Bodenkuss und Weltreisen: Medienpapst Johannes Paul II.

B_Johannes_Paul_IIBodenkuss, Papamobil, Weltreisen: Papst Johannes Paul II. gilt als der Papst, der wie keiner vor ihm die Medien und die Auftritte für seine Anliegen zu nutzen wusste. Petra Dorsch-Jungsberger hat sich wissenschaftlich mit dem Medienpapst auseinandergesetzt, sie ist emeritierte Kommunikationswissenschaftlerin an der Uni München. Das Interview haben wir anlässlich der Seligsprechung geführt, zur Heiligsprechung bieten wir noch einmal einen Blick auf „antäische Magie“ und den Wunsch des Papstes, nicht von oben auf die Menschen herab zu sprechen.
Was von Papst Johannes Paul II. am meisten in Erinnerung bleiben wird, das sind die Fernsehbilder: Der Papst in der Öffentlichkeit, der Papst auf seinen Reisen, der Papst und die Symbolkraft dessen, was er tut.

„Sehr vieles, denke ich, ist inszeniert. Dieses Bild von Mutter Teresa und dem Papst, das ja sehr verbreitet worden ist, das ist natürlich inszeniert, weil es eine feststehende Geste ist.
Der Bodenkuss dagegen, das ist seine eigene „Erfindung“. Keiner weiß, wie er darauf gekommen ist, den Bodenkuss zur Initialgeste eines jeden Besuches zu machen. An sich ist das ja eine ganz heidnische Szene. Die Geste enthält die antäische Magie; das entstammt dem Epos des Herkules, der sich als Gegener diesen Antäus ausgewählt hatte, weil er ihn um die Möglichkeit beneidete, seine körperlichen Kräfte jeweils dadurch zu aktivieren, dass er seine Mutter Gaia, die Erde, küsste. Ich habe mich immer darüber gewundert, dass er diese antäische Magie übernommen hat. Aber es ist ja sehr effektvoll, es ist ein großer Effekt.
Da schreitet jemand die Treppe in einem weißen Gewand herunter, dann ist da der rote Teppich, dann kniet er erst einmal nieder und küsst die Erde. Das ist eine sehr schöne Szene.“

Sie sprechen in ihren Überlegungen zum Papst von so genannten ‚Schemabildern’, sie ab- und aufgerufen werden. Was meinen sie damit?

„Schemabilder – oder zumindest ein Teil dieser Schemabilder – sind archetypische Bilder, wie zum Beispiel die Mutter Gottes mit dem Kind oder das Abendmahl. Die Schemabilder sind daraus abgeleitet. Wenn ein weiß gekleideter Mann oben auf einer Gangway steht, dann ist auch das schon ein Schemabild.
Schemabilder sind natürlich auch die Kommunikationsbilder, wenn der Papst Kindern das Haupt streichelt, dann haben wir hier einen Archetypos: Jugend und Alter, Reife und Werden, Gegenwart und Zukunft. So lassen sich noch viele andere Bilder mit Hilfe dieser Instrumente analysieren.“

Sie sprechen von Inszenieren, das ist ja auch eine Kommunikationsform, eine Art zu sprechen ohne Worte zu benutzen. Würden sie sagen, dass Johannes Paul die Bilder ganz bewusst als Kommunikation eingesetzt hat?

„Ganz bestimmt hat er das. Schon die Auswahl der Bilder spricht dafür, dass er sie auch als ein Instrument seiner Öffentlichkeitsarbeit betrachtet hatte, insofern als er sich in ganz bestimmten Bildern bei den Betrachtern vertraut machen wollte. Er wollte sympathisch erscheinen. Mit den Ski-Bildern wollte er die Brücke zum normalen Alltag eines Ski-fahrenden Menschen schaffen. Mit den Wander-Bildern wollte er die Brücke schlagen zu all denen, die auch wandern.
So entsteht eine Art sozialer Interaktion allein über die Bilder, um die Schwellen, die dazwischen liegen, zu beseitigen.“

Also ist es nicht so, dass das Bild eine Oberfläche bietet, die man nicht durchdringen kann, sondern ein Beziehungsangebot, ein Gesprächsangebot.

„Genau. So sehe ich das. Vorher hatte es das ja nie gegeben. Haben Sie vorher schon einmal einen Papst in einem Ski-Outfit gesehen? Oder in Wanderkleidung?
Oder auch die Jugendbilder des Karol Wojtyla: Dieses wirklich sehr eindrucksvolle Bild, wo er als Minenarbeiter mit nacktem Oberkörper vollkommen lässig an irgendein Gerät gelehnt dasteht; nicht anders als James Dean seinerzeit, als Schema für die aufmüpfige Jugend, ein Bild, was bis heute kursiert. Ich denke, dass das Absicht war, das ist persönliche Bildpolitik gewesen. So wollte er erscheinen, so wollte er bekannt sein: Jemand, der Brücken schlägt.
Er wollte nicht, wie es in den vorhergehenden Pontifikaten überwiegend der Fall gewesen ist, von oben herab zu den Menschen sprechen, sondern er wollte ihnen das Zeichen geben, dass er sich in vieler Hinsicht auf ihrem Niveau bewegt und dass er sich mit ihnen in einen symbolischen Dialog begeben will. ‚Dialog’ war ein wichtiger Begriff, aber was darunter zu verstehen war, wurde eigentlich vom Papst bestimmt. Er bestimmte, was Dialog ist.“

Einer der Grundsätze der Kommunikationswissenschaft sagt, dass das Medium schon die Botschaft ist. Gehört das auch in die Kommunikation von Johannes Paul II., dass in dem Bild, in dem Auftritt, allein schon die Botschaft liegt?

„Das Fernsehen ist in diesem Fall sicher ein großer Teil der Botschaft, weil ohne das Fernsehen diese Veranstaltungen ganz anders ausfallen würden. Mit dem Fernsehen sind die Dimensionen in jedem Fall andere. Von da her ist das, was durch das Fernsehen passiert, medienspezifisch und medienlogisch. Um auf ihre Frage zurück zu kommen würde ich auch sagen, dass das Fernsehen ein Teil der Botschaft ist. Denn ohne Fernsehen könnten sie so ein Gemeinschaftsgefühl, wie es sich ja aus den vielen Übertragungen aus den entferntesten Orten der Welt ergeben hat, gar nicht erzeugen. Man hat es genossen und man hat sich als Teil der Besucher empfunden.“

Abgesehen von der Gemeinschaftsbildung: Was ist noch die Botschaft, die in den Bildern liegt?

