Italien/Argentinien: „Bergoglio rettete zahlreichen Menschen das Leben“

bergoglioLa Lista di Bergoglio", übersetzt „Bergoglios Liste", heißt ein neues Sachbuch über Papst Franziskus, das im Oktober in Italien erscheint: Anhand von unveröffentlichten Dokumenten und Zeugenberichten zeichnet der Buchautor, der italienische Journalist Nello Scavo, nach, wie Jorge Mario Bergoglio als damaliger Provinzial des Jesuitenordens in Argentinien zahlreiche Menschen vor einer der schrecklichsten Militärdiktaturen des südamerikanischen Kontinentes rettete. Im Interview mit Radio Vatikan berichtet Scavo, was für ein Bergoglio aus den Akten und Zeugenberichten zu ihm sprach:

„Das Bild, was hier von Bergoglio entsteht, ist das Bild eines geschickten Mannes, der sich mit der Umsicht und Raffinesse eines 007-Agenten bewegte und der es sich zur Aufgabe machte, dem Leben Dutzender von der Militärjunta verfolgter Menschen Deckung zu geben. Er ist ein Mann, der sein eigenes Leben riskierte und seinen eigenen Ruf."

Dreh- und Angelpunkt von Bergoglios Engagement für die Diktatur-Opfer sei das Maximo-Kolleg in San Miguel im Stadtbezirk von Buenos Aires gewesen, wo Bergoglio selbst auch wohnte. Hat er dort auch Menschen versteckt? Dazu Scavo:

„Er hatte ein Hilfsnetz im Untergrund aufgebaut, um Menschen zu retten. Niemand wird das vielleicht jemals so nennen, vor allem Bergoglio nicht, der sich seines Einflusses, seiner Freundschaften und Bekanntschaften bediente, um kleine, einzelne Zugeständnisse einzelner Personen bekommen zu können: da war vielleicht jemand, der Dokumente für die Ausreise besorgte oder jemand, der Nachrichten über Verhaftungen und Entführungen von Menschen weitergab. Sicher hat Bergoglio im Maximo-Kolleg Studenten, Männer wie Frauen, versteckt. Und er tat dies, ohne dass seine eigenen Mitbrüder es wussten, er sagte etwa, das wären junge Leute in spiritueller Ausbildung oder Seminaristen. Tatsächlich aber entwickelte er während dieses Aufenthaltes einen Plan für die Flucht dieser jungen Leute. Und viele haben uns in der Tat erzählt, wie sie schließlich heimlich Brasilien erreichten, von wo aus sie dann dank eines weiteren Jesuitennetzwerkes Richtung Europa ausreisen konnten."

Wie viele Menschen Bergoglio genau retten konnte, kann der Autor des Buches, dessen Titel sich wohl an dem Filmtitel „Schindlers Liste" inspiriert, nichts sagen. Das habe auch mit dem heutigen Papst selbst zu tun:

„Es ist schwer, genaue Schätzungen zu machen, vor allem weil Pater Bergoglio selbst darüber nie hat sprechen wollen. Wir haben um die 20 Zeugnisse gesammelt, alle aus unterschiedlichen Zeiten, von Personen, die sich untereinander nicht kennen und die Bergoglio zu unterschiedlichen Zeitpunkten kennenlernten. Jeder von ihnen hat gesagt, er sei Zeuge von mindestens 20 Rettungen (durch Bergoglio, Anm. d. Red.) gewesen. Wenn man vorsichtig sein will, kann man sicher sagen, dass in dieser Zeit mehr als hundert Menschen von Pater Jorge Mario Bergoglio gerettet wurden. Dann gibt es viele weitere, die ,indirekt‘ gerettet wurden: Indem die Verhaftung und Folter dieser damals jungen Leute verhindert wurde, wurde ausgeschlossen, dass sie während der sehr grausamen Verhöre – denen ja diejenigen unterzogen wurden, die zur Zielscheibe der Militärdiktatur wurden – Namen anderer Menschen nannten."

Während der von 1976 bis 1983 währenden Militärdiktatur in Argentinien verschwanden mindestens 30.000 Menschen. Das Buch „La lista di Bergoglio" wird im italienischen Verlag Emi erscheinen. (rv)

Papst: „Tratsch ist im Vatikan verboten“

Franziskus hat an diesem Samstag zu mehr Eintracht im Vatikanstaat aufgerufen. Tratsch und Klatsch seien dort eine „verbotene Sprache" und des Teufels, unterstrich der Papst bei einer Messe für die Vatikangendarmerie an der Lourdes-Grotte in den Vatikanischen Gärten.

„Wir alle wissen, was die Versuchung des Teufels ist: sie kommt von der einen Seite oder von der anderen oder von der einen… Doch es gibt eine Versuchung… Das gilt für alle, auch für mich, für alle! Eine Versuchung, die dem Teufel sehr gefällt: das Stören der Einheit – wenn seine Umtriebe gegen die Einheit derer gehen, die im Vatikan leben und arbeiten."

Der Papst sprach hier von einem „internen zivilen und spirituellen Krieg". Mancher seiner Zuhörer dürfte da an den „Vatileaks"-Skandal gedacht haben, bei dem der Diebstahl von Vatikandokumenten und die illegale Weitergabe vertraulicher Informationen hohe Wellen geschlagen hatte. Aktuelle Beispiele nannte der Papst in seiner Predigt zwar nicht. Doch er führte aus:

„Es ist ein Krieg, den man nicht mit den Waffen führt, die wir kennen: man führt ihn mit der Sprache. Die Waffen dieses Krieges ist das Geschwätz. Und darum bitte ich euch: verteidigt uns gegenseitig vor dem Geschwätz. Der Tratsch ist eine Sprache, die man nicht im Vatikan sprechen kann, es ist eine verbotene Sprache, denn es ist die Sprache des Teufels, die trennt, weil die Brüder Feinde werden und er dann der Sieger ist. Das ist List, das ist Zwietracht."

Die Vatikangendarmerie könne hier auch Beispiel und Garant eines gewaltlosen sprachlichen Umgangs im Vatikan sein, deutete Franziskus an. Schon mehrfach war er in Predigten auf die zerstörerische Dimension des Lästerns und Tratschens eingegangen. Er wandte sich an die Gendarmen:

„Ich bitte euch nicht nur, die Türen und Fenster des Vatikans zu verteidigen – ich danke euch dafür, denn das ist eine schöne Arbeit, die ihr da tut, nicht wahr? – sondern darüber hinaus, vor dem Hinterhalt des Teufels zu schützen, wie der heilige Michael, euer Patron. Tut es ihm nach. (…) Möge er uns in diesem Krieg beistehen: nie schlecht übereinander reden, nie die Ohren spitzen bei Geschwätz. Und wenn ich jemanden höre, der schwätzt, stoppe ihn! ,Hier nicht, raus aus der Porta Sant’Anna (einer der Vatikaneingänge, Anm. d. Red.), draußen kannst du quatschen, hier nicht!‘"

Die Gendarmerie hat die Aufgabe, im Vatikan die Ordnung und Sicherheit zu garantieren. Zu ihren Kompetenzen zählt der Polizei- und Zolldienst, die Rechts- und Steuerüberwachung sowie die Verfolgung von Gesetzverletzungen. Derzeit hat das Gendarmeriekorps einen effektiven Bestand von 130 Gendarmen. (rv)