Konsistorium: Die Reform der Kurie offen diskutieren

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Reform der römischen Kurie steht seit diesem Donnerstag auf der Tagesordnung des Konsistoriums. Die Versammlung der Kardinäle tagt für zwei Tage in der Synodenaula des Vatikan in Anwesenheit von Papst Franziskus. Der Papst begrüßte die 165 Anwesenden, besonders aber die zwanzig neuen Kardinäle, mit einem Psalm-Vers: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen" (Ps 133).

Franziskus bedankte sich zunächst für die Arbeit der Kardinalskommission zur Reform der Kurie, der sogenannten „K9". Deren Arbeit solle vorgestellt und besprochen werden, erläuterte der Papst. Es geht bei den Beratungen der K9 und des Konsistoriums um eine neue Apostolische Konstitution zur Organisation der Kurie und damit um die Überarbeitung der letzten solchen Konstitution, „Pastor Bonus" aus dem Jahr 1988.

In seinen Begrüßungsworten gab der Papst den Zweck der Beratungen vor. „Es geht darum, eine größere Einheit in der Arbeit der verschiedenen Dikasterien und Institutionen herzustellen, um eine bessere Zusammenarbeit zu erreichen, und das in der absoluten Transparenz, welche auch eine authentische Synodalität und echte Kollegialität schafft." Die Reform sei kein Zweck in sich selbst, sondern ein Mittel, betonte der Papst. Es gehe um das Zeugnis für Christus, um eine bessere Verkündigung, um die Förderung eines fruchtbaren ökumenischen Geistes und einen konstruktiven Dialog.

Papst: Es braucht die Mitarbeit aller

„Die Reform, die lebhaft von der Mehrheit der Kardinäle bei den Generalversammlungen vor dem Konklave gewünscht wurde, muss die Identität der römischen Kurie verbessern, das heißt die Mitarbeit mit dem Nachfolger Petri in der Ausübung seines pastoralen Dienstes zum Wohl und Dienst an der weltweiten Kirche und der Ortskirchen. (…) Ein solches Ziel zu erreichen ist nicht einfach, dazu braucht es Zeit, Entschlossenheit und die Mitarbeit aller. Vor allem aber müssen wir uns dem Heiligen Geist anvertrauen, welcher die Kirche leitet."

Der Papst rief dazu auf, frei und offen zu sprechen und alles am wichtigsten Ziel auszurichten, dem „salus animarum", dem Heil der Seelen.

Zur Begrüßung hatte der Dekan des Kollegiums, Kardinal Angelo Sodano, die Versammelten an ihre Aufgaben erinnert, wie sie im Kirchenrecht festgehalten sind. „Wir sind hier, um unsere Mitarbeit anzubieten, und wir sind uns sowohl der Erfahrungen aus der Vergangenheit als auch der Erwartungen der Gegenwart bewusst."

Beratungen hinter verschlossenen Türen

Nach dem offiziellen Beginn war zunächst wie vom Papst angekündigt der Kardinalsrat „K9" an der Reihe. Dessen Koordinator Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga (Tegucigalpa/Honduras) und dessen Sekretär Bischof Marcello Semeraro (Albano/Italien) stellten anhand eines vorbereiteten Papiers die Arbeiten und Überlegungen vor. Damit ist der Einstieg in das Thema der Beratungen hinter verschlossenen Türen gegeben: die Reform der römischen Kurie.

Eine weitere genaue Tagesordnung gibt es nicht; die Teilnehmer am Konsistorium sollen Zeit bekommen, sich zu melden und eigene Kommentare und Bewertungen zu den vorgelegten Gedanken vorzunehmen. Ein Entwurf für eine neue Apostolische Konstitution zur Organisation der Kurie existiere noch nicht, hatte Vatikansprecher Federico Lombardi vor Beginn der Beratungen noch klargestellt. Der Austausch der Kardinäle bezieht sich also auf die vorgestellten Überlegungen der K9, noch nicht auf einen vorgelegten Entwurf. Die zweite Sitzung des Tages beginnt am Nachmittag um 17 Uhr. (rv)

Konsistorium: Beratungen über zwei neue Kongregationen

Pater Lombardi PressekonferenzZwei neue Kongregationen im Vatikan waren unter den vom Kardinalsrat K9 dem Konsistorium vorgeschlagenen Maßnahmen und Themen. Das berichtete Vatikansprecher Pater Federico Lombardi bei einer Pressekonferenz am Donnerstag aus den Beratungen.

