Syrien: Mönch bei Angriff auf Kloster getötet

SyrienIn Syrien ist ein christlicher Geistlicher durch Rebellentruppen getötet worden. Wie der Kustos des Heiligen Landes, Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa, gegenüber Radio Vatikan bestätigte, kam der Mönch bei einem Angriff auf ein Franziskanerkonvent in Ghassanieh, im Norden des Landes, ums Leben. In Mitteilungen der vergangenen Tage habe der Mönch sich davon überzeugt gezeigt, in Lebensgefahr zu schweben, doch er habe sein Leben als Pfand für den Frieden in Syrien und auf der gesamten Welt angeboten. Pierbattista Pizzaballa:

„Ich bestätige den Tod eines Mönches, der mit uns lebte. Es war kein Franziskaner, doch er lebte aus Sicherheitsgründen bei uns, denn er war ein Eremit. Er ist gestern durch Rebellentruppen getötet worden: Sein Name ist François Murad, er war 49 Jahre alt."

Die Gewaltbereitschaft, die sich in dem Angriff auf ein christliches Konvent entladen habe, sei erschreckend; ihm fehlten sprichwörtlich die Worte, so Pater Pizzaballa:

„Leider ist dieses Dorf im Norden Syriens, in der Nähe der türkischen Grenze, gemeinsam mit anderen christlichen Siedlungen mittlerweile total zerstört und auch fast vollständig verlassen. Nur die Rebellen mit ihren Familien sind noch dort geblieben, Rebellen – und das muss gesagt werden – aus dem Ausland kommen und besonders extremistisches Verhalten an den Tag legen, zumindest diese Gruppe. Das Einzige, was wir sagen können (außer ein Gebet für Pater François und alle Opfer zu sprechen) ist, dass dieser Wahnsinn hoffentlich bald ein Ende findet und dass hoffentlich keine Waffen nach Syrien eingeführt werden, denn das hieße nur, diesen absurden Bürgerkrieg zu verlängern." (rv)

P. Hofmann: Papst wird Dialog zwischen Juden und Christen auf eine fruchtbare Weise fortführen

LeuchterAn diesem Montag hat Papst Franziskus eine jüdische Delegation getroffen. Etwa 30 Mitglieder des International Jewish Committee on Interreligious Consultations waren im Vatikan zu Gast, um den neuen Papst kennen zu lernen und die jüdisch-katholische Zusammenarbeit innerhalb des neuen Pontifikates einzuläuten. Pater Norbert Hofmann ist innerhalb des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen für den Dialog mit dem Judentum zuständig, er begleitete die Delegation zu Papst Franziskus. Vor dem Treffen haben wir mit ihm gesprochen und ihn gebeten, uns zu erklären, was die Begegnung für den zukünftigen Dialog zwischen Judentum und Christentum bedeutet.

„Zunächst einmal empfängt Papst Franziskus zum ersten Mal während seines Pontifikates eine jüdische Delegation, von daher hat dieses Treffen eine besondere Bedeutung. Das International Jewish Comittee on Interreligious Consultations ist seit 1970 unser offizieller Partner, es ist eine Dachorganisation aus mehreren jüdischen Organisationen. Es ist ein Antrittsbesuch: Der Papst will die Leute kennen lernen, die Leute wollen den Papst kennen lernen, und natürlich wird es auch darum gehen, die Prämissen des jüdisch-katholischen Dialogs zu bestätigen. Das heißt, das Konzilsdokument Nostra Aetate, das den Dialog mit den Juden eröffnet hat, weiterhin als Kompass herauszustellen. Es geht auch um Kontinuität von Johannes Paul II., über Benedikt XVI. und jetzt auch Franziskus."

Pater Hofmann ist sich sicher, dass Papst Franziskus den Dialog zwischen Judentum und Christentum auf eine fruchtbare Weise fortführen wird. Die interreligiösen Beziehungen, die dem gegenseitigen Einvernehmen nach unter dem Pontifikat Benedikt XVI. große Fortschritte gemacht hatten, könnten unter Franziskus auch um eine persönliche Komponente bereichert werden:

„Es ist zu bemerken, dass Franziskus ein besonderes Augenmerk auf den Dialog mit den Juden gelegt hat. Bereits als Kardinal in Buenos Aires hat er sehr gute Beziehungen zu den Juden gepflegt. Er hat persönliche jüdische Freude, die er auch jetzt noch privat empfängt und mit ihnen isst. Es ist ganz sicher so, dass Franziskus den Dialog auch intensivieren möchte, und dazu ist es wichtig, dass er unsere Strukturen im Vatikan kennen lernt, wie wir den Dialog hier führen."

