Eineinhalb Jahre Haft für Paolo Gabriele

Der frühere päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele ist vom vatikanischen Gericht zu anderthalb Jahren Haft und zur Übernahme der Prozesskosten verurteilt worden. Richter Giuseppe della Torre blieb damit am Samstag unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die drei Jahre wegen schweren Diebstahls gefordert hatte. Dagegen hatte Gabrieles Verteidigerin Cristina Arru auf einfache „Veruntreuung", für die ein wesentlich geringeres Strafmaß vorgesehen wäre, plädiert. Gabriele selbst betonte in seinem Schlusswort, er habe aus „Liebe zur Kirche und zum Papst" gehandelt und fühle sich nicht als Dieb. Die Anwältin des Angeklagten zeigte sich nach dem Urteilsspruch zufrieden über dessen „Ausgewogenheit". Wie Pater Lombardi, der Pressesprecher des Vatikans, in seinem Briefing für die Journalisten mitteilte, hätten die Richter beim Urteilsspruch große Milde walten lassen:

„Die Richter sind auf Basis des vatikanischen Strafrechts Zanardelli vorgegangen, und sind zu dem Schluss gekommen, drei Jahre wäre das angemessene Strafmaß für das Vergehen gewesen. Dann haben sie jedoch ein Gesetz von Paul VI. angewandt, das Strafminderung in bestimmten Fällen vorsieht. In diesem Fall ist die Strafe halbiert worden, also eine großmütige Reduzierung. Die Milderungsumstände waren das bisherige Fehlen von strafrechtlichen Verurteilungen, ein bis zu den Diebstählen unfehlbares Dienstzeugnis, das subjektive, wenn auch irrige Empfinden des Gabriele, der Kirche helfen zu wollen und die Reue darüber, das Vertrauen des Papstes missbraucht zu haben."

Der Justizpromotor habe nun veranlasst, dass Gabriele nach Hause in seinen so genannten „Hausarrest" zurückkehre, und nun laufe die Frist von drei Tagen, innerhalb derer bekannt gegeben werden muss, ob die Absicht bestehe, Einspruch einzulegen. Der Papst, so Lombardi weiter, habe nun alle Elemente in der Hand, um eine eventuelle Begnadigung auszusprechen. Lombardi:

„Ich kann sagen, dass die Möglichkeit der Begnadigung sehr konkret und auch wahrscheinlich ist, aber ich kann natürlich nichts über einen Zeitrahmen oder Modalitäten sagen. Der Papst wird nun die Unterlagen studieren. Höchst wahrscheinlich denkt er an eine Begnadigung, das kann ich sagen, ohne zu fürchten, dass ich ins Unrecht gesetzt werde."

Der Prozess gegen den wegen Beihilfe Mitangeklagten Claudio Sciarpelletti wird in einem eigenen Verfahren verhandelt werden. Er werde wohl nach der großen Bischofssynode, die in diesen Tagen im Vatikan beginnt und den gesamten Monat dauern werde, aufgenommen. Lombardi würdigte die Schnelligkeit und Gradlinigkeit, mit der der Prozess geführt worden sei:

„Ich habe feststellen können, dass das Vatikantribunal von den anderen Autoritäten im Vatikanstaat komplett unabhängig ist. Gleichfalls habe ich einen großen Respekt seitens des Staatssekretariats beobachtet; es wurde keinerlei Druck auf das Gericht ausgeübt oder in irgendeiner Weise die Verhandlung beeinflusst. Das war meines Erachtens ein wunderbares Beispiel für Gewaltenteilung, mit der dieser Prozess durchgeführt wurde."

Die Schnelligkeit, mit der dieser Prozess abgeschlossen worden sei, sei sicherlich auch dadurch ermöglicht worden, dass nach vatikanischem Strafrecht die Untersuchungsergebnisse direkt im Prozess eingebracht werden könnten, ohne für den Prozess eine neue Beweisführung zusammenstellen zu müssen. Die Strafe sei von den Parteien als gerecht empfunden worden, und, ohne sich im Einzelnen zum Strafmaß zu äußern, meinte Lombardi, die großzügige Reduzierung des Strafmaßes sei sicherlich ein Beweis für die Menschlichkeit des vatikanischen Strafsystems gewesen.