Über einhundert Vorschläge und Beiträge von Kardinälen, Bischöfen und Experten seien in die Vorschläge der K9 eingegangen, habe Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, der Koordinator der Kardinalskommission, eingangs vorgetragen. Er habe auch darauf hingewiesen, dass es bei den Sitzungen nicht nur um die Reform der Kurie gegangen sei: Der Papst habe das Gremium auch für Beratungen zu anderen Themen genutzt, berichtete Lombardi aus dem Konsistorium.

Bischof Marcello Semeraro, der Sekretär der K9, habe dann die Überlegungen des Kardinalsrates vorgestellt. Zum einen sei es um allgemeine Erwägungen gegangen, zum Beispiel um die Vereinfachungen und Verkleinerung der Verwaltung. Dabei seien das Staatssekretariat und die Koordination der Kurie angesprochen worden, die Zusammenarbeit unter den einzelnen Dikasterien sowie Überlegungen zu Synodalität. Die K9 hätten auch Überlegungen zur Ausbildung und Rekrutierung von Personal für die Kurie vorgelegt, etwa von Laien.

Zum anderen habe Bischof Semeraro theologische Überlegungen zur möglichen Gründung von zwei neuen Kongregationen vorgestellt. Er habe betont, dass es nicht nur organisatorische Überlegungen seien, sondern auch andere, die eine solche Reform sinnvoll erscheinen ließen, berichtete Lombardi. Eine mögliche neue Kongregation sei die für „Laien, Familie und Leben", die zweite die zu „Caritas, Gerechtigkeit und Frieden", beide würden bisher bestehende Räte oder andere Institutionen in sich aufnehmen. So gehe es beim Caritas-Dikasterium um die Themenkreise der bisherigen Päpstlichen Räte Cor Unum, Gerechtigkeit und Frieden, Pastoral für die Kranken sowie die für Flüchtlinge. Man spreche auch darüber, dort ein neues Thema zu entwickeln, und zwar das des Schutzes der Schöpfung. Auch die Akademie der Sozialwissenschaften könnte dem zugeordnet werden, so Lombardi.

Nach den Vorträgen von Kardinal Maradiaga und Bischof Semeraro habe es am Morgen noch zwölf Wortmeldungen gegeben, so Lombardi weiter. Darunter seien vor allem Kardinäle gewesen, welche sich in der Kurie gut auskennen. Aber neben den mündlichen Äußerungen seien die Kardinäle auch eingeladen, der Reformkommission schriftliche Reflexionen zukommen zu lassen. (rv)

Konsistorium: Reform oder Wandel muss sich entwickeln

Kardinal Murphy-O´ConnorDie Reform der Kurie geht zurück auf die Diskussionen der Kardinäle vor der Papstwahl 2013, Papst Franziskus hat in seiner Begrüßungsansprache an das an diesem Donnerstag beginnende Konsistorium diesen Zusammenhang noch einmal deutlich hergestellt. Der emeritierte Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy O’Connor, erinnert sich gegenüber Radio Vatikan an diese entscheidenden Tage:

„In den Tagen vor dem Konklave haben viele Kardinäle davon gesprochen, die Herausforderungen der Kirche anzugehen, vor allem die hier in Rom. Es hatte mit Kollegialität zu tun und damit, was es heute bedeutet, die Kirche ‚mit Petrus und unter Petrus’ zu leiten. Papst Franziskus hat sich genau das vorgenommen. Manche sagen, dass das alles neu sei, aber wie der Papst sagt, er tut nur, was die Kardinäle vorgeschlagen haben: Wen immer sie wählen würden, das ist es, was er tun sollte."

Mutig und gut tue der Papst das, so Murphy O’Connor. In diesen Tagen würden nun die Kardinäle hören, was die Vorschläge genau seien. Den Vorwurf, das Ganze gehe nicht schnell genug, will er nicht gelten lassen. „Das würde ich nicht sagen, piano piano [langsam, langsam]. Reform oder Wandel muss sich entwickeln. Man muss dem Zeit zum Reifen geben. Wenn es einen neuen Weg gibt, wie der Papst handelt, dann muss man das Schritt für Schritt tun."