„An erster Stelle symbolisiert er natürlich die Nachfolge Petri und den Stellvertreter Gottes auf Erden, den guten Hirten, aber natürlich auch den Lehrer. Er ist viele Rollen in einer Person. Je nach Situation wird dann die eine oder die andere Rolle verstärkt. Manchmal gibt es auch Rollen, die sich verbinden, zum Beispiel bei kirchlichen Gesten.
Man kann den transzendenten Hintergrund dieser Bilder, wenn man katholisch ist, wenn man gläubig ist, gar nicht beiseite schieben.“

Der Vatikan funktioniert ja schon seit Jahrhunderten durch die Wiederholung des Immergleichen, Johannes Paul hat seine Akzente aber unter anderem dadurch gesetzt, dass er sich nicht daran gehalten hat. Beginnend mit der Ansprache nach dem ersten Segen vom Balkon von Sankt Peter, wo er von „unserer gemeinsamen italienischen Sprache“ redet und die Worte „habt keine Angst“ findet. Er hält sich nicht an die Regeln. Er spielt mit dem Charme und scheint zu sagen, dass er dem Vatikan etwas Menschliches bringen will. Ist das etwas Faszinierendes gewesen, dass er die Mauern sozusagen durchlässig gemacht hat?

„Das war das Allergrößte. Die vorhergehenden Päpste waren ja im Vergleich Statuen. Das Erfrischende war ja gerade, dass jetzt plötzlich ein Papst da war, der plötzlich ganz wichtige Dinge anders gemacht hat, der sich anders bewegt hat und der eine Mimik gezeigt hat, die jedem klar gemacht hat, dass da ein Mensch ist: Da lacht einer, da fabuliert jemand, da spielt jemand, da kommuniziert jemand mit allen möglichen Leuten, und zwar mit Händen und mit Ausdruck, mit immer wieder veränderten Kopfhaltungen, spitzbübisch oder auch traurig.
Es war dieser vielfältige menschliche Ausdruck, der sofort angesprochen hat. Er war ja auch gerichtet. Genau das ist dieses Charisma: Er strahlt etwas sehr menschliches aus. Das war ihm im Übermaß gegeben.
Das hat er sicher auch manchmal gezielt eingesetzt. Aber diese Ausstrahlung war etwas ganz Neues. Daran hat man sich gefreut und viele haben sich davon angesprochen gefühlt.“

Papstspezialisten und Journalisten sagen, Papst Benedikt sei ein Papst zum Hören und Johannes Paul sei ein Papst zum sehen gewesen, sie bedienten zwei völlig verschiedene Medien. Johannes Paul hat ja auch nicht wenige Texte hinterlassen, auch kraftvolle Texte, zum Beispiel in den Enzykliken. Sind die Bilder stärker als das, was er gesagt hat?

„Ich denke, was als Faszinosum dieses Papstes Johannes Paul II. bleibt, das ist eben das Charismatische. Das verdeckt auch vieles, was man an Kritik vorbringen könnte.
Was nun Benedikt XVI. anbetrifft, es ist ja nicht so ganz einfach, seine Texte zu verstehen. Man muss schon bereit sein, sich darauf einzulassen. Ich denke, wenn man ihn hört, dann ist auch das keine leichte Aufgabe, denn man muss wirklich sehr genau zuhören. Es gibt viele Gedankenkonstruktionen, die einem Laien nicht vertraut sind. Da würde ich mir im Moment noch kein Urteil erlauben, was Papst Benedikt kommunikativ gesehen am Besten beschreibt.“ (rv)

Vom Leben Johannes XXIII. inspiriert: Franziskus schreibt an Bergamo

Papst Johannes XXIII.Mit einem Brief hat sich Papst Franziskus jetzt an die Heimat-Diözese von Papst Johannes XXIII. gewandt. Darin ruft er die Menschen in Bergamo und Umgebung dazu auf, sich von Angelo Giuseppe Roncallis Leben inspirieren zu lassen. Das Erbe Johannes XXIII. könne noch heute Vorbild sein, die „milde und tröstende Freude der Evangelisierung zu leben“.

Zwei Tage vor der Heiligsprechung von Papst Johannes ist der Brief aus dem Vatikan in der Tageszeitung „Eco di Bergamo“ abgedruckt worden. „Als das Papstamt ihn weit von euch weg geführt hat, hat er stets über diese Zeitung die Stimme und den Ruf seiner Heimat vernommen“, schreibt Franziskus den Bewohnern Bergamos. Er lädt sie ein, dankbar zu sein für das „große Geschenk“, das Roncalli für die Weltkirche gewesen sei. Seine Heiligsprechung jetzt am Wochenende nennt Franziskus darum eine „besondere Freude“. Mit Johannes XXIII. seien auch seine Heimatgemeinde Sotto il Monte und die Stadt Bergamo in aller Welt bekannt geworden. Noch heute, fünfzig Jahre nach dem Tod des „Papa Buono“, verbinde die Weltkirche beide Orte mit dem Lächeln und der Zärtlichkeit Roncallis.

Zu einem Dorfbrunnen werden

In seinem Brief ruft Franziskus die „Freunde in Bergamo“ auch dazu auf, die Erinnerung an ihren Papst zu bewahren. Die Welt habe sich seit dem Tod von Johannes XXIII. zwar sehr verändert, und die Kirche stehe jetzt vor ganz neuen Herausforderungen, aber trotzdem: Das Erbe Johannes XXII. könne die Kirche auch heute noch „inspirieren, Wegbegleiter eines jeden Menschen“ zu sein. Jeder Bürger Bergamos solle „zu einem Dorfbrunnen werden, von dem jeder frisches Wasser des Evangeliums schöpfen kann“. Das Leben Roncallis solle Vorbild sein, um Wege für ein brüderliches Zusammenleben zu finden. In dem, was Johannes XXIII. geschaffen habe, könnten die Bürger Bergamos neue und zeitgemäße Möglichkeiten finden, um gemeinsam in Solidarität zusammen zu leben, so Franziskus. Er appelliert an die Leser, die Heimat Roncallis als einen Ort zu bewahren, an dem tiefes Vertrauen im Alltag gelebt werde und wo die Gemeinschaft in der Lage sei, „in aller Einfachheit zu teilen“. (rv)

Der Jesuit Spadaro über den „offenen Stil“ des Papstes

La Civilta CattolicaSie sind das „schlagende Herz“ des päpstlichen Lehramtes – so beschreibt der italienische Jesuit und Chefredakteur der Zeitschrift „la Civiltà Cattolica“ Antonio Spadaro die Morgenpredigten von Papst Franziskus. Er hat die Meditationen des Papstes gesammelt und daraus ein Buch gemacht, das in dieser Woche in Italien erscheint. Pater Spadaro sagte dazu gegenüber Radio Vatikan:

