Synode: „Die Lehre der Kirche wird nicht verändert, aber sie entwickelt sich“, sagt Kardinal Marx

Kardinal MarxEine „ideale Realität von Ehe und Familie“, die die Kirche zurückerobern müsse, hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Das hat Kardinal Reinhard Marx vor den Bischöfen und anderen Teilnehmenden an der vatikanischen Bischofssynode zur Familie betont. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz stellte sich nach dem ersten Arbeitstag der Synode am Montagabend der Presse. Seine eigene Wortmeldung in der Synodenaula zusammenfassend, sagte Marx, Ehe und Familie seien geschichtlich betrachtet „immer eine Herausforderung“ gewesen.

„Wir sollten den Unterton vermeiden, es habe irgendwann eine ideale Realität von Ehe und Familie gegeben. Das ist eine Sicht, die ein bisschen Requonquista-mäßig ist. Wir müssen wiedergewinnen, was wir mal hatten. Das ist eine falsche Sicht, eine ungeschichtliche Sicht.“

Vielmehr müsse man „jetzt in dieser Zeit“ das Evangelium von der Familie mit den Menschen von heute „neu erarbeiten, neu entdecken“ – und „nicht nur etwas Altes entdecken“. Dazu gehöre auch ein Überdenken der moralischen Bewertungen: „Das Menschen heute moralisch schlechter wären, das ist doch nicht wahr“, so der Kardinal.

„Die Lehre der Kirche ist kein statisches Gebilde. Kardinal Kasper hat das so schön gesagt, aber da könnte man auch Benedikt XVI. zitieren und viele andere: die Wahrheit ist kein System, sondern eine Person. Eine Person, die mitgeht und mit der wir im Gespräch sind mit den Realitäten unseres Lebens.“

Kardinal Marx warnte vor einer zu apodiktischen Betonung der Tatsache, dass die katholische Lehre auf keinen Fall verändern würde. „Die Lehre wird nicht verändert, aber die entwickelt sich.“ Eine Absetzung der Pastoral von der Lehre werde einer echten Pastoral nicht gerecht.

Die vom Papst angesprochene Offenheit

Er habe den ersten Tag der Synode als „Mut machend“ erlebt und in der Aula eine „Atmosphäre der Offenheit“ wahrgenommen, fuhr Kardinal Marx fort. Die Bandbreite der Beiträge sei sehr weit gewesen. Geäußert hätten sich „aber auch viele, die klar gemacht haben, dass sie ein pastorales Interesse haben, dass sie die Realitäten der Menschen wahrnehmen. Das Stichwort Barmherzigkeit ist sehr oft gefallen. Insofern bin ich ganz zufrieden.“

In der Frage der Akzeptanz homosexueller Paare von Seiten der Kirche – ein weiterer neuralgischer Punkt aus Sicht der Ortskirchen im Westen – sprach Kardinal Marx von einer gewissen Dynamik.

Homosexuelle dürfen nicht ausgegrenzt werden. Und ich kann ja nicht sagen, dass in einer homosexuellen Beziehung vielleicht die über Jahrzehnte geht und treu gelebt wird, ich habe ja solche Leute erlebt – ich kann nicht sagen, das ist alles nichts. Nur weil es eine homosexuelle Beziehung ist. Das ist ein bisschen zu stark. Das sind Dinge, die wir genauer anschauen müssen. Einfach alles über einen Kamm scheren, das kann man nicht.

Kardinal Marx, der bei der Versammlung der Bischofssynode die deutsche Bischofskonferenz vertritt, ging auch auf die Besonderheiten des synodalen Prozesses ein, den Papst Franziskus begonnen habe. Der Weg müsse ein öffentlicher Weg sein, so der Kardinal, die Öffentlichkeit gehöre zu den Beratungen dazu, das müsse allen Synodenteilnehmern klar sein. So wolle man mit dem Abschlusstext, der während der Beratungen erstellt werde, einen Impuls in die Ortskirchen geben, damit diese dann in dem Jahr bis zur kommenden Synode im Herbst 2015 darüber sprechen könnten. In der deutschen Bischofskonferenz habe man sich bereits Gedanken dazu gemacht, wie dies organisiert werden könne, so Marx.

Die im Vorfeld der Versammlung geführten Debatten hätten in der Aula – zumindest am ersten Tag – keine Rolle gespielt. Hier war es vor allem um die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen und die Frage ihrer Zulassung zu den Sakramenten gegangen. Insgesamt sei die Debatte aber viel breiter verlaufen. Man sei sich klar darüber, dass das nicht nur ein europäisches Problem sei, aber gleichzteitig träten auch weitere Problemanzeigen hinzu. Es sei ihm ein besonderes Anliegen, dass auch über die Auswirkungen von Armuut beziehungsweise des Kapitalismus auf die Familien gesprochen würde. (rv)