Erzbischof Müller: „Unsere Aufgabe ist es, Güte Gottes zu verkünden“

Erzbischof Gerhard Ludwig Müller hat zu Beginn der Woche sein neues Amt als Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre angetreten. Im Gespräch mit Mario Galgano geht er auf seine künftige Tätigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen ein.

Wie fühlen Sie sich und erwarten Sie sich von Ihrer neuen Tätigkeit hier im Vatikan?

„Ich fühle mich wie ein Schüler in der ersten Klasse. Sehr vieles ist neu für mich. Die inhaltliche Arbeit kannte ich bereits, weil ich seit fünf Jahren Mitglied bei der monatlichen Versammlung der Glaubenskongregation bin, die bestimmte Themen bearbeitet. Trotzdem ist all das eine große Umstellung – von einem Ortsbischof zu einem Bischof an der römischen Kurie."

Welche Akzente möchten Sie gerne setzen? Was würden Sie gerne in Ihre Arbeit einbringen?

„Unsere Kongregation und die römische Kurie sind da, um den Heiligen Vater in seinem Lehr- und Hirtenamt zu helfen. Das wichtigste in der Kirche ist der Glaube, der uns geschenkt worden ist durch die Offenbarung Gottes in Jesus Christus zum Heil aller Menschen. Darum ist es unsere Aufgabe, die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes zu verkünden, die uns im Glauben geschenkt worden ist. Deshalb ist es sicher auch wichtig, dass jene, die ihre Vorurteile und Klischees oder Stereotypen haben, dies überwinden, wenn sie auf die römische Kurie schauen. Es sind alle Mitbrüder und Mitschwestern, die hier arbeiten und im Dienste der Universalkirche sich bemühen, um etwas zu erbringen, um Gutes für die ganze Kirche zu tun. Das ist insbesondere in unserer Zeit sehr wichtig. Wir leben einerseits in einer Welt, in der der Mensch aus säkularer Sicht betrachtet wird. Das müssen wir in einer positiven Sicht überwinden. Der Mensch ist da, um Gott zu erkennen und Gott zu lieben. Aus dieser Gottesliebe heraus soll etwas Positives kommen für die Gesellschaft und für sich selber, indem sich der Mensch als Ebenbild Gottes erkennt und seine Würde erfasst. Es geht darum, dass man da ist für die Familie oder im Kreis der Arbeitskollegen, aber auch in den großen Bereichen, in denen wir uns bewegen. Das wären Bereiche wie Wirtschaft, Politik, Kultur. Das sind große Lebensbereiche der Menschen. Hier wäre es sehr wichtig, dass wir das Positive und Aufbauende sowie Konstruktive des Christentums in den Mittelpunkt stellen."

Zum Umgang mit Kritikern
Das können wir – und das ist der zweite Punkt – nur wenn wir die Suche des Menschen nach Gott und der Wahrheit wieder voll und ganz aufnehmen. Gott kann niemals ein Randthema sein. Wenn wir uns auf Gott, auf Jesus Christus besinnen, dann können wir auch in der Kirche manche Spannungen abbauen. Das gilt auch für die Missverständnisse. Es darf nicht sein, dass die Einheit der Kirche Gottes gestört wird durch Ideologien, sektenhafte Art – am linken oder rechten Rand –, die auf sonderbare Weise kollaborieren und so der Kirche schaden. Diese Gruppierungen haben leider in manchen Medien mehr Resonanz als die vielen Millionen Gläubigen, die den Weg der Nachfolge Jesu Christi gehen und Vieles und Gutes leisten für den Aufbau der Kirche."

Wie könnte man Ihrer Meinung nach das Positive in der Kirche stärken? Wie möchten Sie das machen?