Rasche Prozessabwicklung
Der Prozess gegen Gabriele war am Samstag vor einer Woche eröffnet worden. Der Angeklagte hat gestanden, vertrauliche Dokumente des Papstes entwendet, kopiert und an den Journalisten Gianluigi Nuzzi weitergegeben zu haben. Mittäter gebe es nicht. Auch Geld habe er nicht erhalten. Den Vorwurf des „schweren Diebstahls" wies Gabriele zurück. Schuldig sei er allein gegenüber dem Papst, den er verraten habe, erklärte er vor Gericht. Als Motiv für seine Tat nannte er Unbehagen über Missstände an der Kurie. Von dem in seiner Wohnung sichergestellten Scheck über 100.000 Euro für Benedikt XVI. sowie von dem Goldstück aus dem päpstlichen Geschenkfundus bestritt er jede Kenntnis. Die kostbare Ausgabe der „Aeneas", die die vatikanische Gendarmerie ebenfalls in seiner Wohnung gefunden hatte, habe er nur seinen Kindern zeigen wollen. Der Wert des Buches sei ihm nicht bewusst gewesen.

Während des Prozesses vernahm das Gericht neun Zeugen, unter ihnen den päpstlichen Privatsekretär Georg Gänswein sowie eine der vier Ordensschwestern, die den Haushalt des Papstes führen. Gänswein gab an, bis kurz vor der Verhaftung des Kammerdieners keinerlei Verdacht gegen diesen gehegt zu haben. Die sieben weiteren Zeugen waren vatikanische Gendarmen.

Haft in italienischem Gefängnis
Die Haft muss Gabriele in einem italienischen Gefängnis absitzen. Der Papst als Oberhaupt des Vatikanstaates könnte ihn jedoch begnadigen. Zudem kann Gabriele gegen das Urteil beim vatikanischen Appellationsgerichtshof Berufung einlegen.

Gabriele war am 23. Mai von der vatikanischen Gendarmerie verhaftet worden und verbrachte 59 Tage in Untersuchungshaft in einer vatikanischen Arrestzelle. Die Gendarmerie hatte am gleichen Tag gut 1.000 vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan sowie einige Wertgegenstände aus päpstlichem Besitz in seiner Wohnung sichergestellt. Seit dem 21. Juli steht Gabriele in seiner Wohnung im Vatikan unter Hausarrest. (rv)

Größte Bischofssynode der Neuzeit

Die Bischofssynode, die am Sonntag im Vatikan beginnt, ist die größte in der Neuzeit. Das wurde an diesem Freitag im Vatikan bekannt. Der Generalsekretär der Bischofssynode, Erzbischof Nikola Eterović, stellte den Journalisten Einzelheiten der Großveranstaltung vor, die vom 7. bis zum 28. Oktober dauert und das Thema Neuevangelisierung hat.

„An der 13. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynde werden 262 Synodenväter teilnehmen: Das ist die höchste Zahl in der Geschichte der Synoden. Aus Europa kommen 103, aus Amerika 63, aus Afrika 50, aus Asien 39 und aus Ozeanien sieben. Die Mehrheit der Synodenväter, nämlich 182, ist gewählt worden (…). Unter den Synodenvätern sind sechs Patriarchen, 49 Kardinäle, 71 Erzbischöfe, 120 Bischöfe und vierzehn Priester. 32 Synodenväter sind jeweils Vorsitzende einer Bischofskonferenz, 26 leiten Dikasterien der römischen Kurie. Generalrelator ist Kardinal Donald William Wuerl, Erzbischof von Washington in den USA; Sondersekretär ist Pierre-Marie Carré, Erzbischof von Montpellier in Frankreich."

Die drei „delegierten Präsidenten" der Synode kommen interessanterweise nicht aus den USA oder Europa: Es sind Kardinal John Tong Hon von Hongkong in China, Kardinal Francisco Robles Ortega von Guadalajara in Mexiko und Kardinal Laurent Monsengwo Pasinya von Kinshasa im Kongo. Erzbischof Eterović nannte an diesem Freitag vor der Presse weitere Zahlen: 45 Experten sind zur Synode geladen und 49 Beobachter.

Anglikanischer Primas hält Vortrag auf Synode

„An den Arbeiten werden auch Brüderliche Delegierte teilnehmen, die fünfzehn Kirchen und kirchliche Gemeinschaften vertreten, welche noch nicht in voller Einheit mit der katholischen Kirche stehen. In dieser Hinsicht ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass auch der anglikanische Primas, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, im Lauf der Synode das Wort ergreifen wird. Außerdem hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., seine Teilnahme an der feierlichen Eucharistie vom 11. Oktober zugesagt. Diese beiden Personen leisten einen beachtlichen Beitrag zum ökumenischen Inhalt der Synode."

