Liturgien und Zeremonien im Vatikan

Wie heute eine Generalaudienz des Papstes aussieht, das wissen die meisten Rombesucher. Woher aber die einzelnen Bräuche stammen, was sie ausdrücken wollten und heute noch ausdrücken, das ist eher unbekannt. Zum Verständnis gibt es ein neues mehrbändiges Werk des Historikers Ulrich Nersinger, dessen zweiten Teil er selber dem Papst bei der Generalaudienz an diesem Mittwoch überreichen wird.

„Es geht in den beiden Bänden darum, das Vorgehen – also die Liturgien und die Zeremonien – in Rom, am päpstlichen Hof oder wie wir heute sagen im päpstlichen Haus ein wenig zu illustrieren, Verständnis zu wecken für Liturgien und Zeremonien, die uns heute nicht mehr so vertraut sind, die aber durchaus auch im Jahre 2011 uns noch etwas sagen können."

Nersinger hat die päpstlichen Liturgien studiert, solange es Aufzeichnungen gibt: Audienzen und Messfeiern, Empfänge und Kleidung, alles findet sich in den beiden Bänden beschrieben.

„Päpstliche Zeremonien sind etwas besonderes, weil sie immer vom päpstlichen Zeremonienmeister immer neu geschaffen wurden. Es gibt kein festes Formular oder kein festes Buch, das die Liturgien hundertprozentig festlegt. Immer wieder haben die Zeremoniare etwas geändert oder etwas hinzugenommen, der Zeit angepasst oder eigene Ideen in die Liturgie einfließen lassen. Natürlich auch die Ideen, die die Päpste gehabt haben."

Es sind aber nicht nur die Verfahren, Abläufe und Prozeduren, die Nersinger interessieren. Auch die handelnden Menschen finden in seinem Buch Platz:

„Was mir ein Anliegen war, das war die Zusammensetzung des päpstlichen Hofes zu erklären, heute sprechen wir vom päpstlichen Haus. Wer agiert hier, wer sind die einzelnen Personen, die dem Papst helfen, ihn unterstützen und mit ihm dieses zeremonielle und liturgische Leben in Rom gestalten."

Nersinger will Hilfestellung geben, um das zu verstehen, was man heute vielleicht nur noch im Fernsehen mitbekommt, wenn überhaupt. Silberne Trompeten, goldene Rosen: Dies alles sind Dinge, die sich dem modernen Verständnis nicht gleich erschließen.

„Ich glaube, dass der Mensch etwas braucht, was er ansehen kann oder was er hören und spüren kann. Da helfen solche Zeremonien oder solche Objekte sehr gut. Wenn der Papst zum Beispiel einen Wallfahrtsort besonders ehren möchte oder die Bedeutung betonen will, dann schickt er diesem Ort die goldene Rose. Das macht das ganz konkret, das ist nicht einfach nur ein Schreiben oder ein Wort, sondern es ist etwas Nachhaltiges, etwas, was man sehen kann. Man muss dann aber den Ursprung und die Geschichte und damit die Katechese dieser Sache erklären"

Ulrich Nersinger: Liturgien und Zeremonien am Päpstlichen Hof, erschienen im Verlag Nova & Vetera, zu finden ab Mittwoch auch in der päpstlichen Privatbibliothek. (rv)

Vatikan/Brasilien: Weltjugendtag in voller Vorbereitung

Bis zum nächsten Weltjugendtag sind es noch eineinhalb Jahre – das Fest mit dem Papst in Rio de Janeiro steigt von 23. bis 28. Juli 2013. Doch für so ein großes Ereignis drängt die Zeit nichtsdestotrotz. Kardinal Stanislaw Rylko, der Präsident des Päpstlichen Laienrates, der für die Weltjugendtage zuständig ist, kehrt soeben von seiner Vorbereitungsreise nach Rio zurück. Er sagte uns:

„Der Weltjugendtag in Rio schlägt quasi eine Bresche, er ist das erste von drei Großereignissen in Brasilien in den nächsten Jahren, danach kommt die Fußball-WM und dann Olympia. Deshalb haben wir das Ereignis vorverlegt und den ursprünglichen Zwei-Jahres-Rhythmus wieder aufgenommen. Die Organisation und auch die seelsorgerliche Vorbereitung müssen also in kürzerer Zeit als sonst stattfinden. Die Komitees in Rio sind schon mitten in der Arbeit."