„Was mich fasziniert hat, ist die Tatsache, dass diese Predigten dem ursprünglichen Denken des Papstes entsprechen und keiner Theorie. Ich habe also eine thematische Gestaltung dieser Predigten von vornherein verworfen und mich dafür entschieden, sie in der Reihenfolge zu bringen, wie sie gehalten wurden, chronologisch. Die Santa Marta-Predigten sind wirklich das schlagende Herz des päpstlichen Dienstes. Das sind Schlüsselthemen und Schlüsselworte, die dann auch in die offizielleren Reden einfließen und die aus einem Gespräch mit dem Volk Gottes in eben diesen Predigten hervorkommen.“

Erst vor wenigen Tagen hat der Papst zu einer „Theologie des unabgeschlossenen Denkens“ aufgerufen. Laut Spadaro ist der offene Stil der päpstlichen Morgenpredigten auch der besonderen Situation geschuldet, in der Franziskus diese Meditationen hält: Er lege bei diesen Meditationen Wert auf die Begegnung und eine familiäre Atmosphäre.

„Das ist ein sehr frischer, unmittelbarer Stil, an die Menschen angepasst. Wir haben es da ohne Zweifel mit starken Inhalten zu tun, die aber mit einer großen Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen, die der Papst vor sich hat, vorgebracht werden. Seine Sprache ist eine einfache, doch sehr einschneidende Sprache, die reich an Bildern und poetisch ist; eine Sprache, die dazu fähig ist, auf authentische Weise Bilder entstehen zu lassen, die Menschen berühren und die das Wort Gottes lebendig machen.“

Der diskursive Stil des Papstes in den Morgenpredigten sei auch der Grund dafür, warum die Meditationen nicht in einer vollständigen Text- und Audioversion publiziert werden, so der Jesuit weiter. „Wahrheit ist eine Begegnung. Die Santa Marta-Predigten“ heißt das Buch von Antonio Spadaro, das in dieser Woche auf Italienisch erscheint. Zugleich erscheinen die Predigten auch auf deutsch, im Freiburger Herder Verlag. (rv)

Heiligsprechungen nach vereinfachtem Ritus

Pater Lombardi PressekonferenzDer Vatikan hat an diesem Donnerstag Details zur liturgischen Gestaltung der Heiligsprechungsfeierlichkeiten am kommenden Sonntag bekanntgegeben. Die Kanonisierung der beiden Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. findet nach dem vereinfachten Ritus statt, der 2005 von Papst Benedikt XVI. eingeführt wurde, erklärte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi in einer Pressekonferenz.

„Die Heiligsprechungsfeier beginnt mit der Prozession und der Heiligenlitanei, dann wird der Altar mit Weihrauch vorbereitet. Danach folgt sofort die Kanonisierung, der eigentliche Ritus der Heiligsprechung – dies ist der erste Teil der Feier. Der Ritus ist ziemlich vereinfacht worden.“

Im Gegensatz zu der zuvor üblichen Praxis sieht der vereinfachte Ritus die Heiligsprechung der beiden Päpste also bereits vor der Eucharistiefeier vor. Ziel der Änderung war es, die Einheit der Eucharistiefeier zu erhalten. Zu den damals auf den Weg gebrachten Neuerungen gehört weiter die mehrfache Petitio: Der Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, Kardinal Angelo Amato, tritt zusammen mit den Postulatoren vor den Papst und ersucht ihn drei Mal um die Heiligsprechung der beiden seligen Päpste. Dazu Lombardi:

Drei Mal, um die Bedeutung dieser Feierlichkeit zu unterstreichen – bei einer Seligsprechung gibt es ja nur eine Petitio, bei der Heiligsprechung sind es drei.“

Danach wird der Papst feierlich die Kanonisierungsformel verlesen – dies ist das Herzstück des Ritus, bei dem in besonderer Weise die päpstliche Autorität zum Ausdruck kommt.

„In dieser Formel drückt der Papst seine ganze Autorität als Kirchenoberhaupt und als ,Oberster Brückenbauer’ aus.“

Durch das Verlesen der Formel schreibt der Papst gewissermassen die beiden Namen seiner Vorgänger in das Verzeichnis der Heiligen ein. Damit sind beide Päpste offiziell heilig und können in der Weltkirche als solche verehrt werden. Bei einer Seligsprechung ist offiziell nur eine lokale Verehrung erlaubt.

Im Anschluss an den Ritus werden Reliquien der beiden Päpste unter feierlicher Musik in zwei gleich aussehenden Behältern zum Altar getragen: Bei Johannes Paul handelt es sich um die Blutreliquie, die schon bei der Seligsprechung zur Anbetung präsentiert wurde, von Johannes XXIII. werde ein Hautstück verwendet, so Lombardi. Die Reliquien des Konzilspapstes würden von Verwandten getragen, wer das Reliquiar von Johannes Paul II. trage, sei noch nicht entschieden, so der Sprecher.

Danach gehe die Messfeier weiter, so Lombardi. Wie bei wichtigen Feierlichkeiten üblich, werde das Evangelium auf Latein verlesen. Nach dem abschließenden Regina Coeli werde der Papst die Delegationen aus aller Welt auf dem Petersplatz – nicht in der Basilika, wie sonst üblich – begrüßen. 93 internationale Delegationen hätten sich für die Feierlichkeiten angemeldet, darunter seien neben Politikern auch andere Religionsvertreter. Der Sprecher betonte aber, dass der Vatikan keine Einladungen verschickt habe. Der Heilige Stuhl habe lediglich über das Ereignis informiert, die Gäste hätten sich daraufhin angemeldet. Ob der emeritierte Papst Benedikt XVI. erscheinen werde, konnte Lombardi nicht sagen. Zum Abschluss der Feier werde Franziskus eine Runde im Jeep auf dem Petersplatz drehen und die Gläubigen begrüßen, so Lombardi.