Drei Begriffe stünden für ihn im Vordergrund, so Kardinal Murphy O’Connor: Der erste sei Kollegialität unter den Bischöfen. „Zweitens ist da die Synodalität. Wir hatten all die Jahre eine Synode, aber ich denke auch das muss entwickelt werden, so dass die Synode nicht nur beratend wirkt, sondern dass sie die Autorität bekommt, eng mit dem Papst zusammen zu arbeiten." Der dritte Begriff sei der der Subsidiarität, ein Wort aus der katholischen Soziallehre das bestimmt, dass Entscheidungen auf der Ebene getroffen werden sollen, die sie betreffen. Nicht alles müsse nach Rom gehen, so Kardinal Murphy O’Connor. In der Vergangenheit sei die Anzahl der Mitarbeiter in Rom gewachsen, das sei nicht unbedingt nötig.

Über Meldungen zu angeblichen Widerständen unter den Kardinälen gegen Reformen zeigt sich der Kardinal überrascht, zum einen, weil noch gar nicht genau bekannt ist, was geändert würde, zum anderen weil es genau die Kardinäle selber waren, welche die Reform vor der Papstwahl angestoßen hätten. „Es wird unter den Kardinälen ein Konsens wachsen", zeigt er sich überzeugt. „Der Papst sagt immer wieder: redet offen. Und genau das werden wir jetzt tun." (rv)

Vatikan: Abschlussdokument der Kinderschutzkommission

Kardinal O´MalleyDie auf Anregung der "K9"-Gruppe im März 2014 entstandene vatikanische Kinderschutzkommission tagte erstmals Anfang Februar in voller Besatzung. Das internationale Gremium, welches aus 17 Mitgliedern – Geistlichen und Laien von allen Kontinenten der Erde – besteht, präsentiert in einem Abschlussdokument die Ergebnisse dieser ersten Sitzung. Ein Gebetstag für Missbrauchsopfer ist in Planung – sowie eine Verbesserung der Rechenschaftspflicht in der Kirche.

Die Hauptaufgabe der Kommission ist es laut dem Dokument, nach dem Wunsch von Papst Franziskus sich mit dem Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch in der Kirche zu befassen. Im Zuge des Treffens wurden erste Resultate der unterschiedlichen Forschungen von Expertengruppen des vergangenen Jahres durch die jeweiligen Mitglieder präsentiert. Daraufhin wurde eine Vorschlagsliste für die formale Struktur der Kommission vorbereitet und diese auch Papst Franziskus vorgelegt.

Kirche als „sicheres Zuhause"

Ein wesentlicher Bestandteil der Kinderschutzkommission sind einzelne „Arbeitsgruppen", die in den kommenden Plenumssitzungen Forschungen und Projekte voranbringen sollen. Die Kirche als „sicheres Zuhause für Kinder, Jugendliche und hilfsbedürftige Erwachsene" zu gestalten, hat dabei die oberste Priorität. Dies beinhaltet das Erstellen internationaler Leitlinien zu vorbildlichen Praktiken für kirchliche Einrichtungen. Dabei sollen auch Antworten auf andere Fragen gegeben werden: Wie soll die Seelsorge für Geschädigte und ihre Familien gestaltet werden? Wie müssen Priester für das Thema sensibilisiert werden? Welche Prozeduren sind notwendig, wenn Bischöfe Pädophilievorwürfe gegen Priester nicht ernst nehmen? Welche weiteren kirchlichen und zivilrechtlichen Normen sind notwendig, um den Amtsmissbrauch zu kontrollieren?

Transparenz, Rechenschaftspflicht und Verantwortung

Eine entsprechende Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen zu gewährleisten und Transparenz zu schaffen: Das deklariert die Kommission als einen der wichtigsten Punkte ihrer Arbeit. Nur wenn Transparenz geschaffen und jeder zur Reschenschaft gezogen werde, könne auch ein neues Bewusstsein in der Kirche enstehen. Die Prozessentwicklung für eine funktionierende Rechenschaftspflicht für alle – Klerus, Ordensleute und Laien –, die mit Minderjährigen arbeiten, sei dafür unumgänglich. Spezielle Seminare für Führungspersönlichkeiten in der Kirche sind bereits in Planung.