Im Vatikan wird in diesen Tagen bereits das nächste große jüdisch-katholische Dialogtreffen vorbereitet: es wird im kommenden Oktober in Madrid stattfinden und trägt den Titel „Herausforderungen an den Glauben in den zeitgenössischen Gesellschaften". (rv)

Franziskus würdigt Paul VI.

Papst Paul VI.„Glauben an Jesus Christus, Liebe zur Kirche, Liebe zum Menschen": Diese drei Punkte haben Papst Paul VI. ausgezeichnet, und jeder Katholik sollte sie sich auch heute zu eigen machen. Das sagte Papst Franziskus an diesem Samstag Mittag im Petersdom. Franziskus erinnerte an die Wahl seines Vorgängers Paul zum Papst, am 21. Juni vor genau fünfzig Jahren. Etwa 5.000 Pilger aus dem norditalienischen Bistum Brescia, aus dem Giovanni Battista Montini (später Paul VI.) stammte, hatten zuvor im Petersdom eine Heilige Messe gefeiert.

„Paul VI. hat in schwierigen Jahren den Glauben an Jesus Christus bezeugt… Er liebte Christus zutiefst: nicht um ihn für sich zu behalten, sondern um ihn zu verkündigen. Auch seine Liebe zur Kirche war leidenschaftlich, die Liebe eines ganzen Lebens, wovon seine erste Enyziklika Ecclesiam suam zeugt. „Ich möchte sie umarmen", schreibt er einmal, „sie lieben in jedem Wesen, das sie bildet, in jedem Bischof und Priester, der sie unterstützt und leitet, in jeder Seele, die sie lebt." Das ist das Herz eines echten Hirten und eines authentischen Christen, eines zur Liebe fähigen Mannes! Wir sollten uns auch heute fragen: Sind wir wirklich eine mit Christus vereinte Kirche? Gehen wir wirklich hinaus, um ihn zu verkündigen, vor allem an den existenziellen Peripherien? Oder sind wir in uns selbst, in unseren Gruppen eingeschlossen, in unseren Kirchlein? Lieben wir die große Kirche, die Mutter Kirche, die uns missioniert und uns aus uns selbst herausgehen lässt?"

Liebe zu Christus habe direkt mit Liebe zum Menschen zu tun, so der Papst weiter. Es handle sich „um dieselbe Leidenschaft Gottes, die uns dazu antreibt, dem Menschen zu begegnen, ihn zu respektieren, ihm zu dienen". Paul VI. habe in der letzten Sitzung des Konzils formuliert, die „Religion Gottes, der Mensch wird", werde heute „herausgefordert von der Religion des Menschen, der sich zu einem Gott aufschwingt". Doch fühle die Kirche „eine immense Sympathie zum Menschen". Franziskus zitierte seinen Vorgänger:

„Die modernen Humanisten, die auf die Transzendenz verzichten, mögen bitte auch unseren neuen Humanismus anerkennen. Auch wir sind, mehr noch als alle, Hüter und Pfleger des Menschseins… Der ganze Reichtum der kirchlichen Lehre dient nur einem Ziel: dem Dienst am Menschen. Die Kirche hat sich sozusagen zur Dienerin der Menschheit erklärt!"

Paul VI. führte das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende und unternahm als erster Papst des 20. Jahrhunderts Pastoralreisen ins Ausland. Er wurde für mutige ökumenische und interreligiöse Öffnungen sowie eine Reform der Kurie bekannt und starb im August 1978. Sein Apostolisches Schreiben Evangelii Nuntiandi von 1975 nannte Papst Franziskus an diesem Samstag das aus seiner Sicht wichtigste Pastoralschreiben, das es gebe. (rv)

