Heiligsprechung: Nicht nostalgisch werden!

Papst Johannes XXIII.Bald ist er heilig gesprochen: Angelo Giuseppe Roncalli, Papst Johannes XXIII. Sein Leben war von Milde und Güte gezeichnet, die Italiener nannten ihn den „Papa Buono“, den guten Papst. Kirchengeschichtlich bedeutend waren seine Initiativen zur Reform der Kirche. Dazu zählt vor allem die historische Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das 1962 bis1965 tagte und eine Veränderung und Annäherung der kirchlichen Vision an die damalige Welt zur Folge hatte.

Das betont auch Kardinal Loris Francesco Capovilla. Der heute 98-jährige Kardinal war langjähriger Privatsekretär von Papst Johannes XXIII. In einem Interview mit Radio Vatikan erklärt er, dass es Gemeinsamkeiten gibt, zwischen Papst Franziskus und Papst Johannes XXIII. Beide wollen die Kirche verändern. Papst Franziskus bringe uns die Nachricht von Jesus durch sein „Evangelii Gaudium“.

„Papst Franziskus nähert sich uns an, nimmt uns an die Hand. Er zwingt uns nicht mit ihm zu gehen – er überzeugt uns.“

Das schaffe er dank seiner Erfahrungen als Jesuit und durch seine argentinischen Wurzeln, seine Herkunft, seine Kultur. In Bezug auf die Heiligsprechung von Papst Johannes XXIII. meint der Kardinal, es sei wichtig, nicht nostalgisch zu werden, sondern nach vorne zu blicken – auf etwas Neues, auf eine Veränderung.

„Ich meine, dass wir nicht von Heiligen, Reliquien oder Museen beschützt werden. So hat es auch Papst Johannes gesagt. Wir sind dazu berufen, einen Garten zu hüten, wo die Samen des Wortes, des fleischgewordenen Wortes wachsen. Wir sollen diesen Garten bepflanzen, die Erneuerung von Pfingsten und Ostern ermöglichen. Ein neuer Frühling. Und nicht zum eigenen Vergnügen, aber zum Vergnügen der ganzen Menschheit. Wir sind noch auf dem Weg, wir sind noch nicht auf der Hälfte des Weges angekommen. Die Straße ist noch lang.“

Das Evangelium helfe, seiner Meinung nach, die Straße zu gehen unter der Führung des neuen Papstes.

„Wie schön ist es den Papst jeden Tag zu hören, fast jeden Tag, dass Jesus niemanden zurückweist, und auf alle wartet.“

Zehn Jahre arbeitete er für Papst Johannes XXIII. und es war Capovilla immer eine Freude und Ehre. Er war ein Mann, der von Gott geführt wurde, so der Kardinal. Der Tag der Heiligsprechung am 27. April ist für ihn ein normaler Tag – aber auch ein Feiertag.

„Ein Tag in unserem Kalender, da jeder Tag im christlichen Kalender ein Feiertag ist. Für denjenigen, der glaubt ist immer Feiertag, immer Ostern, immer Auferstehung.“ (rv)

Der Kreuzweg am Kolosseum: Die Schwere und die Herrlichkeit des Kreuzes

ColloseumZehntausende Gläubige haben an diesem Karfreitag Abend mit dem Papst den traditionellen Kreuzweg am Kolosseum gebetet. Die Meditationen stammten in diesem Jahr von dem italienischen Erzbischof Giancarlo Maria Bregantini von Campobasso-Boiano, der als exponierter Gegner der Mafia bekannt ist. Ausgehend von den 14 Stationen Jesu – vom Todesurteil bis zur Grablege – sprachen die Texte vom Kreuzweg der Arbeitslosen, der Flüchtlinge, der Todkranken, der versklavten Frauen, der Mütter drogenkranker Kinder.

„Gott hat dem Kreuz Jesu alle Last unserer Sünden, alle Ungerechtigkeiten aller Kaine gegen ihre Brüder, alle Bitterkeiten unseres Judas-Verrates und unserer Petrus-Verleugnungen, alle Eitelkeiten der Mächtigen, alle Arroganz der falschen Freunde auferlegt“, so Papst Franziskus am Ende des Kreuzweges. „Es war ein schweres Kreuz, schwer wie die Nacht eines verlassenen Menschen, schwer wie der Tod eines lieben Freundes, schwer weil es die ganze Hässlichkeit des Bösen auf sich nimmt.“

Im Kreuz zeige sich die gesamte Liebe Gottes, der viel größer sei als unsere Bosheit und unser Verrat. „Im Kreuz sehen wie wir die Scheußlichkeit des Menschen, wenn er sich vom Bösen führen lässt, aber wir sehen auch die Unermesslichkeit der Barmherzigkeit Gottes, der uns nicht nach unseren Sünden behandelt, sondern nach dieser seiner Barmherzigkeit.“

Meditationen über die Welt

Im Inneren des Kolosseum waren wie jedes Jahr die 14 Stationen aufgebaut; das Kreuz übernahmen an jeder Station wechselnde Träger, darunter ein Paar, das aus einem Arbeiter und einem Unternehmer bestand, sowie zwei Ausländer, zwei Obdachlose, zwei Häftlinge, eine Familie, zwei Frauen, zwei Kinder und zwei alte Menschen.