Dass zur Einstimmung auf die Heiligsprechung bereits in der Nacht auf Sonntag in der ganzen Stadt Gebetswachen stattfinden, daran erinnerte auf der Pressekonferenz Don Walter Insero vom Vikariat Rom:

„Wir wollten, dass die Stadt, dass vor allem die Kirchen des Zentrums, den Pilgern spirituelle Gastfreundschaft gewähren. Geschlafen wird nicht, sondern es herrscht Erwartung auf das große Ereignis. Wer ankommt, kann beten und sich so auf die Inhalte der Heiligsprechung vom Sonntag vorbereiten, mit entsprechenden Texten. Es wird verschiedene Gruppen geben, die die Gebete in verschiedenen Sprachen leiten.“ (rv)

Historiker: „Papst Pauls Heiliglandreise nicht an heutigen Maßstäben messbar“

Gudrun SailerIn einem Monat reist Papst Franziskus ins Heilige Land. So wie vor 50 Jahren Papst Paul VI. wird er drei Tage lang – von 24. bis 26. Mai – die Stätten Jesu aufsuchen. Das Programm, das Franziskus absolvieren wird, fällt aber anders aus als das seines Vorgängers anno 1964. Denn in diesen 50 Jahren kam es zu erheblichen Akzentverschiebungen gerade bei Heiliglandreisen der Päpste. Aus heutiger Sicht mutet die Visite Paul VI. in ihren einzelnen Schritten, Bildern und Programmpunkten revolutionär und zugleich seltsam veraltet an. Der in Potsdam lehrende Historiker Thomas Brechenmacher warnt davor, die Maßstäbe von 2014 an Papst Pauls Heiliglandreise vor 50 Jahren anzulegen. Gudrun Sailer sprach mit ihm.

„Wir sehen das heute im Jahr 2014 vor dem Hintergrund schon etablierter Papstreisen. Papstreisen sind etwas Normales heutzutage, es ist von einem Papst verlangt, dass er reist. Das war 1964 anders. Es ist die erste Papstreise modernen Typus. Seit 150 Jahren hatte kein Papst Italien verlassen. Das zweite Überraschende war das Ziel: eine Reise ins Heilige Land – zu den Ursprüngen des Christentums, in diese politisch extrem zerklüftete und auch gefährliche Gegend. Drittes Staunen: das theologische oder kirchengeschichtliche Hauptereignis der Reise, die Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras, die dazu geführt hat, dass ein Jahrhunderte langes Schweigen zwischen den Kirchen des Westens und den Orthodoxen Kirchen des Ostens beendet wurde.“

Sie sagen, von der heutigen Warte aus würde man dazu neigen, diese Reise auch in einer Optik der Defizite zu sehen. Was fehlt denn aus unserer Sicht heute an dieser Papstvisite vor 50 Jahren?

„Wenn man auf die Reise Johannes Paul II. blickt oder auch auf jene von Benedikts ins Heilige Land, fallen sofort die Bilder ins Auge das Bild: der Papst an der Klagemauer, der Papst in Yad Vashem. Die Auseinandersetzung mit Schuld, historischer Verantwortung, der Dialog, das Zugehen, die offene Seite gegenüber den anderen monotheistischen Religionen, speziell dem Judentum. Das war alles 1964 zwar auch vorhanden, aber nicht in einer Art, wie wir es heute erwarten würden. Es gab keinen Papst an der Klagemauer und keinen Papst in Yad Vashem. Zur Holocaust-Gedenkstätte ging ein Vertreter des Papstes. Wenn wir das von heute her sehen, denken wir, das kann doch nicht sein.“

Eine Frage der Anerkennung

Alle Päpste, die bisher ins Heilige Land gereist sind, bis hin zu Franziskus, dessen Reise bevorsteht, haben ihre Besuche dort als Pilgerreisen deklariert. Das kann aber natürlich nur die halbe Wahrheit sein: Wenn Päpste reisen, ist das niemals bloß Privatsache. Welchen politischen Rahmen hatte die Visite Paul VI. mit Blick auf Israel?

„Nahost, zerklüftet, politisch gespalten. In Palästina die Zweistaatlichkeit; Jordanien im Besitz der Altstadt von Jerusalem, auf der anderen Seite Israel, zwei verfeindete Staaten. Beide Staaten verfügten nicht über diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Aber auf beiden Seiten waren die Erwartungen sehr hoch bezüglich der politischen Ergebnisse der Reise, und zwar in Bezug auf die Frage: werden wir jetzt vom Heiligen Stuhl, vom Papst anerkannt. Das war für Israel noch wichtiger als für Jordanien. Bedeutet die Anwesenheit des Papstes in unserem Land, dass nun der Heilige Stuhl Israel als legitimen Staat auf dem Boden des Heiligen Landes anerkennt?“

Und wie wurde das gelesen?

„Die führenden israelischen Politiker haben das tatsächlich so interpretiert, allein die Anwesenheit des Papstes in unserem Land bedeutet, dass er es de facto anerkennt, auch wenn noch keine de jure Anerkennung vorlag. Das war eine gewagte Interpretation, denn auf der anderen Seite entstanden ja gerade Frustrationen über diese Reise dadurch, dass Papst Paul VI. kein einziges Mal den Namen des Staates Israel in den Mund genommen hat und dass er kein einziges Mal den Präsidenten des Staates angesprochen hat mit „Herr Präsident“, sondern immer mit der neutralen Formulierung „Exzellenz“; dass er also nie direkt Bezug genommen hat auf diesen Staat. Trotzdem die Interpretation: Nein, das ist alles zweitrangig. Erstrangig ist, der Papst ist hier, und das bedeutet, wir werden de facto anerkannt.“

Keine interreligiösen Gespräche

Gespräche mit Vertretern des Islam und Judentums fanden vor 50 Jahren nicht statt. Stieß das nirgendwo auf Unverständnis?

„Es gab Kritik von unterschiedlichen Gruppen. Es gab diverse Rabbiner, die argumentiert haben, der Papst spricht gar nicht zu uns, obwohl er auch eine historische Schuld abzuarbeiten hätte. Auf der anderen Seite gab es gerade auf der Orthodoxie Strömungen, die ganz anders herum argumentiert haben: Wozu sollen wir denn mit dem Papst sprechen? Dazu besteht doch gar keine Veranlassung, wir lehnen das ab. Ein orthodoxer Rabbiner hat einen Eklat damit provoziert indem er erklärte, ich werde daran nicht teilnehmen. Die Sache ist in unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich gelagert, aber es gab Kritik an dem ausbleibenden Gespräch. Doch auch hier muss man sagen, man darf nicht von unserer Situation heute ausgehen. Wir haben einen längst etablierten christlich-jüdischen Dialog, den es zu jener Zeit noch gar nicht gab, es fehlten die Formen, es fehlten die Routinen. So gesehen war dieser Besuch bei allen Defiziten natürlich ein Anfang, ein erstes Zeichen.“

Die Reise fand eineinhalb Jahre vor der Veröffentlichung der Konzilserklärung „Nostra Aetate“ statt, das die Beziehungen zu den Religionen, gerade auch zum Judentum, auf eine neue Basis stellte. Hatte die Reise ins Heilige Land Auswirkungen darauf, oder war sie als Vorab-Signal für eine größere religiöse Toleranz der Katholischen Kirche überhaupt zu verstehen?

