Italien: Fest der Versöhnung in L´Aquila

Ende August feiern Italiens Katholiken eines der populärsten religiösen Feste ganz Italiens: die so genannte „Perdonanza celestiniana", das Fest der Vergebung des heiligen Cölestin, das alljährlich am 28. und 29. August viele Pilger und Besucher nach L´Aquila führt. Das Fest geht auf das Jahr 1294 zurück, als Papst Cölestin V. in der Abbruzzen-Stadt zum Papst gekrönt wurde und wenig später dort einen jährlichen Generalablass einführte. Die Vergebung der zeitlichen Sündenstrafen knüpfte der fromme Papst an bloß zwei Voraussetzungen: eine aufrichtige Beichte und einen Besuch der Kirche Santa Maria di Collemaggio in L’Aquila – ein Privileg, das damals nur auf einer Wallfahrt ins Heilige Land erworben werden konnte und nicht selten auch ausschließlich gegen eine Geldspende zu haben war. Cölestin V. war bloß wenige Monate Papst. Er war in Sulmona Einsiedlermönch gewesen und ging in die Geschichte ein als einziger Papst, der sein Amt freiwillig niederlegte. Der Bischof von Sulmona, Angelo Spina, fasst zusammen:

„Pietro Angelari, so sein eigentlicher Name, war ein einfacher Mann, der von Anfang an, wie es scheint, besonders war. Seine Eltern waren Bauern, doch die Mutter konnte lesen und schreiben, was selten war, und sie hielt ihren Sohn zum Lernen an. Jung trat er ins Kloster ein und wurde später Priester. Pietro war von Anfang an ein Gottessucher. Als er im Juli 1294 zum Papst gewählt wurde, gab er das Amt nach wenigen Monaten auf. Papst Cölestin V. las in jenen schwierigen Zeiten die Geschichte und sagte: Ich könnte vielen schaden – denn das Papsttum umfasste zu seiner Zeit noch die zeitliche Macht. Es ist aber besser, das Gute zu tun, als das Schlechte zu tun. In einem solchen Fall wird der Verzicht nicht eine Niederlage, sondern eine Tugend."

Pietro war ein fast 80-jähriger Eremit, als er am 5. Juli 1294 überraschend zum Papst gewählt wurde. Erst sträubte sich zunächst, das Amt anzutreten, und ergriff die Flucht, nur zögerlich ließ er sich umstimmen. Der Legende nach ritt er – wie weiland Jesus am Palmsonntag – am 28. Juli 1294 auf einem Esel in L´Aquila ein. Tags darauf wurde er in der von ihm gegründeten Kirche Santa Maria di Collemagggio vor den Stadttoren zum Papst gekrönt.
Cölestin fühlte sich in seinem Amt bald überfordert. Zunehmend rissen Berater die Macht an sich. So ließ der Papst von gelehrten Klerikern prüfen, ob ein Rücktritt vom Papstamt möglich wäre, und erließ dazu auch eine Konstitution. Das Volk wollte die Amtsniederlegung des frommen, durchgeistigten und populären Papstes nicht zulassen, doch am 13. Dezember kündigte Cölestin seinen Rücktritt an und nannte als Grund unter anderem, dass er keine Erfahrung in der Verwaltung der Kurie habe und wieder Einsiedler werden wolle.
Was sagt die Figur dieses Papstes heute der Kirche? Der Bischof von Sulmona:

„Dass man nach oben schauen muss, auf die Heiligkeit. Denn wenn wir unseren Blick immer nur nach unten richten, dann wird das Leben selber platt. Wir sind aber für den Himmel gemacht. Alle Möglichkeiten, die der Herr uns gibt, sind Mittel. Der Heilige Cölestin sagt uns als Gläubige, als Christen und auch mir in meinem Amt als Bischof: klammere dich nicht an die Macht. Betrachte Gott, den Herrn, als deinen einzigen Schatz. Und ängstige dich nicht in dieser Welt."

Der Stadt L´Aquila vermachte dieser einzigartige Papst ein besonderes Geschenk. Ende Sptember 1294 rief er mit einer Bulle den jährlichen Generalablass ins Leben, einen vollen und universalen Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen für die gesamte Menschheit, ohne Unterschied. Die Bulle des Cölestin spricht von Frieden, Solidarität und Versöhnung, und die Kirche von L´Aquila hütet sie als historisches Dokument wie einen kostbaren Schatz, der übrigens auch das verheerende Erdbeben von 2009 unbeschadet überstand. 1294, also sechs Jahre, ehe Cölestins Nachfolger Bonifaz VIII. für 1300 das erste Heilige Jahr der Kirche ausrief, hatte die Abbruzzenstadt ihr universelles Glaubensfest.
Seit rund zwanzig Jahren wird das Fest der Vergebung des Cölestin in L´Aquila wieder wie ein großes Volksfest gefeiert. Am Abend des 28. August findet jeweils die feierliche Öffnung der Heiligen Pforte der Basilika von Collemaggio statt, rundherum gibt es ein farbenfrohes Mittelalter-Spektakel. Die historische Bulle Cölestins bleibt einen ganzen Tag in der Basilika ausgestellt. Welche Bedeutung dieses Dokument für L´Aquila hat, wollten wir von Bischof Spina wissen.
„Die Botschaft des Verzeihens ist universell, sie gilt für alle. Auch für die Stadt L´Aquila, eine großartige Stadt, die so ein tragisches Erdbeben erlebte, einstürzende Häuser, fallende Steine. Es ist Zeit des Wiederaufbaus. Aber vielleicht fielen noch vor den Steinen die Herzen, die menschlichen Beziehungen in sich zusammen. Das Fest der Vergebung besagt, jetzt ist die Zeit, auf das Gemeinwohl zu sehen und nicht auf die eigenen egoistischen Interessen. Tun wir uns zusammen, um L´Aquila wieder aufzubauen – wie ein Adler, der wieder zum Fliegen ansetzt." (rv)