Im Moment such man nach den geeigneten Orten für die großen Feiern mit dem Papst und für die Katechesen, außerdem sondiere man die Unterkunftsmöglichkeiten für Hunderttausende Jugendliche. Kardinal Rylko unterstrich hier die große Hilfsbereitschaft der zivilen Autoritäten Brasiliens.

„Auf pastoraler Ebene ist die Pilgerschaft dese Weltjugendtagskreuzes im Gang, das überall eine außergewöhnliche Aufnahme findet. Allein in Sao Paolo haben sich 100.000 Jugendliche versammelt, um das Kreuz in Empfang zu nehmen. Das Thema, das Papst Benedikt wählte, ist „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern". Das reiht sich gut ein in die Kontinentalmission der lateinamerikanischen Kirche. Die ganze Kirche blickt voller Erwartung auf den Weltjugendtag in Rio."

Für Papst Benedikt ist es bereits die vierte Begegnung dieser Art nach Köln, Sydney und Madrid. (rv)

Bald neue Heilige und Selige

Die Heiligsprechung zweier deutscher Ordensfrauen rückt näher. Es handelt sich um die Mystikerin Anna Schäffer und um die Missionarin Barbara Cope. Die vatikanische Heiligsprechungskongregation erkannte in beiden Fällen jeweils eine medizinisch nicht erklärbare Heilung als Wunder an, das auf ihre Fürsprache gewirkt wurde. Benedikt XVI. veröffentlichte an diesem Montag insgesamt 23 Dekrete über Wunder, die seine Anerkennung finden.

Die 1838 in Heppenheim geborene Barbara Cope hatte auf der Hawaii-Insel Molokai 35 Jahre lang Leprakranke gepflegt. Die Ordensfrau vom Dritten Orden des Heiligen Franziskus wuchs als Kind deutscher Auswanderer in New York auf und wurde später als „Mother Marianne of Molokai" bekannt. Cope wurde im April 2005 seliggesprochen.

Die im bayerischen Mindelstätten geborene Anna Schäffer war mehr als 20 Jahre lang schwer krank und litt an starken Schmerzen. Die Mystikerin führte mit zahlreichen Personen einen Briefwechsel über religiöse Fragen. Seit 1910 stellten sich an ihrem Körper Wundmale ein, die den Wundmalen Christi glichen.

Zum ersten Mal wird auch ein Priester aus dem vatikanischen Staatssekretariat selig gesprochen. Es ist Luigi Novarese aus dem nördlichen Piemont. Novarese kümmerte sich während des Zweiten Weltkriegs im Auftrag von Papst Pius XII. um Verfolgte. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatssekretariat widmete er sich ganz dem Einsatz für Kranke und Leidende; er starb 1984.

Erstmals wird auch erstmals die Heiligsprechung einer Indianerin aus den USA möglich. Es ist Caterina Tekakwitha, geboren in den heutigen USA, gestorben 1680 in Kanada. Die Entscheidung des Papstes sorgt dafür, dass bald auch weitere Opfer des Spanischen Bürgerkrieges selig gesprochen werden: Insgesamt wurden am Montag Wunder auf die Fürsprache von 63 Ordensleuten, einem Priester und einem Laien anerkannt, die allesamt 1936 im Erzbistum Madrid von antiklerikalen Milizen hingerichtet wurden.

Der Diözesanpriester Nicola Rusca, der 1563 im schweizerischen Thusis ermordet wurde, ist jetzt vom Papst als Märtyrer anerkannt; außerdem bestätigte Benedikt XVI. den „heroischen Tugendgrad" der deutschen Ordensfrau Maria Julitta, geboren 1882 in Uissigheim, gestorben 1966 in Würzburg. (rv)

Adveniat-Bischof: „Lateinamerika-Reise wird Glauben stärken“

Diese Woche hat Papst Benedikt angekündigt, dass er im kommenden Frühjahr Lateinamerika besuchen möchte, namentlich Mexiko und Kuba. Das sei eine positive Geste des Papstes, würdigt der deutsche Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck. Im Namen des katholischen Hilfswerks Adveniat, und auch aus deutscher Sicht, möchte Bischof Overbeck dem Papst für diese Reise danken. In unserem Wocheninterview mit Mario Galgano geht Bischof Overbeck die Besonderheiten dieser Reise ein.