„Die Kongregation für die Glaubenslehre ist nicht die Nachfolgerin der Inquisition, wie es ein bisschen reaktionär und konservativ in der Berichterstattung heißt, weil man sich nicht die Mühe macht, sich mit der Gegenwart zu beschäftigen. Die Inquisition hatte ja damals 1542 die Aufgabe, die Häresien und Irrtümer ihrer Zeit abzuwehren. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Glaubenskongregation gegründet worden mit der Aufgabe, den katholischen Glauben zu fördern. Der Glaube ist ja ein Heilsereignis. Es geht um das Heil des Menschen und der ganzen Menschheit. Das möchten wir positiv einbringen. Der Heilige Vater hat das „Jahr des Glaubens" ausgerufen. Es beginnt mit dem Konzilsjubiläum und mit der Synode im Oktober. Die Glaubenskongregation hat angeregt, dass man in der Welt von heute die Kenntnisse des Glaubens vertiefen sollte. Viele Katholiken wissen leider nicht, was eigentlich unser Glaube im Inhalt nach ist und lassen sich deshalb vielleicht auch gegen die Kirche aufbringen, weil sie etwas Falsches glauben. Man soll eben nicht das Falsche und den falschen Leuten glauben, sondern man soll das glauben, was Gott für uns getan hat. Darauf dürfen wir bauen und denen vertrauen, die unsere Brüder in Schwestern sind. Die Bischöfe sind ja nichts anderes, die im Auftrag Christi das Lehramt ausüben."

Sie werden als Präfekt der Glaubenskongregation verschiedene Aufgaben innehaben. Unter anderem werden Sie die Päpstliche Kommission „Ecclesia Dei" leiten, die sich um den Dialog mit Traditionalisten wie etwa die Piusbrüder kümmert. Was erwarten Sie von diesen Gesprächen und was würden Sie selber gerne einbringen?

„Das Ziel ist immer die Einheit der Kirche und der Gläubigen mit der Kirche. Man kann nur dann katholisch sein, wenn man voll und ganz den Glauben der Kirche anerkennt. Dazu gehört auch das Lehramt und vom Lehramt ist auch das Zweite Vatikanische Konzil ein ganz bedeutender Teil. Deshalb ist es wichtig, dass auch innere Blockaden überwunden werden, die es dort bei Gruppierungen an den Rändern gibt und dass man sich einfach öffnet und Vertrauen hat zu unserem Heiligen Vater Benedikt XVI. und all denen, die in seinem Auftrag tätig sind. Es geht nicht darum, irgendwie jemanden zu zwingen oder nötigen, sondern es geht darum, dass wir die Freiheit des Glaubens und die Freiheit der Kinder Gottes, aber auch die Fülle der Offenbarung Gottes anerkennen, die der Kirche und damit dem Lehramt zur treuen Auslegung anvertraut worden ist. Deshalb rufe ich alle, die Schwierigkeiten damit haben, von Herzen dazu auf, Vertrauen zu fassen und die Einheit der Kirche sowie die Wahrheit des Glaubens zu suchen. Einheit der Kirche und Wahrheit des Glaubens bilden zwei Seiten einer Münze."

Sie kommen wie der Papst aus Deutschland. Hat das eine besondere Bedeutung für Ihr Amt?