Bartholomaios I. hatte vor vier Jahren bei einer vatikanischen Bischofssynode zum Thema Heilige Schrift als erster griechisch-orthodoxer Patriarch einen Vortrag gehalten. Eingeladen hatte ihn dazu Benedikt XVI. Mit der Eucharistiefeier vom 11. Oktober startet das vom Papst ausgerufene „Jahr des Glaubens". Rowan Williams ist scheidendes Oberhaupt der anglikanischen Weltkirche, er tritt zum Jahresende zurück, die Gespräche über einen Nachfolger laufen derzeit. Er wird sich am Nachmittag des 10. Oktober an die Synode wenden. Eterović verriet, dass es bei der Synode zur Neuevangelisierung drei spezielle Gäste geben soll, von denen zwei aus dem deutschen Sprachraum stammen:

„Als gesondert Eingeladene nehmen an der Synode Bruder Alois teil, der Prior der Ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, dann Lamar Vest, Leiter der Amerikanischen Bibelgesellschaft und schließlich Werner Arber, Professor für Mikrobiologie in Basel und Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Den Synodenvätern werden in diesen Tagen 32 Assistenten und dreißig Übersetzer zur Hand gehen. Insgesamt nehmen an der Bischofssynode mehr als vierhundert Personen teil."

Schweizer Mikrobiologe spricht über Wissenschaft und Glauben

Der Schweizer Professor Werner Arber – ein reformierter Christ – wird sogar am Freitagnachmittag, dem 12. Oktober, einen Vortrag vor den Synodenvätern halten. Darin geht es um die Beziehung zwischen Wissenschaft und Glauben. Bereits am Dienstagnachmittag, dem 9. Oktober, ist außerdem ein Referat von Kardinal Marc Ouellet angesetzt. Der Kanadier, der die Bischofskongregation leitet, will über die Aufnahme des Schlussdokuments zur Bibelsynode von 2008 berichten.

„Die erwähnten Vorträge dürften Stoff liefern für die freie Diskussion, die am Ende jeder nachmittäglichen Generalkongregation vorgesehen ist."

23 Generalkongregationen – also Aussprachen im Plenarsaal – und acht Sitzungsrunden in insgesamt 12 kleineren Zirkeln, die nach Sprachen aufgeteilt sind: Das wird die Struktur der Synode. Zu Beginn der Arbeiten werden die Synodenväter acht Personen wählen, die die Schlussbotschaft der Synode erstellen sollen. Die Leiter der entsprechenden Kommission sind vom Papst bereits ernannt worden: Erzbischof Claudio Maria Celli vom Päpstlichen Medienrat und Erzbischof Luis Antonio Tagle von Manila auf den Philippinen. Benedikt XVI. wird noch zwei weitere Mitglieder für diese Redaktion der Schlussbotschaft bestimmen.

„Angesichts der Erfahrung mit früheren Bischofssynoden bleibt das Vorgehen im Wesentlichen unverändert: Jeder Synodenvater hat fünf Minuten Zeit, um auf den Generalkongregationen zu sprechen. Während der freien Diskussion von 18 bis 19 Uhr (an den Tagen, an denen die Generalkongregationen tagen, Anm. d. Red.) darf jeder Synodenvater nicht länger als drei Minuten reden – das soll mehr Teilnahme an der Diskussion ermöglichen. Brüderliche Delegierte sowie Beobachter haben hingegen für Wortbeiträge vier Minuten Zeit." (rv)

Keine Gespräche mehr mit der Piusbruderschaft

Die Piusbruderschaft „ist für die Kirche kein Verhandlungspartner, weil es über den Glauben keine Verhandlungen gibt". Das hat der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, in einem Interview mit dem NDR betont. Die Bruderschaft lehnt wichtige Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils ab, unter anderem zur Religionsfreiheit und den Menschenrechten. Der Vatikan hat die Piusbruderschaft aufgefordert, diese Beschlüsse zu akzeptieren, wenn die Bruderschaft wieder ein Teil der Kirche werden will. Mit Blick auf eine mögliche Wiederaufnahme der Traditionalisten sagte Erzbischof Müller: „In einem pastoralen Sinn ist die Tür immer offen". Der Glaubenspräfekt stellte im Gespräch mit NDR Kultur aber klar: „Es gibt keine Ermäßigungen, was den katholischen Glauben angeht, gerade wie er auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil gültig formuliert worden ist. Das Zweite Vatikanische Konzil steht nicht im Gegensatz zur gesamtkirchlichen Tradition, allenfalls im Gegensatz zu mancher falschen Interpretation des katholischen Glaubens." Erzbischof Müller sagte weiter: „Wir können den katholischen Glauben nicht den Verhandlungen preisgeben. Da gibt es keine Kompromisse". Man werde in der Glaubenskongregation in Einheit mit dem Papst nun das weitere Vorgehen beschließen. Den Piusbrüdern läge die Erklärung vor, die sie zu akzeptieren hätten, betonte Müller. Und er fügte an: „Ich glaube, es gibt jetzt keine neuen Gespräche mehr." (rv)