Kardinal Sandri: Zeugnisse aus Syrien bringen einen zum Weinen

Kardinal SandriDie Situation in Syrien war eines der Hauptthemen, die in der eben zu Ende gegangenen 86. Versammlung der ROACO diskutiert worden waren. Neben dem Nuntius waren auch ein Jesuit aus der besonders schwer umkämpften Stadt Homs, eine Ordensschwester aus Damaskus und ein weiterer Franziskanerpater aus dem Norden Syriens in Rom, um von der Situation in ihrem Wirkungsgebiet zu erzählen und damit die Koordinierung von Hilfsleistungen zu erleichtern. Papst Franziskus selbst hatte in den vergangenen Tagen und Wochen mehrfach seinen Sorgen über die syrische Situation Ausdruck verliehen. Der Präfekt der Ostkirchenkongregation und Präsident der ROACO, Kardinal Leonardo Sandri, äußerte sich gegenüber Radio Vatikan:

„Der Papst hat zu einer unmittelbaren Aussetzung der Gewalttaten, der Waffengewalt, aufgerufen – „auf dass die Waffen schweigen" – und seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass man einen Weg des Friedens beschreite, der zum Wohl des gesamten Nahen Ostens sei. Bei seiner Ansprache an uns hat der Papst diese seine Sorgen nochmals mit uns geteilt und wir hatten die Gelegenheit, ihm die drei Zeugen vorzustellen, die mit Nuntius Mario Zenari die Situation in Syrien beschrieben. Diese Zeugnisse bringen einen geradezu zum Weinen, wenn man das alles hört und sieht, was sie jeden Tag erleben müssen; in Kontakt mit der Regierung und den Rebellen, an der Seite der Bevölkerung, die Opfer der Aggressionen von der einen wie der anderen Seite ist. Es sind machtlose Opfer. Der Heilige Stuhl ist deshalb sehr besorgt; der Papst ist besorgt; und wir alle wünschen uns, dass baldmöglichst Verhandlungen beginnen, damit die Stimme der Waffen verstumme, dass man miteinander im Gespräch eine Lösung finden könne, die nicht nur die Unschuldigen und die Opfer schütze, sondern auch die menschliche Würde aller Einwohner Syriens schütze."

Die Kirche habe durch Appelle, Gebetsinitiativen und Solidaritätsaktionen versucht, ihren Beitrag zu Friedensstiftung zu leisten. Doch es gebe auch noch andere Wege, auf denen dies versucht werde.

„Es gibt ohne Zweifel Aktionen seitens der Diplomaten des Heiligen Stuhls; wobei es sich, wie man weiß, um Aktionen handelt, die meistens unter strengster Geheimhaltung und sehr diskret gehandhabt werden, aber die natürlich versuchen, die eben genannten Prinzipien einzubringen. Und unter Berücksichtigung dieser Werte, die der Heilige Stuhl und die Päpste seit jeher vertreten, versucht man, über Treffen mit den Autoritäten, über die Apostolischen Nuntien, über die Botschafter, die beim Heiligen Stuhl akkreditiert sind, diese Überzeugung weiter zu tragen: nämlich, dass die einzige Lösung, die zum Frieden führen kann, über Verhandlungen und politischen Austausch geht." (rv)

Ratzinger-Stiftung gibt Preisträger 2013 bekannt

Ratzinger StiftungJeweils ein deutscher und ein englischer Theologe sind die Preisträger des diesjährigen Ratzinger-Preises, der durch die Stiftung Joseph Ratzinger verliehen wird. Das wurde an diesem Freitag während einer Pressekonferenz der Stiftung im Vatikan bekannt gegeben. Am kommenden 26. Oktober werden der deutsche Dogmatiker und Vizepräsident des Regensburger Instituts Papst Benedikt XVI., Christian Schaller, sowie der am King´s College von London tätige Bibelwissenschaftler Richard A. Burridge den Preis in Rom entgegen nehmen. Der Anglikaner Burridge ist der erste nicht-katholische Christ, der den Preis erhält. Wie der Vorsitzende des Wissenschaftsrates der Stiftung, Kardinal Camillo Ruini, betonte, wird der Preis ihm zur Würdigung seines Beitrags für die historische und theologische Anerkennung des untrennbaren Zusammenhangs von Evangelium und Christus verliehen. Christian Schaller arbeitet derzeit an einer Gesamtausgabe der Werke des emeritierten Papstes. (rv)