„Mein erster Eindruck war, dass ich dankbar bin für diesen Besuch und der zweite, dass die Herauforderungen einmal darin bestehen Mexiko deutlich zu machen, dass die Kirche wirklich eine echte Stimme der Öffentlichkeit ist, dass sie eine moralische Autorität ist und das sie wesentlich zur Identität des mexikanischen Volkes gehört. Gerade die Madonna von Guadalupe, die ja auch die Patronin von Lateinamerika ist, macht das deutlich. Und dass daraus aber auch wieder Herausforderungen erwachsen, die mit Bildung, mit Liturgie, mit Volksfrömmigkeit und so weiter zu tun haben. In Kuba wird die Herausforderung vor allen Dingen in dem Nebeneinander von Politik und Kirche bestehen, um darin Räume zu haben, in denen die Kirche evangelisieren kann und vor allen Dingen auf diese Weise die soziale Botschaft der Kirche, nämlich den Armen und den Ärmsten zu helfen und aufzuhelfen Raum gibt. Das scheinen mir die wichtigsten Perspektiven zu sein. Von daher bin ich auch von Seiten von Adveniat mehr als dankbar für diese Reise, sofern es sich für einen Bischof gehört, das dem Papst gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Auf der anderen Seite sind wir selber von Adveniat, sowohl in Kuba als auch in Mexiko schon lange und auf vielfältige Weise engagiert."

Was hoffen Sie, welche Botschaft der Papst bei seiner Reise mit nach Lateinamerika mitbringt?

„Ich glaube, es ist wesentlich und wichtig, solidarisch zu sein mit den schwierigen Verhältnissen, in denen unterschiedlich in Kuba und in Mexiko die katholische Kirche ihre Botschaft verkündet und lebt und von daher eine Stärkung im Glauben vor allen Dingen erfährt. Insofern wünsche ich der lateinamerikanischen Kirche vor allem in Mexiko und Kuba genau das, was wir beim Besuch des Heiligen Vaters im September hier in Deutschland erfahren durften, nämlich eine Stärkung im Glauben und das Wort ‚Wo Gott ist, da ist Zukunft’. Das gilt genauso für Deutschland wie für Kuba und Mexiko."

Wird es denn irgendwie eine Zusammenarbeit von Adveniat für diese Papstreise geben? Wird Adveniat in irgendeiner Art und Weise, direkt oder indirekt involviert sein?

„Das ist immer wieder angefragt, weil es sehr gute Beziehungen gibt zwischen der Kirche in Deutschland und vor allen Dingen unserem Hilfswerk Adveniat und den lateinamerikanischen Ortskirchen und den Ortskirchen in der Karibik. Und so ist das auch auf Kuba und so wird es auch in Mexiko sein. Das ist völlig selbstverständlich, dass die vielen Kanäle der Hilfen und Unterstützung genutzt werden und wir auch das anbieten, was wir anbieten können."

Nun ist es ja eben so, dass Adveniat in diesem Jahr Geburtstag feiert, 50 Jahre. Wenn Sie eine Bilanz von diesen Jahrzehnten ziehen könnten, was würden Sie sagen, was bleibt?