„Deutschsein ist nichts Schlechtes. Es ist eine große europäische Kultur, aber eben nicht die einzige. Wir sind auch nicht eine deutsche Nationalkirche, die jetzt irgendwie sagt, wir hätten einen Posten errungen. Das ist ja kein Fußballspiel, wo man sich dann freut, wenn der eine aus der eigenen Mannschaft gewonnen hat. Wir sind vielmehr eine große Familie Gottes. Es ist bezeichnend, dass am Anfang der Kirche das Pfingstereignis steht. Da gab es die vielen Sprachen und Kulturen, die zusammenkamen. Ich freue mich, dass es hier so viele Sprachen und Kulturen gibt. Da fühlen wir uns ganz gut brüderlich verbunden. Auch brauchen wir es nicht zu leugnen, dass Deutsch meine Muttersprache ist und gleichzeitig auch die Sprache des Heiligen Vaters. Auch die entsprechende Kultur und vor allen Dingen die Universitätskultur und theologische Kultur, die wir gehabt haben, sind sehr bedeutsam. Aber auch die Tatsache, dass Deutschland ein konfessionell geteiltes Land ist; Theologen aus Deutschland haben deshalb unmittelbar etwas mit dem evangelischen Christentum zu tun und müssen auch ökumenisch orientiert sein. Ökumene heißt ja keineswegs, dass man den eigenen Glauben aufgibt, sondern dass wir den eigenen katholischen Glauben so verständlich machen, dass er auch von anderen Seiten in einladender Weise verstanden wird. Wir können unseren Glauben sehr gut und auch intellektuell sowie spirituell vertreten, ohne andere zu brüskieren. Deshalb hoffen wir, dass der ökumenische Prozess weitergeht und einstmals Gott uns die Gnade schenkt, dass alle Christen in der einen und sichtbaren Kirche vereint sind, in der wir gemeinsam das Lob Gottes beten und gemeinsam den Glauben bekennen und gemeinsam in den Sakramenten das göttliche Leben empfangen."

Sie haben bisher das Bistum Regensburg geleitet. Was wünschen Sie den Gläubigen in Ihrem – nun ehemaligen – Bistum?

„Ehemalig nur in Anführungszeichen, weil ich noch der emeritierte Bischof von Regensburg bin und das ist meine Heimatdiözese. Dort bin ich mit vielen Menschen in der Pastorale und Verkündigung zusammengekommen. Viele kenne ich persönlich sehr gut. Ich habe auch an vielen – auch schwierigen – Lebensschicksalen teilgenommen. Insofern fühlt man sich immer als Pastor – also Hirte – und ich wünsche allen und jedem Einzelnen die Erfahrung der Liebe Gottes in ihrem persönlichen Leben. Das wünsche ich auch dem gesamten kirchlichen Leben. Vor allem auch, die Spannungen, die es immer wieder gibt, zu überwinden und sich in die Einheit der Familie Gottes hineinzubegeben, von der man auch getragen wird, wenn man einen guten familiären Hintergrund hat. Das gilt sowohl für die persönliche Familie als auch für die große Familie der Gemeinde, Pfarreien, der Diözese sowie der ganzen Weltkirche. Dann macht das Leben auch Freude. Denn wir sind alle Kinder Gottes."

Gibt es noch einen besonderen Wunsch, den Sie gerne äußern möchten?

„Ich möchte auch öffentlich dem Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI., danken für das große Vertrauen, dass er mir geschenkt hat. Es ist ja eine Teilhabe an seiner Sendung und seiner Aufgabe, für die ganze Weltkirche zu sorgen. Ich weiß, dass wir Menschen immer eine begrenzte Kraft haben. Insofern bitte ich den Heiligen Vater, aber auch alle Mitchristen in Rom und in der ganzen Welt um das Gebet, dass wir in einem guten und brüderlichen Geist zusammenwirken können für den Weg der Kirche des 21. Jahrhunderts. Dass wir vor allen Dingen an der großen Aufgabe der Neuevangelisierung – auch unseres europäischen Kontinents – mitarbeiten und niemals den Blick auf die ganze Weltkirche verlieren." (rv)

Rückendeckung für Kardinalstaatssekretär

Papst Benedikt XVI. hat sich kurz vor seiner Abreise in die Sommerresidenz Castelgandolfo noch einmal ausdrücklich hinter seinen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gestellt. In einem kurzen Brief dankte der Papst Kardinal Bertone für seine „diskrete Nähe" und seinen „erleuchteten Rat", die ihm besonders in den letzten Monaten eine große Hilfe gewesen seien. Auch erwähnte der Papst die „ungerechten Kritiken", die der Staatsekretär in den letzten Monaten zu erdulden gehabt habe. Er versicherte Bertone abermals sein „volles und persönliches Vertrauen", das seit seinem letzten Brief vom 15. Januar 2010 zum 75. Geburtstag des Kardinals keine Änderung erfahren habe. (rv)

Hier der Brief vom 15.01.2012