Vatikanverlag stellt neues Bergoglio-Buch vor

Ein Handbuch für Bischöfe, geschrieben von Kardinal Jorge Mario Bergoglio: Dieses Werk stellt nun der vatikanische Verlag LEV vor. Es handelt sich hierbei um eine Sammlung von Exerzitien, die der damalige Erzbischof von Buenos Aires und jetzige Papst im Januar 2006 hielt. Die Exerzitien galten spanischen Bischöfe, teilte die Libreria Editrice Vaticana mit. In seinen Texten erklärt Bergoglio, die größte Herausforderung für einen Bischof sei die Überwindung der Angst. Das Buch ist nun auf Italienisch erschienen. (rv)

100 Tage Franziskus – ein Kommentar

Papst Franziskus ist am Freitag 100 Tage Papst – Anlass für Radio Vatikan, Rückschau zu halten. Lesen und hören Sie hier einen Kommentar von unserem Redaktionsleiter, Pater Bernd Hagenkord SJ.

Was ist so besonders an der 100? Sind 100 Tage anders als 93 oder 104? Für Journalisten wohl, dienen solche Daten doch einem ritualisierten Blick auf etwas Neues. In diesem Fall auf das Pontifikat Papst Franziskus.

Was können wir bei einem solchen Blick sehen? Zum einen, dass die häufig geäußerte Vermutung, das "Wirkliche" müsse noch kommen, nicht stimmt. Wir sehen einen Papst, der sein Verständnis von Amt ausübt, täglich und vor aller Augen. Bei den Menschen, für die Menschen und für die Kirche, die diese Menschen bilden.

Er hat die Symbolsprache des Amtes geändert und – wie seine letzten Vorgänger alle auch – Dinge weggelassen, die nicht mehr als Symbol dienen, sondern nur verwirren. Er kommuniziert direkt, baut keine Distanzen auf, spricht spontan und predigt frei. Es sind nicht "nur" Zeichen, die wir sehen, wenn wir die Massen von begeisterten Menschen und die Umarmungen, die Segnungen, das Anfassen, die Gespräche sehen, die Franziskus dort führt. Das ist der Papst, der Franziskus sein will.

Auch einige Themen hat er ganz klar benannt, in Ansprachen, Predigten und Gesprächen. Gegen die Selbstumkreisung der Kirche, gegen den Karrierismus, etc. Vor allem aber ist das alles ein "für": Gegen Selbstumkreisung bedeutet eine verkündende, freudige Kirche. In den Worten des Papstes: e bello, no? Gegen Karrierismus bedeutet eine großherzige Kirche und großherzige Christen. In den Worten des Papstes: è bello, no?

Aber trotz dieser Worte, die immer wieder Interesse und Faszination für diesen Papst wecken, ist es das "Gesamtkunstwerk" Papst, das so beeindruckend ist, und zwar von Tag Eins an. Sein Auftreten, Handeln, Spechen und seine Art, Bischof zu sein, passen zusammen. Durch sein Tun ist er ein Verkünder dessen, für den er steht.

In einer seiner ersten Predigten hat er den heiligen Franziskus zitiert: er forderte seine Franziskaner auf, "mit allem das Evangelium zu verkünden, und wenn nötig, dann auch mit Worten". Das ist es, was wir sehen, wenn mir nach 100 Tagen auf den Papst blicken. Und ich bin sicher, dass wir das bei all den anderen Gelegenheiten der Medienwelt auch sehen werden: nach 500, 1.000 oder sonst wieviel Tagen. (rv)

Vatikan: Weiterbildungskurs für die Verantwortlichen der vatikanischen Behörden

EB_VersaldiDie vatikanische Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten hat für die Verantwortlichen der vatikanischen Behörden einen Weiterbildungskurs angeboten. Das teilte der vatikanische Pressesaal an diesem Mittwoch mit. Bei dem Treffen ging es auch um die Besprechung des vatikanischen Haushaltes. Das genaue Budget des Vatikanstaates soll demnächst veröffentlicht werden. Bereits im vergangenen Dezember wurde ein solcher Austausch der Wirtschaftspräfektur mit den Behördenchefs durchgeführt. Dies soll auch in Zukunft weiter geschehen, geht aus der Vatikannote von diesem Mittwoch hervor. (rv)