„Die Konzilserklärung war in Bearbeitung. Wir befinden uns im Winter 1963/1964, die zweite Sitzungsperiode des Konzils war abgeschlossen. Der Papstwechsel hatte einige Monate vorher stattgefunden. Durch Johannes XXIII. war diese Aufgabe angegangen worden, das Sekretariat von Kardinal Augustin Bea, das damit beauftrag war, Entwürfe auszuarbeiten, hatte die Arbeit begonnen. Aber auf dem Konzil selbst ist die Frage der Konzilserklärung über das Judentum noch nicht intensiv diskutiert worden. Das hing so in der Schwebe in der zweiten Sitzungsperiode und wurde in der dritten wieder aufgenommen. Von Seiten des neuen Papstes war das ein klares Bekenntnis, indem er sagt, eine meiner ersten Aktionen ist, ich fahre ins Heilige Land. Damit war klar, er ist ebenfalls dafür, dass eine Konzilserklärung über das Judentum ausgearbeitet werden soll. Das hatte eine katalysatorische Wirkung, und wenn man auf die Geschichte der Konzilsdeklaration sieht, sieht man, im Konzil gab es heftige Gegenströmungen, und es ist unter anderem Paul VI. gewesen, der am Schluss ausschlaggebend war, dass die Konzilserklärung verabschiedet wurde.“

Das Holocaust-Gedenken: 1964 nur ein Randelement

Zum Religionspolitischen: 1964 bei der Papstreise lagen die Gräuel der Shoah erst 20 Jahre zurück. Erst auf Anregung Israels wurde zu diesem heiklen Thema ein kurzer symbolischer Akt des Holocaustgedenkens ins Programm genommen, wenn auch nicht ins Programm des Papstes. Wie lief das?

„Wir kennen die israelischen Dokumente zu diesem Thema, nicht aber die vatikanischen. Wir haben also nur die halbe Seite der Geschichte. Ausgehend von den israelischen Dokumenten sieht es so aus, dass diese Idee von den israelischen Politikern über einen jüdischen Generalkonsul in Mailand in Richtung Vatikan gespielt wurde. Die argumentierten, der Papst ist nun in Israel, es wäre die Krönung, wenn er eine Holocaust-Gedenkstätte besichtigen würde. Diese Idee wurde lanciert, das können wir nachvollziehen. Die Idee war, der Papst selber soll das machen. Am Ende ist aber nicht der Papst gegangen, sondern er hat den Stellvertreter Kardinal Tisserant geschickt, die Idee wurde also im Planungsstab aufgenommen, aber sie wurde verändert. Grundsätzlich hatten aber alle einen großen Respekt vor dem gedrängten Programm. Elf Stunden auf israelischem Boden. Und man sagte, man respektiert das, der Papst will eine Pilgerreise machen, es ist ein geistliches Programm, und jedes Zeichen, das er setzt, ist willkommen. Die Lösung war dieses Zeichen: Kardinal Tisserant geht in die Gedenkstätte, nicht Yad Vashem, das war der sogenannte Trauerkeller in der Nähe des Zionsberges, das lag auf der Veranstaltungsroute des Papstes.“

Noch ein Element dieser Reise, das aus heutiger Sicht erstaunt: Paul VI. hat in Israel seinen Vorgänger Pius XII. ausdrücklich für sein Vorgehen im Holocaust verteidigte. Rolfs Hochhuths „Stellvertreter“ war 1963 erschienen, ein Theaterstück, das höchst öffentlichkeitswirksam Pius für sein Schweigen zur Judenverfolgung geißelte. Paul VI. Montini war zur Zeit des Kriegs ein wichtiger Mitarbeiter von Pius im Staatssekretariat gewesen, und er fühlte die Notwendigkeit, Pius zu verteidigen. Wie haben die israelischen Stellen darauf reagiert?

„Das war schon ein eigenartiges Ereignis: Kurz vor dem Verlassen des Staates Israel am Abend dieses 5. Januar bei der Abschiedsrede kommt Paul VI. auf Pius zu sprechen und verteidigt ihn gegen Hochhuth. Das ist unterschiedlich interpretiert worden und auch noch heute rückblickend ein großer Streitpunkt bei dieser Reise. Manche haben gesagt, das hätte er sich nicht erlauben dürfen, das sei eine Apologie gewesen, und damit hätte er die Leiden des jüdischen Volkes relativiert. Das sind aber die Stimmen einzelner gewesen. Im Großen und Ganzen kann man nachvollziehen aus den israelischen Dokumenten, vor allem auch bei den Regierungspolitikern, hat man etwas gestutzt darüber, bei genauerem Nachdenken sagte man aber auch, nun, das ist ja der Vorwurf eines deutschen Autors gewesen, von jüdischer Seite ist diese Kritik ja so gar nicht geäußert worden, und wenn der Papst es für so wichtig hält, dass er es hier in Jerusalem an diesem zentralen Ort darüber spricht, dann bedeutet das doch eigentlich, er erkennt uns an. Es ist wieder in diesem Koordinatensystem abgebucht worden, man hat gesagt, wenn der so was Wichtiges für hier sagt, dann bedeutet das, er nimmt uns ernst. Das bedeutet wiederum, er erkennt Israel an, und noch mehr, den israelischen Führungsanspruch für alle Juden der Welt. Israelische Politiker haben deutlich gesagt, einen besseren Beweis dafür konnte der Papst gar nicht liefern, dass er eben das jüdische Volk im Staat Israel anerkennt in seiner Führungsposition für alle Juden in aller Welt. Das kommt uns heute merkwürdig vor, weil wir dieses Denken nicht mehr so nachvollziehen können, aber dafür gibt es klare Belege.“

„Ein unvollkommener Anfang, aber ein Anfang“

Welche Bilanz lässt sich aus heutiger Sicht auf die Reise Pauls VI. ins Heilige Land vor 50 Jahren ziehen?