„Die 50 Jahre Adveniat haben zum einen gezeigt, dass die deutschen Katholiken – das war eine dar anfänglichen Gründe, warum das Werk entstanden ist – eine große Sensibilität und Dankbarkeit gezeigt haben für die Hilfe, die sie selber in den schwierigen Nachkriegsjahren auch von den lateinamerikanischen Ortskirchen bekommen haben. Auf der anderen Seite haben die deutschen Katholiken – ich bin immer allen Spenderinnen und Spendern immer sehr dankbar – Jahr für Jahr insgesamt 2,3 Milliarden Euro gespendet, sodass wir mit sehr vielen Projekten die Ortskirchen dort unterstützen konnten: im Aufbau der Seelsorge und Priesterseminaren, für Ausbildung von Priestern und Ordensleuten, Laien, Katecheten etc. Das Jubiläumsjahr hat das auf verschiedenen Ebenen gezeigt. Wir haben ein theologisches Symposium hier in meinem Bistum Essen in Mühldorf hinter Wolfsburg gehabt, wir haben ein theologisches Symposium in Aparecida jetzt Ende September abgehalten, uns mit theologischen Entwicklungen in der Karibik und Lateinamerika beschäftigt. Es hat hier in Deutschland ein großes Fest in Essen stattgefunden, ein offizieller Festakt, sowohl in essen als nochmals in Köln und wir haben das Jubiläum auch groß in Aparecida, wie auch in Sao Paulo feiern können, schließlich auch mit einer heiligen Messe aus einer Favela, die durch das ZDF übertragen wurde und mit einem in ganz Lateinamerika übertragenen Pontifikalamt mit dem Erzbischof Kardinal Scherer von Sao Paulo aus der Kathedrale eben dort. Durch die jetzt auch schon vielen Besuche und Gespräche, die ich führen konnte, ist mir deutlich geworden, dass sehr viele lateinamerikanische Bischöfe und Ortskirchen uns sehr dankbar für unsere Hilfe sind, danken sehr für die Verlässlichkeit und dafür geholfen zu haben, verlässliche Strukturen aufzubauen. Und ich kann heute auch sagen, dass wir in der deutschen Kirche viel gelernt und viele Partnerschaften geknüpft haben, nicht nur über Adveniat, sondern die Diözesen, einzelne Pfarreien und andere Institutionen und Strukturen. Da gilt einfach ein einfach Wort: Niemand ist so reich, dass er etwas einfaches empfangen könnte und niemand ist so arm, dass er nichts geben könnte."

Jetzt gibt es ja auch die Weihnachtsaktion mit dem Motto ‚Dein Reich komme’. In wie weit ist diese Aktion auch im Rahmen des Jubiläums einzuordnen?

„Die Aktion von Adveniat hat ihren Titel von der zweiten Vaterunserbitte bekommen, sowohl beim 25-jährigen Bestehen, als auch jetzt beim 50-jährigen es für uns verständlich war, um dieses Motto zu wählen, da es deutlich macht, dass das die Zielperspektive all unseres Tuns in der Kirche und mit der Kirche und durch die Kirche ist, dass es um das Kommen von Gottes Reich geht. Das hat – da kann man an die Optionen der Versammlung der Bischöfe Lateinamerikas in Aparecida anschließen – mit Bildung zu tun, mit einer Sorge für die Armen, aber auch einer Option der Armen, auf die zu hören ist. Wenn man das verbindet mit den vielen Perspektiven des weiteren Aufbaus einer Gesellschaft, die sich leider Gottes immer mehr in einige wenige Reiche und unzählige Arme spaltet, dann bleibt viel zu tun für uns. Und das konnten wir jetzt wiederum bei der Aktionseröffnung in Köln am dritten Sonntag, dem letzten Adventssonntag deutlich feststellen und merken, was für eine lebendige und große Festgemeinschaft da zusammengekommen war, die sich aber gegenseitig bereits gut kannte und guten Austausch gepflegt hat."

Herzlichen Dank für das Gespräch. (rv)

Rom: Papst besucht Strafgefangene

Benedikt XVI. hat am Sonntagmorgen Strafgefangene im römischen Gefängnis Rebibbia besucht. Bei der Begegnung mit etwa 300 Inhaftierten forderte der Papst verstärkte Anstrengungen für ein gerechtes Justizwesen und erinnerte an den Zusammenhang von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit. In seiner Ansprache zitierte Benedikt XVI. wörtlich einen Passus des Nachapostolischen Schreibens „Africae Munus":

„Es ist dringlich, unabhängige Justiz- und Gefängnissysteme einzurichten, um das Recht wiederherzustellen und die Schuldigen neu zu erziehen. Auch müssen die Fälle von Justizirrtümern und die Misshandlungen von Gefangenen, die zahlreichen Vorfälle von Nichtbeachtung des Gesetzes und die Verhaftungen, die erst spät oder nie in einen Prozess münden, ausgeschlossen werden. … Die Gefangenen sind menschliche Personen, die trotz ihres Vergehens verdienen, respektvoll und mit Würde behandelt zu werden. Sie bedürfen unserer Fürsorge."