In Zukunft freut sich die Kommission bereits auf eine engere Zusammenarbeit mit Ortskirchen, um als erstes die geplanten Leitlinien genauer an einem Beispiel durchzusprechen. Ein weiteres Projekt der Kommission ist der geplante „Gebetstag" für alle Menschen, die sexuellen Missbrauch erleiden mussten. Dies solle zu einer „spirituellen Heilung der Wunden" beitragen und ein Bewusstsein in der kirchlichen Gemeinschaft für diese „Plage des Missbrauchs der Minderjährigen" schaffen. (rv)

Künftiger Kardinal Rauber: „Der Hut ist halt rot“

Erzbischof RauberKardinal zu werden war „ganz außerhalb meines Erwartens und meines Denkens": Das sagte der deutsche Erzbischof Karl-Josef Rauber, ein früherer Vatikandiplomat, am Mittwoch in Rom. Als er erfahren habe, dass Papst Franziskus ihn in das Kardinalskollegium aufnehmen wolle, habe er das zunächst gar nicht glauben wollen. Bis heute fragt sich der 80-Jährige, wie Franziskus überhaupt auf ihn gekommen ist. An diesem Samstag ist er der einzige Deutsche unter den Bischöfen, die der Papst bei einem Konsistorium zu Kardinälen macht. „Das war an sich so nicht geplant in meinem Leben – aber der liebe Gott hat es anders gefügt, und der Heilige Vater hat es aufgegriffen, was der liebe Gott verfügt hat, wahrscheinlich…"

Bischof Rauber ist dem Papst erst einmal begegnet: Im Mai 2014 hat er mit ihm in der Casa Santa Marta konzelebriert, danach wechselten sie ein paar Worte. Der 1934 in Nürnberg geborene Rauber ist seit 1959 Priester des Bistums Mainz; 1962 kam er zum Studium des Kirchenrechts nach Rom, wurde parallel zum Vatikandiplomaten ausgebildet – und erlebte das Zweite Vatikanische Konzil mit. „Eine interessante Zeit", wie er sagt. „Es war ein Moment des Aufbruchs, so wie das ja Johannes XXIII. bei der Konzilseröffnung gesagt hat. Aber schon als Kaplan in Oberhessen, das ja zum großen Teil protestantisch ist, haben die Leute bei der Ankündigung des Konzils gesagt: ‚Jetzt werden wir alle katholisch!’ Das war also wirklich eine ganz eigenartige Stimmung des Aufbruches." Eine Stimmung, die allerdings nach dem Ende des Konzils nicht mehr lange gehalten hat: „Wissen Sie, die Dinge verflüchtigen sich leider. Und es ist auch so, dass man immer von dem Geist des Konzils gesprochen hat, aber nicht von dem Buchstaben des Konzils. Das war es, was die Leute vielleicht in ganz andere Richtungen denken ließ." Diesen ‚Buchstaben des Konzils’ gelte es heute wiederzuentdecken.

Manchmal sind die Kongregationen sehr wehleidig…

1966 kam Rauber in das vatikanische Staatssekretariat – zunächst in die deutsche Abteilung, später zehn Jahre lang als einer der Sekretäre des damaligen Substituten Erzbischof Giovanni Benelli (später als Bischof von Florenz Kardinal). Die Rolle des Staatssekretariats oder Päpstlichen Sekretariats sieht er, darin dem seligen Paul VI. folgend, als die eines „Moderator Curiae", eines Koordinators der einzelnen Vatikanbehörden. Ob die Rolle des Staatssekretariats am Ende des Pontifikats von St. Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. zu dominant geworden ist, wie Kritiker sagen, kann Erzbischof Rauber nach eigenen Angaben nicht beurteilen. „Es kann sein, dass da vielleicht manche Überschreitungen… Manchmal sind die Kongregationen sehr wehleidig; da kann es schon sein, dass man etwas darunter gelitten hat, dass da vielleicht über die Kongregationen (hinweg) verfügt worden ist usw., das kann ich nicht beurteilen, weil ich das aus der Ferne nicht sehen konnte. Aber an sich empfinde ich schon, dass das Staatssekretariat eine wichtige Rolle spielen muss."