„Hauptertrag natürlich theologisch der Dialog mit der Orthodoxie. Das ist der wichtigste Punkt. Wir neigen dazu, Israel in den Mittelpunkt zu stellen. Für den Dialog mit den Ostkirchen ist das zentral gewesen und übrigens dann auch für die Fortsetzung des Konzils. Zweiter Punkt: Es formiert sich ein neues Bild des Papsttums. Ein reisender Papst. Das macht Paul VI. dann auch weiter, er spricht vor der UNO, reist nach Indien. Für die Beziehungen zum Judentum ist es denke ich auch ein wichtiger Meilenstein. Einer der israelischen Politiker hat einmal gesagt, hier hat zum ersten Mal das Oberhaupt der katholischen Kirche auf gleicher Augenhöhe gesprochen mit Vertretern des Judentums. Eine Verständigung auf gleicher Augenhöhe findet hier zum ersten Mal statt. Das was wir heute christlich-jüdischen Dialog nennen, war noch vielen Rückschlägen und Verzögerungen ausgesetzt, bis es dann zu den großen Schuldbitten Johanns Pauls II. im Jahr 2000 kam. Da sind noch einige Jahrzehnte vergangen. Dennoch war es ein Anfang. So unvollkommen dieser Anfang war, er war ein Anfang, der alles weitere nach sich gezogen hat, das was Johanns Paul für den Ausbau des Dialogs geleistet hat, was auch Benedikt XVI. geleistet hat, lebt auch und bezieht sich auch immer zurück auf diesen Anfang des Jahres 1964.“ (rv)

Heiligsprechung: Nicht nostalgisch werden!

Papst Johannes XXIII.Bald ist er heilig gesprochen: Angelo Giuseppe Roncalli, Papst Johannes XXIII. Sein Leben war von Milde und Güte gezeichnet, die Italiener nannten ihn den „Papa Buono“, den guten Papst. Kirchengeschichtlich bedeutend waren seine Initiativen zur Reform der Kirche. Dazu zählt vor allem die historische Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das 1962 bis1965 tagte und eine Veränderung und Annäherung der kirchlichen Vision an die damalige Welt zur Folge hatte.

Das betont auch Kardinal Loris Francesco Capovilla. Der heute 98-jährige Kardinal war langjähriger Privatsekretär von Papst Johannes XXIII. In einem Interview mit Radio Vatikan erklärt er, dass es Gemeinsamkeiten gibt, zwischen Papst Franziskus und Papst Johannes XXIII. Beide wollen die Kirche verändern. Papst Franziskus bringe uns die Nachricht von Jesus durch sein „Evangelii Gaudium“.

„Papst Franziskus nähert sich uns an, nimmt uns an die Hand. Er zwingt uns nicht mit ihm zu gehen – er überzeugt uns.“

Das schaffe er dank seiner Erfahrungen als Jesuit und durch seine argentinischen Wurzeln, seine Herkunft, seine Kultur. In Bezug auf die Heiligsprechung von Papst Johannes XXIII. meint der Kardinal, es sei wichtig, nicht nostalgisch zu werden, sondern nach vorne zu blicken – auf etwas Neues, auf eine Veränderung.

„Ich meine, dass wir nicht von Heiligen, Reliquien oder Museen beschützt werden. So hat es auch Papst Johannes gesagt. Wir sind dazu berufen, einen Garten zu hüten, wo die Samen des Wortes, des fleischgewordenen Wortes wachsen. Wir sollen diesen Garten bepflanzen, die Erneuerung von Pfingsten und Ostern ermöglichen. Ein neuer Frühling. Und nicht zum eigenen Vergnügen, aber zum Vergnügen der ganzen Menschheit. Wir sind noch auf dem Weg, wir sind noch nicht auf der Hälfte des Weges angekommen. Die Straße ist noch lang.“

Das Evangelium helfe, seiner Meinung nach, die Straße zu gehen unter der Führung des neuen Papstes.

„Wie schön ist es den Papst jeden Tag zu hören, fast jeden Tag, dass Jesus niemanden zurückweist, und auf alle wartet.“

Zehn Jahre arbeitete er für Papst Johannes XXIII. und es war Capovilla immer eine Freude und Ehre. Er war ein Mann, der von Gott geführt wurde, so der Kardinal. Der Tag der Heiligsprechung am 27. April ist für ihn ein normaler Tag – aber auch ein Feiertag.

„Ein Tag in unserem Kalender, da jeder Tag im christlichen Kalender ein Feiertag ist. Für denjenigen, der glaubt ist immer Feiertag, immer Ostern, immer Auferstehung.“ (rv)

Der Kreuzweg am Kolosseum: Die Schwere und die Herrlichkeit des Kreuzes

ColloseumZehntausende Gläubige haben an diesem Karfreitag Abend mit dem Papst den traditionellen Kreuzweg am Kolosseum gebetet. Die Meditationen stammten in diesem Jahr von dem italienischen Erzbischof Giancarlo Maria Bregantini von Campobasso-Boiano, der als exponierter Gegner der Mafia bekannt ist. Ausgehend von den 14 Stationen Jesu – vom Todesurteil bis zur Grablege – sprachen die Texte vom Kreuzweg der Arbeitslosen, der Flüchtlinge, der Todkranken, der versklavten Frauen, der Mütter drogenkranker Kinder.

„Gott hat dem Kreuz Jesu alle Last unserer Sünden, alle Ungerechtigkeiten aller Kaine gegen ihre Brüder, alle Bitterkeiten unseres Judas-Verrates und unserer Petrus-Verleugnungen, alle Eitelkeiten der Mächtigen, alle Arroganz der falschen Freunde auferlegt“, so Papst Franziskus am Ende des Kreuzweges. „Es war ein schweres Kreuz, schwer wie die Nacht eines verlassenen Menschen, schwer wie der Tod eines lieben Freundes, schwer weil es die ganze Hässlichkeit des Bösen auf sich nimmt.“

Im Kreuz zeige sich die gesamte Liebe Gottes, der viel größer sei als unsere Bosheit und unser Verrat. „Im Kreuz sehen wie wir die Scheußlichkeit des Menschen, wenn er sich vom Bösen führen lässt, aber wir sehen auch die Unermesslichkeit der Barmherzigkeit Gottes, der uns nicht nach unseren Sünden behandelt, sondern nach dieser seiner Barmherzigkeit.“

Meditationen über die Welt

Im Inneren des Kolosseum waren wie jedes Jahr die 14 Stationen aufgebaut; das Kreuz übernahmen an jeder Station wechselnde Träger, darunter ein Paar, das aus einem Arbeiter und einem Unternehmer bestand, sowie zwei Ausländer, zwei Obdachlose, zwei Häftlinge, eine Familie, zwei Frauen, zwei Kinder und zwei alte Menschen.