Vatikan: Kampf gegen den Hunger

FAODer Vatikan hat die Staatengemeinschaft dazu aufgerufen, die internationalen Regeln im Kampf gegen den Hunger stärker zu beachten. Zu Schlüsselthemen wie dem Recht auf Nahrung, dem Zugang zu Boden und der Umweltverträglichkeit von Landwirtschaft habe die Welternährungsorganisation FAO deutliche Leitlinien vorgegeben, erinnerte der Vatikandelegierte bei der FAO, Erzbischof Luigi Travaglino, am Mittwoch an deren Sitz in Rom. Ihre Umsetzung hänge vom politischen Willen und dem Verantwortungsbewusstsein der Staaten ab. Als wichtigen Aspekt im Kampf gegen die Armut auf dem Land betrachtet der Vatikan laut Travaglin die Hilfe für kleine bäuerliche Familienbetriebe in betroffenen Staaten. (rv)

D/Italien: Priester mit Weltkircheerfahrung für die Heimat

Germanicum et Hungaricum726 – so viele Seminaristen gab es im vergangenen Jahr in Deutschlands Priesterkollegs. Um aber ein tatsächliches Bild vom Priesternachwuchs für das eigene Land erhalten zu können, darf man eines nicht vergessen: Nicht wenige junge Männer zieht es für die Priesterausbildung ins Ausland, wo die katholische Kirche ihnen die Möglichkeit gibt, sich zum Priester für das Heimatland ausbilden zu lassen. Nicht nur eine Kirche vor Ort also, sondern eine Weltkirche im Sinne des Wortes. Und wo wäre diese deutlicher zu erleben als in Rom?

„Rom ist aus der Perspektive der Kirche eine besonders spannende Stadt, weil sich hier Weltkirche auf eine Art und Weise erleben lässt, die unvergleichbar ist. Das Theologiestudium ist spannend, und das überall auf der Welt – aber man lernt in Rom durch den Zugang: Was bedeutet Kirche in Afrika, in Lateinamerika, in Ungarn, in Osteuropa? Beziehungsweise was heißt das für uns?"

Das sagt Mathias Bitsche, der seine Wiener Priesterausbildung im Priesterkolleg „Germanicum et Hungaricum" in Rom fortgesetzt hat. Schon der Name dieses Kollegs, das auf deutschsprachige und ungarische Seminaristen ausgerichtet ist, zeigt, dass Kirche über Ländergrenzen hinweg gedacht werden muss. Mihály Czapkó kam aus Ungarn hierher und erinnert an die geschichtsträchtige Vergangenheit des Kollegs:

„Das Germanicum, das Kolleg für das Römische Reich Deutscher Nation, wurde eigentlich schon 1552 gegründet. Der Grund war, nach der Reformation Priester auszubilden, die der Kirche, der katholischen Lehre treu sind und diese vertreten. Das Hungaricum, das ungarische Kolleg, kam 1580 dazu. Ein sehr großer Teil in Ungarn wurde vom Osmanischen Reich besetzt, in Siebenbürgen kam es auch zur Reformation. Nach der Befreiung von den Türken begann man, die Kirche wieder aufzubauen. Immer wenn ich an diese Situation denke, dann könnte ich sagen: Für die heutige kirchliche Situation ist es nicht so schlimm, wie es früher war."

Und das, obwohl es die Kirche in Ungarn immer noch schwer hat nach einem atheistischen System von fast fünfzig Jahren. Mihály Czapkó erzählt, dass sein Heimatland vor dem Kommunismus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ein sehr religiöses Land war. Heute sei das anders. Nach Rom ist er gekommen, um von den verschiedenen kirchlichen Situationen der Seminaristen, die aus aller Welt hierher kommen, zu lernen:

„Was vielleicht bei uns ein großes Problem ist, könnte aus Sicht von anderen Ländern ein viel kleineres Problem sein."

Voneinander lernen, sich austauschen über die jeweilige kirchliche Realität im eigenen Land, sehen, was woanders vielleicht besser läuft: Das wird den Seminaristen durch das besondere Ausbildungskonzept leichter gemacht, so der Seminarist Martin Reichert aus der Erzdiözese München-Freising:

„Das ,Germanicum et Hungaricum´ wird von den Jesuiten geleitet. Das Charakteristische an der Ausbildung durch Jesuiten ist, dass sehr viel Wert auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative gelegt wird. Unsere Oberen sagen, es hat wenig Sinn, den Leuten einfach irgendetwas überzustülpen. Wir sollen da selbst hinein finden."