Von 1982 bis 1990 vertrat Rauber, der darum 1983 in Rom auch die Bischofsweihe erhielt, den Heiligen Stuhl als Nuntius in Uganda. Es war, wie er heute rückblickend sagt, seine „schönste Zeit". „Die Tätigkeit des Nuntius war auch eine missionarische Tätigkeit. Ich habe häufig die Diözesen besucht und dort die einzelnen Pfarreien, die Seminare, Ordensleute usw. Mir hat es dort sehr gut gefallen!" Dabei hat der Vatikandiplomat dort auch die blutige Gewaltherrschaft von Idi Amin erlebt. Damals habe er sich bemüht, Missionaren beizustehen, sagt Rauber: „Ich habe sie manchmal rausgeholt, weil sie sich vor den Soldaten verbarrikadiert hatten, und ihnen doch Mut gemacht, in der Seelsorge tätig zu sein!"

Man darf nicht nur Bürokrat sein

1990 ernannte ihn der heilige Johannes Paul II. dann zum Präsidenten der Päpstlichen Diplomatenakademie, wo Rauber darauf achtete, dass die ‚Alumni’ auch gute Seelsorger wurden. „Ich habe darauf Wert gelegt, dass nur solche in die Akademie aufgenommen werden, die auch schon seelsorgliche Erfahrung hatten, und dass während der Zeit in der Akademie auch seelsorgliche Anliegen wahrgenommen werden. Ich habe ihnen auch die Möglichkeit gegeben, etwa am Wochenende in einer Pfarrei tätig zu sein – das war mir ein wichtiges Anliegen, denn ich habe in Uganda selbst erlebt, dass man auch selbst Seelsorger sein muss. Man darf da also nicht Bürokrat sein, sonst hat man seine Aufgabe verfehlt."

Von 1993 an bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2009 arbeitete Erzbischof Rauber dann erneut als Nuntius in verschiedenen europäischen Ländern, zunächst (zwischen 1993 und 1997) in der Schweiz. Während des Streits um den damaligen Churer Bischof Wolfgang Haas habe er „von acht Uhr früh bis spätabends, manchmal bis Mitternacht, die kritischen Stimmen angehört und zu einer Vorlage für den Heiligen Vater verarbeitet". Noch heute bedauert Rauber, dass alle Bemühungen um einen Frieden im Bistum damals gescheitert seien. „Der Bischof war doch so, dass er immer nur gespalten hat, nicht zusammengeführt. Einmal habe ich den Bischof mit den Weihbischöfen zusammen eingeladen, und da sind die Weihbischöfe aufgestanden und haben gesagt: ‚Wolfgang, du musst gehen! Sonst gibt es keinen Frieden in der Diözese." Auch im Priesterrat habe er eine ähnliche Szene erlebt. Was ihm damals durch den Kopf gegangen sei? „Heilen. Die Wunden heilen – das denkt man vor allem. Und wenn es nicht geht, dann muss der Bischof halt zurücktreten bzw. versetzt werden."

In Rom wird die Schweizer Kirche nicht immer verstanden…

Seine Zeit als Nuntius in der Schweiz sei „schon herausfordernd" gewesen. Aber der künftige Kardinal meint: „Man muss die Schweizer verstehen! Sie sind demokratisch durch und durch, und dann sehen die das in der Kirche genauso. In Rom wird das nicht immer verstanden, weil es kein Land gibt, das damit vergleichbar wäre – aber man muss die Schweizer verstehen." Die Kirche vor allem in der deutschsprachigen Schweiz habe eine „Struktur, die durchaus möglich ist in der Kirche": „Wieso soll man das alles von den Geistlichen her regeln? Man könnte das auch durchaus von Laien her regeln, zumal die ganzen Vermögensfragen… auf Diözesan- wie auf Pfarrebene."

Heute arbeitet Erzbischof Rauber noch als Seelsorger in einem Schönstatt-Zentrum im Bistum Rottenburg Stuttgart; manchmal führt er auch im Bistum noch Firmungen durch. Rauber glaubt nicht, dass sich sein Leben durch die Kardinalswürde noch groß ändern wird: „Der rote Hut ist halt rot, und früher war er violett – aber die Person ändert sich nicht! Der Kopf darunter ändert sich nicht!" (rv)