Wenn Jesus das Kreuz auf sich nimmt und unter ihm wankt, dann ist das auch „die Last all der Ungerechtigkeiten, die zur Wirtschaftskrise mit ihren schwerwiegenden sozialen Folgen geführt haben“; heißt es in der Meditation zur zweiten Station:

„Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Entlassungen, Geld, das regiert, anstatt zu dienen, Finanzspekulation, Freitod von Unternehmern, Korruption und Wucher, Auswanderung der Unternehmen. Das ist das schwere Kreuz der Arbeitswelt, die Ungerechtigkeit, die den Arbeitern aufgeladen wird. Jesus nimmt es auf seine Schultern und lehrt uns, nicht mehr in der Ungerechtigkeit zu leben, sondern mit seiner Hilfe fähig zu werden, Brücken der Solidarität und der Hoffnung zu bauen, damit wir weder umherirrende noch verlorene Schafe sind.“

In den Tränen Marias, der Mutter Jesu, erklinge auch „die herzzerreißende Klage der Mütter um ihre Kinder, die an Tumoren sterben, deren Ursache die Verbrennung giftiger Abfälle ist“. Zu weinen gelte es auch über jene Männer, die Gewalt an Frauen verüben, und über die „Frauen, die durch Angst und Ausbeutung versklavt sind“. Mitleid allein reiche da aber nicht aus, heißt es weiter: „Jesus ist anspruchsvoller. Die Frauen müssen beruhigt und ermutigt werden, sie müssen geliebt werden als ein unverletzliches Geschenk für die ganze Menschheit.“ Die Tränen des Mitleids können dann fruchtbar sein, wenn sie für „teilnahmsvollen Schmerz“ stehen, so der Meditationstext: Jesu wolle keine „weinerliche Bemitleidung. Keine Klagen mehr, sondern Wille zur Neugeburt, zum Blick nach vorn.“ Das Kreuz werde leichter, wenn es mit Jesus getragen und von allen gemeinsam hochgehoben wird.

„Kämpfen wir gemeinsam, … indem wir die Achtung gegenüber der Politik zurückgewinnen und versuchen, gemeinsam aus den Problemen herauszukommen.“

Jesus helfe uns mit seiner inneren Kraft, die er vom Vater erhält, auch dabei, dem Fremden unsere Tür zu öffnen. „Im Bewusstsein unserer eigenen Schwäche werden wir die Einwanderer in ihrer Schwäche bei uns aufnehmen, damit sie Sicherheit und Hoffnung gewinnen.“ Erzbischof Bregantini erinnerte in seinen Meditationen auch an das Leid der Häftlinge, denen wir es nicht erlauben, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, sowie an die Praxis der Folter in Gefängnissen.

„In jedem Gefängnis, bei jedem Gefolterten ist er, der leidende, gefangene und gefolterte Christus immer gegenwärtig.“

Jesus wird ans Kreuz genagelt: Auch heute seien viele Menschen gefesselt wie Jesus – an ein Krankenbett, heißt es in der elften Station.

„Möge sich unsere Hand niemals erheben, um zu peinigen, sondern immer, um den Kranken Nähe zu schenken, sie zu trösten und zu begleiten und sie aus ihrem Krankenbett wieder aufzurichten. Nur wenn wir an unserer Seite jemanden finden, der sich an unser Bett setzt, nur dann kann die Krankheit eine große Schule der Weisheit, eine Begegnung mit dem geduldigen Gott werden.“

Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt: Pietà, das bedeutet, „jenen Brüdern und Schwestern nahe zu sein, die in ihrer Trauer keinen Frieden finden.“

Die Kraft der Hoffnung und Liebe

„Vor dem Kreuz Jesu können wir fast mit den Fingern anfassen, dass wir bin in alle Ewigkeit geliebt sind“, schloss der Papst die Meditationen in einer kurzen Ansprache. Vor dem Kreuz fühle man sich als Kind, nicht als Sache oder Objekt. „Denken wir also gemeinsam an die Kranken, erinnern wir uns an die verlassenen Menschen unter der Last des Kreuzes, auf dass wir in der Prüfung des Kreuzes die Kraft der Hoffnung finden, der Hoffnung auf die Auferstehung und der Liebe in Gott.“

Franziskus leitete die Andacht vom gegenüberliegenden Palatin-Hügel aus und segnete am Ende die Anwesenden. Der Kreuzweg am Kolosseum fand in diesem Jahr zum 50. Mal in neuerer Zeit statt. Die Päpste seit Paul VI. meditieren die Via Crucis seit 1964 immer am Karfreitag am römischen Kolosseum. Diese Tradition setzte somit während des II. Vatikanischen Konzils neu ein. Davor hatten die Päpste auch zwischen 1750 und 1870 den Kreuzweg am Kolosseum gebetet. (rv)

Jerusalem: Voll, aber friedlich

Via DolorosaGläubige und Pilger aus der ganzen Welt kommen in das Heilige Land, um die religiösen Feiern in der Grabeskirche zu verfolgen, Christen aller Konfessionen sind am Karfreitag dort, um mit Holzkreuzen den Leidensweg Jesu – die Via Dolorosa – nachzuempfinden. Dieses Jahr überlagern sich die religiösen Feste in Jerusalem. Trotz unterschiedlicher Kalendersysteme feiern die Christen der Ost- und Westkirche zur selben Zeit Ostern und zusätzlich die Juden ihr Pessach-Fest. Alle wollen nach Jerusalem! Der Journalist Ulrich Sahm ist vor Ort und hat in einem Interview mit dem Domradio vom Ausnahmezustand erzählt:

„Da steht natürlich das ganze Land Kopf. In diesen Tagen werden in einem Land von einer Bevölkerung von nur acht Millionen Menschen eine Million Menschen allein den Flughafen passieren. Pilger, die kommen und Israelis, die in den Pessach-Urlaub irgendwohin fliegen, in die Türkei oder anderswohin. Die Polizei steht Kopf, weil fürchterliche Staus erwartet werden. Insofern ist es furchtbar.“

Es ist selten, dass Ostern der West- und Ostkirche an einem Termin zusammenfallen. Das passiert erst wieder 2017 und dann wieder 2025. Warum? West- und Ostkirche konnten sich bisher nicht auf ein gemeinsames Datum für die Feier der Auferstehung Christi einigen. In den meisten orthodoxen Kirchen richtet sich die Lage der Festtage nach dem alten Julianischen Kalender und nicht nach dem Gregorianischen Kalender, den Papst Gregor XIII. im 16. Jahrhundert im Zug seiner Kalenderreform einführte. Dieser gemeinsame und große Ansturm der Gläubigen führt in Jerusalem zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen, kontrollierten Zugängen in der Altstadt und schließlich auch zu Beschränkungen am Tempelberg. In den vergangenen Tagen ist es zu Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischer Polizei gekommen, gefährlich sei es aber nicht, so Ulrich Sahm.

