorgruppe IS kritisiert. Erzbischof Silvano Tomasi sagte am Mittwoch bei der UNO-Versammlung, dass die Taten des „Islamischen Staates" von falschen Interpretationen und Unverständnis der Religion herrühren. Eine „angemessene Antwort" der internationalen Staatengemeinschaft auf die Taten des IS sei deshalb ein „moralisches Gebot", sagte der Vatikandiplomat laut dem veröffentlichten Redeskript. Weiter ging der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls auf das Thema Meinungsfreiheit ein: Wenn Meinungsfreiheit zur Verletzung anderer missbraucht werde, und zwar in Form von Beleidigungen der Überzeugungen, dann sei das bereits der Beginn der Gewalt. Die Meinungsfreiheit sei ein Grundrecht, dass immer beschützt werden müsse, so Tomasi weiter. Dieses Recht impliziere jedoch den verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Gedanken in Bezug auf die gesamte Gesellschaft. Echte Kritik könne dann gute Ergebnisse erzielen, wenn beachtet werde, dass Personen wichtiger seien, als ihre Überzeugungen oder ihr Glauben. Der Ständige Beobachter fügte an, dass es einen umfassenden Ansatz geben müsse, damit eine friedliche Koexistenz aller basierend auf dem Respekt der Menschenrechte und der Würde jedes einzelnen ermöglicht wird. (rv)