Wenn Jesus das Kreuz auf sich nimmt und unter ihm wankt, dann ist das auch „die Last all der Ungerechtigkeiten, die zur Wirtschaftskrise mit ihren schwerwiegenden sozialen Folgen geführt haben“; heißt es in der Meditation zur zweiten Station:

„Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Entlassungen, Geld, das regiert, anstatt zu dienen, Finanzspekulation, Freitod von Unternehmern, Korruption und Wucher, Auswanderung der Unternehmen. Das ist das schwere Kreuz der Arbeitswelt, die Ungerechtigkeit, die den Arbeitern aufgeladen wird. Jesus nimmt es auf seine Schultern und lehrt uns, nicht mehr in der Ungerechtigkeit zu leben, sondern mit seiner Hilfe fähig zu werden, Brücken der Solidarität und der Hoffnung zu bauen, damit wir weder umherirrende noch verlorene Schafe sind.“

In den Tränen Marias, der Mutter Jesu, erklinge auch „die herzzerreißende Klage der Mütter um ihre Kinder, die an Tumoren sterben, deren Ursache die Verbrennung giftiger Abfälle ist“. Zu weinen gelte es auch über jene Männer, die Gewalt an Frauen verüben, und über die „Frauen, die durch Angst und Ausbeutung versklavt sind“. Mitleid allein reiche da aber nicht aus, heißt es weiter: „Jesus ist anspruchsvoller. Die Frauen müssen beruhigt und ermutigt werden, sie müssen geliebt werden als ein unverletzliches Geschenk für die ganze Menschheit.“ Die Tränen des Mitleids können dann fruchtbar sein, wenn sie für „teilnahmsvollen Schmerz“ stehen, so der Meditationstext: Jesu wolle keine „weinerliche Bemitleidung. Keine Klagen mehr, sondern Wille zur Neugeburt, zum Blick nach vorn.“ Das Kreuz werde leichter, wenn es mit Jesus getragen und von allen gemeinsam hochgehoben wird.

„Kämpfen wir gemeinsam, … indem wir die Achtung gegenüber der Politik zurückgewinnen und versuchen, gemeinsam aus den Problemen herauszukommen.“

Jesus helfe uns mit seiner inneren Kraft, die er vom Vater erhält, auch dabei, dem Fremden unsere Tür zu öffnen. „Im Bewusstsein unserer eigenen Schwäche werden wir die Einwanderer in ihrer Schwäche bei uns aufnehmen, damit sie Sicherheit und Hoffnung gewinnen.“ Erzbischof Bregantini erinnerte in seinen Meditationen auch an das Leid der Häftlinge, denen wir es nicht erlauben, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, sowie an die Praxis der Folter in Gefängnissen.

„In jedem Gefängnis, bei jedem Gefolterten ist er, der leidende, gefangene und gefolterte Christus immer gegenwärtig.“

Jesus wird ans Kreuz genagelt: Auch heute seien viele Menschen gefesselt wie Jesus – an ein Krankenbett, heißt es in der elften Station.

„Möge sich unsere Hand niemals erheben, um zu peinigen, sondern immer, um den Kranken Nähe zu schenken, sie zu trösten und zu begleiten und sie aus ihrem Krankenbett wieder aufzurichten. Nur wenn wir an unserer Seite jemanden finden, der sich an unser Bett setzt, nur dann kann die Krankheit eine große Schule der Weisheit, eine Begegnung mit dem geduldigen Gott werden.“

Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt: Pietà, das bedeutet, „jenen Brüdern und Schwestern nahe zu sein, die in ihrer Trauer keinen Frieden finden.“

Die Kraft der Hoffnung und Liebe

„Vor dem Kreuz Jesu können wir fast mit den Fingern anfassen, dass wir bin in alle Ewigkeit geliebt sind“, schloss der Papst die Meditationen in einer kurzen Ansprache. Vor dem Kreuz fühle man sich als Kind, nicht als Sache oder Objekt. „Denken wir also gemeinsam an die Kranken, erinnern wir uns an die verlassenen Menschen unter der Last des Kreuzes, auf dass wir in der Prüfung des Kreuzes die Kraft der Hoffnung finden, der Hoffnung auf die Auferstehung und der Liebe in Gott.“

Franziskus leitete die Andacht vom gegenüberliegenden Palatin-Hügel aus und segnete am Ende die Anwesenden. Der Kreuzweg am Kolosseum fand in diesem Jahr zum 50. Mal in neuerer Zeit statt. Die Päpste seit Paul VI. meditieren die Via Crucis seit 1964 immer am Karfreitag am römischen Kolosseum. Diese Tradition setzte somit während des II. Vatikanischen Konzils neu ein. Davor hatten die Päpste auch zwischen 1750 und 1870 den Kreuzweg am Kolosseum gebetet. (rv)