„Anschläge, würde ich sagen, kann man fast ausschließen. Es gibt Spannungen auf dem Tempelberg, zum Beispiel haben dann die Israelis beschlossen, dass keine Touristen und keine Juden auf den Tempelberg steigen dürfen und dass nur Frauen und Männer über 50 mit israelischem Ausweis dort beten gehen dürfen. Also, es wird versucht, da auch diese Spannungen ein wenig zu mindern, zu lindern. Anschläge werden eigentlich nicht erwartet. Es hat ja schon einige Jahre lang keine richtigen großen Anschläge mehr gegeben, Selbstmordattentate oder dergleichen. Insofern ist Jerusalem eigentlich ein sehr ruhiger Fleck geworden, auch wenn es fürchterlich voll ist.“

Den Ostergottesdienst feiern die Katholiken in der Grabeskirche aufgrund des besonderen Zeitplans der unterschiedlichen Religionen bereits am frühen Samstagmorgen. Laut Sahm kann es passieren, dass durch die Absperrungen und Kontrollen auch einige Christen, die aus fernen Ländern wie Äthiopien angereist sind, bei der Osterzeremonie nicht teilnehmen können. Er befürchte aber keine großen Auseinandersetzungen:

„Da gibt es nun einen so genannten Status quo, das heißt Regeln, die sind über 300 Jahre alt, die aufgestellt worden sind und die dafür sorgen, dass jede religiöse Gemeinschaft, Kirche, Konfession, dass jeder an seinen Altären genau zu festgelegten Zeiten betet oder Gottesdienste feiert, dass die Prozessionen eine nach der anderen abgehalten werden, damit es da nicht zu Zusammenstößen kommt. Es gibt manchmal Prügeleien, weil bei manchen die Uhren nicht so ganz richtig gehen. Aber dafür ist ja Polizei präsent und die sorgt dann dafür, die Streithähne auseinanderzutreiben.“
(rv)

Mit dem Papst Ostern feiern: Liturgien und Übertragungen

VatikanplatzDas Osterfest, der Höhepunkt des Kirchenjahres, ist auch liturgisch im Vatikan eine der erfülltesten Zeiten. Papst Franziskus wird in den kommenden Tagen nicht weniger als sieben Liturgien feiern. Am Gründonnerstag, dem 17. April, zelebriert der Papst die Chrisam-Messe im Petersdom, die Radio Vatikan ab 9.30 Uhr überträgt. Abends begibt sich der Papst in ein Therapiezentrum für Menschen mit Behinderung, dort feiert er die Abendmahls-Messe mit Fußwaschung. Im vergangenen Jahr war er in einem Jugendgefängnis, dort hatte es keine Übertragung gegeben, in diesem Jahr können Sie dem Gottesdienst ab 17.30 Uhr bei Radio Vatikan folgen.

Die Feier vom Leiden und Sterben Jesu sendet Radio Vatikan am Karfreitag, dem 18. April, ab 17.00 Uhr live aus dem Petersdom. Ab 21.15 Uhr betet Franziskus am Kolosseum traditionell den Kreuzweg, auch das live bei uns. Die Texte für diese Feier stammen von einem italienischen Bischof, der vor allem als Gegner der Mafia bekannt geworden ist. In den Texten geht es um die Wirtschaftskrise, um Finanzspekulation, Rassismus und Arbeitslosigkeit.

Am Samstag, dem 19. April, sendet Radio Vatikan ab 20.30 Uhr die Osternacht mit Papst Franziskus. Am Ostersonntag, dem 20. April, wird ab 10.15 Uhr das Pontifikalamt mit dem Papst vom Petersplatz übertragen, um 12.00 Uhr folgt der Segen „Urbi et Orbi“ („der Stadt und dem Erdkreis“) von der Mittelloggia des Petersdoms.

Am Ostermontag findet das Angelusgebet mittags auf dem Petersplatz statt, zu dem 100.000 Menschen erwartet werden. Sie können es über unseren Player verfolgen, allerdings ohne Kommentar und Übersetzung.

Nach Ostern steht schon das nächste Großereignis an: Die Heiligsprechungen der Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II., die am Sonntag, dem 27. April, auf dem Petersplatz in Rom stattfindet. Radio Vatikan überträgt dieses Großereignis ab 10.00 Uhr live.

Die Sende-Termine noch einmal in der Übersicht:

Donnerstag, 17. April 2014 / Gründonnerstag
9.20 – 11.30 Uhr – live
Chrisam-Messe mit Papst Franziskus im Petersdom, Vatikan
ab 17.30 Messe Coena Domini,
Centro Santa Maria della Provvidenza, Rom

Freitag, 18. April 2014 / Karfreitag
17.00 – 19.00 Uhr – live
Karfreitagsliturgie vom Leiden und Sterben Christi mit Papst Franziskus im Petersdom, Vatikan
21.15 – 23.00 Uhr – live Kreuzweg mit Papst Franziskus am Kolosseum in Rom

Samstag, 19. April 2014
20.30 – 22.30 Uhr – live
Feier der Osternacht am Hochfest der Auferstehung des Herrn mit Papst Franziskus im Petersdom, Vatikan

Sonntag, 20. April 2014 / Ostersonntag
10.15 – 12.00 Uhr – live
Heilige Messe am Hochfest der Auferstehung des Herrn mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz, Vatikan
12.00 – 12.30 Uhr – live
Segen „Urbi et Orbi“ (der Stadt und dem Erdkreis) von Papst Franziskus von der Mittelloggia des Petersdoms, Vatikan

Sonntag, 27. April 2014

10.00 – 12.30 Uhr – live
Heilige Messe am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit und Heiligsprechung der Seligen
Papst Johannes XXIII. und Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz, Vatikan (rv)

Guido Marini bleibt im Amt des Zeremoniars

Msgr. Guido MariniGuido Marini bleibt weiterhin Zeremoniar der päpstlichen Liturgien. Das melden italienische Agenturen mit Verweis auf den vatikanischen Pressesaal. Der promovierte Kirchenrechtler, der auch einen Abschluss in Kommunikationspsychologie hat, war 2007 von Papst Benedikt XVI. zum Nachfolger von Erzbischof Piero Marini ernannt worden, mit dem er zwar den Nachnamen teilt, aber nicht verwandt ist. Vor seiner Ernennung war er in seinem Heimatbistum Genua unter anderem Sekretär dreier Bischöfe, Kanzler der Kurie und Spiritual im Priesterseminar. (rv)