Im Kampf gegen die Krise auf stärkere Einheit setzen

Dazu rät der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco. Der Weg, der vor Italien, aber auch vor dem Rest der Welt liege, sei sehr steinig, sagte er in einer Predigt. Ein Ausweg aus der Krise, die hohe Kosten für Familien, junge Leute, Erwachsene und Pensionäre mit sich bringe, sei nur möglich, wenn er „gemeinsam" gesucht werde: „Wenn die Menschen sich allein vor Schwierigkeiten gestellt sehen, verlieren sie den Mut und geben auf, enden in den Randbereichen des Lebens als einfache Beute des Schlechtesten. Ohne Arbeit und in der Unsicherheit hat das Schlechte leichtes Spiel", so der Erzbischof von Genua. (rv)

Pater Lombardi zum 70. Geburtstag

Er ist Vatikansprecher, Generaldirektor unseres Senders und in beiden Funktionen häufig bei Radio Vatikan zu hören: Pater Federico Lombardi. In diesen Tagen feiert der Jesuitenpater zwei wichtige Jubiläen. Am Mittwoch begeht er seinen 70. Geburtstag, und am 2. September wird er seit 40 Jahren Priester sein. Der „Leiter des vatikanischen Presseamtes", wie sein offizieller Titel lautet, ist Ansprechpartner der Medien für alle Fragen rund um Papst und Vatikan. Er organisiert Pressekonferenzen und betreut die Presse während der Reisen des Papstes. Papst Benedikt ernannte den norditalienischen Priester, der gut deutsch spricht und im übrigen ausgebildeter Mathematiker ist, 2006 zum Nachfolger des Spaniers Joaquin Navarro-Valls, der dieses Amt 22 Jahre lang ausübte.

Geboren wurde Lombardi am 29. August 1942 im Piemont, in der Provinzstadt Saluzzo südlich von Turin. 1960 trat er in den Jesuitenorden ein, 1962 empfing er die Priesterweihe und begann ein Philosophie-Studium an einer Ordensfakultät. 1965 bis 1969 wirkte Lombardi am Studentenkolleg der Jesuiten in Turin und studierte zugleich Mathematik. Es folgte ein vierjähriger Aufenthalt in Deutschland, wo er 1973 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main das Lizenziat in Theologie erwarb und als Seelsorger italienische Gastarbeiter betreute. Danach ging Lombardi in den Journalismus: Er arbeitete für die Jesuitenzeitschrift „Civilta Cattolica" und stieg 1977 zum Vize-Chefredakteur des namhaften Blattes auf.

Von 1984 bis 1990 wurde Lombardi Provinzial seines Ordens in Italien. Von Rom in den Vatikan waren es dann nur noch wenige Meter: 1991 trat der Pater als Programmdirektor von Radio Vatikan in den Dienst des Heiligen Stuhls. 2005 ernannte ihn Benedikt XVI. zum Leiter des päpstlichen Senders. Seit 2001 steht er auch an der Spitze des vatikanischen Fernsehzentrums CTV.

Schon auf seiner ersten Reise mit dem Papst kam es zur Feuertaufe: Die Regensburger Rede von Benedikt XVI. vom 12. September 2006 löste in Teilen der muslimischen Welt wegen eines missverständlichen Zitates Empörung und gewalttätige Proteste aus. Lombardi hatte seine erste Bewährungsprobe als Leiter des Vatikanischen Presseamtes. Weitere sollten folgen: Die Affäre um den Holocaustleugner Richard Williamson, der Missbrauchsskandal, zuletzt die Vatileaks-Affäre und die Negativschlagzeilen der Vatikanbank IOR.

Dabei zeigt sich, dass der Papst eine gute Hand bei der Auswahl seines Sprechers bewiesen hatte. Auch in extremen Situationen zeichnet sich der Jesuit durch Gelassenheit, Verbindlichkeit und Geduld aus. Ärgerlich oder gar aufbrausend erlebt man ihn nie. Zu beobachten war dies zuletzt auf dem Höhepunkt der Vatileaks-Affäre im Sommer. Während der nahezu täglichen Briefings korrigierte er zunächst ruhig und gelassen die unverdrossenen Falschmeldungen italienischer Zeitungen, referierte knapp den neuesten Stand der Entwicklung und blieb auch noch freundlich, als nach einem einstündigen Frage-Marathon abstruse Detailfragen gestellt wurden.

Hinzu kommt eine eiserne Disziplin: Lombardi bewältigt ein immenses Arbeitspensum, zumal er auch Radio Vatikan und das vatikanische Fernsehzentrum CTV leitet. Morgens ist er im Pressesaal, danach im Radio, nachmittags im Fernsehen und abends wieder im Radio, bis dieses um 21 Uhr seine Pforten schließt. Sein großer Schreibtisch quillt über, seine Tür steht immer offen, am Mobiltelefon hebt er immer ab. Und in der römischen Ordenszentrale der Jesuiten gehört er stets zu den letzten, die am späten Abend ihre Mahlzeit einnehmen. (rv)