Und das geschieht besonders durch den lebendigen und internationalen Austausch, für den die Seminaristen deshalb so ausgiebig Zeit haben, weil ihre Ausbildung dem genügend Raum lässt. Aus derzeit elf verschiedenen Ländern kommen die jungen Priesteramtskandidaten, die hier studieren. Aber alle werden für den Dienst in ihrer Heimatdiözese ausgebildet. Wie die Seminaristen auf ihre Rückkehr vorbereitet werden, erklärt der Mathias Bitsche:

„Da ist einer der großen Vorteile bei uns im Haus, dass wir in Eigenverantwortung vorbereitet werden. Eine Priesterausbildung nach einem Schema kann heute nicht mehr funktionieren, weil die kirchliche Situation, die gesellschaftliche Lage im Wandel sind. Genau da ist es die Chance, hier an diesem Ort zu überlegen: Wie kann meine kirchliche Situation zu Hause von dem profitieren, was ich hier kennenlerne und natürlich auch faktisch lerne? Und da miteinander im Gespräch zu sein und mal zu hören: Wie geht’s denn der Kirche in Ungarn? Was kommt bei denen gut an? Was davon kann eine Chance für unsere kirchliche Situation sein?"

Wenn der gemeinsame Blick der beiden deutschsprachigen Seminaristen, Mathias Bitsche und Martin Reichert, von Rom aus auf die kirchliche Situation in ihren Heimatländern Österreich und Deutschland fällt, spricht der Österreicher Mathias Bitsche auch für seinen Mitseminaristen, wenn er über die Heimatsituation seiner Kirche sagt:

„Da entsteht eine gedrückte Stimmung, weil man fragt: Wie kann das weitergehen? Priestermangel? Der sonntägliche Kirchenbesuch? Diese Situation ist auch unseren Ausbildern, unseren Hausvorstehern bewusst. Das sind deutsche Jesuiten beziehungsweise ein österreichischer und ein ungarischer Jesuit, die mit uns gemeinsam diesen Weg in dieser Zeit hier in Rom gehen. Natürlich wird sich die Frage gestellt, wie die kirchliche Situation in den unterschiedlichen Ländern ist und was man daraus machen kann."

Für die gedrückte Stimmung, von der Mathias Bitsche spricht, macht Martin Reichert mit Blick auf Deutschland immer wieder laut werdende Forderungen mitverantwortlich. Seiner Einschätzung nach helfe es aber kaum, diesen Forderungen einfach nachzukommen.

„Abschaffung des Zölibats, Einführung des Frauenpriestertums – die Forderungen sind natürlich auch von außen, von der Gesellschaft in den Glauben hineingekommen. Es gibt da ein großes Unverständnis, und wir können den Leuten auch kaum vermitteln, dass es Menschen gibt, die ihre Sexualität in ihre Persönlichkeit integrieren, ohne sie auszuleben, oder dass wir keine Frauen an unseren „Spitzenpositionen" haben. Ich denke, was wir machen können, ist, die Leute auf das Wesentliche in unserem Glauben aufmerksam zu machen: Das ist die Botschaft des Glaubens selbst, das ist die Botschaft der Liebe, der Solidarität, der Gerechtigkeit. Und genau das soll die Kirche auch für die Welt, für die anderen Menschen offen machen. Wir glauben an einen Gott, der ein Gott für uns ist, der mit den Menschen sein will – und das müssen wir heute der Welt zeigen."

Und das ist nicht nur der priesterliche Auftrag, wie ihn Martin Reichert für seinen eigenen Beruf in Zukunft versteht. Für Mathias Bitsche ist das gleichzeitig auch ein möglicher Ansatzpunkt für einen innerkirchlichen Bewusstseinswandel, der zu einer veränderten – nämlich positiveren Wahrnehmung von Kirche in der Öffentlichkeit führen könne:

„Ich glaube, dass die Kirche im Moment sehr viel das Bild vermittelt: Entweder Du gehörst voll und ganz dazu – oder gar nicht. Ein problematisches Bild, aber lösen werden wir das nicht mit Äußerlichkeiten, lösen werden wir das mit einer einladenden Haltung: Zu uns darf man kommen, bei uns ist jeder Mensch willkommen, auch dann, wenn er vielleicht nicht zu hundert Prozent unserem Bild entspricht. (rv)