Überdies unterstrich Benedikt den Zusammenhang von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, die von den Menschen zumeist als etwas Unterschiedliches betrachtet würden.

„Gerecht ist für uns das, was dem anderen geschuldet ist, während barmherzig das ist, was aus Güte gegeben wird. Scheinbar schließt das eine das andere aus. Aber für Gott ist es nicht so: In Ihm fallen Gerechtigkeit und Liebe zusammen, es gibt keine gerechte Handlung, die nicht auch ein Akt der Barmherzigkeit und der Vergebung wäre, und zugleich gibt es keine Handlung aus Barmherzigkeit, die nicht vollkommen gerecht wäre. Wie weit entfernt ist die Logik Gottes von der unseren! Und wie anders ist seine Weise zu handeln! … Unsere Gerechtigkeit wird umso vollkommener sein, je mehr sie beseelt ist von der Liebe zu Gott und zu den Mitbrüdern." (rv)

Niederlande: Abschlußbericht über kirchliche Mißbrauchsfälle

Mit Scham und Schmerz reagieren die Bischöfe und Ordensoberen auf den Abschlußbericht über kirchliche Mißbrauchsfälle. In ihrer Erklärung sprechen sie von der Schuld der Täter, aber auch der kirchlichen Vorgesetzten, die sich im Umgang mit solchen Fällen nicht zuallererst von der Sorge für die Opfer leiten ließen. Jetzt wollen sie für Entschädigungen und andere Hilfen für die Opfer sorgen. Der Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission über die Jahre 1945 bis 2010 stellt fest, mehrere zehntausend Minderjährige seien an kirchlichen Einrichtungen der Niederlande Opfer von sexuellen Übergriffen geworden. Das Ausmaß dieser Übergriffe sei zwar „prozentual betrachtet relativ gering, aber an den absoluten Zahlen gemessen ein großes Problem". Hinsichtlich des Ausmasses sexueller Übergriffe unterschieden sich katholische Schulen und Internate nicht signifikant von Einrichtungen in anderer Trägerschaft.

Der frühere Erzbischof von Utrecht, Kardinal Adrianus Johannes Simonis, anerkennt in einer Stellungnahme, „dass aus Sicht der Regierung auch unter meiner Verantwortung auf einige Fälle nicht adäquat reagiert worden ist". Das erfülle ihn „mit großer Bitterkeit". Kardinal Simonis bezieht sich auch auf ein Interview vom März letzten Jahres; darin hatte er auf die Frage, ob die niederländischen Bischöfe von Missbrauchsfällen an kirchlichen Einrichtungen wüssten, mit Nein geantwortet. (rv)

Vatikan: Die Vatikanbibliothek wird teilweise digitalisiert

Eine der ältesten Sammlungen von Originalhandschriften und ein reicher Schatz von Papstdokumenten von den Zeiten Gregors des Großen an schaffen den Sprung in die digitale Welt. Seit 2010 werden bereits Teile der Handschriftenbände digitalisiert; nun soll ein weiterer Schritt gegangen werden, nämlich das Scannen von ca. 80.000 Manuskripten in hochauflösendem Format. Die ersten Dokumente der Sammlung gehen auf das 4. Jahrhundert zurück, die Sammlung, wie man sie heute kennt, wurde unter Papst Nikolaus V. (1397-1455) im Jahr 1447 begonnen. Der Leiter der Vatikanbibliothek, Cesare Pasini, erklärte dazu, dass der Plan für das Projekt schon seit einigen Jahren bestehe, es aber nie vollständig konkretisiert werden konnte. Nun aber existierten die notwendigen fortgeschrittenen Technologien. Unterstützt wird das Projekt unter anderem von der Universität Heidelberg. (rv)

Vatikan: Veränderungen in den Dikasterien

Papst Benedikt XVI. hat an diesem Samstag einige Ernennungen vorgenommen. Dazu gehört die Berufung des französischen Dominikaners Serge Thomas Bonino zum neuen Generalsekretär der Internationalen Theologenkommission. Bonino ist Philosophie- und Theologieprofessor in Toulouse. Auch eine Frau ist unter den Ernannten dieses Samstags: Die Ordensfrau Nicoletta Vittoria Spezzati rückt zur Untersekretärin der vatikanischen Ordenskongregation auf. Sie war bislang „Officiale" in diesem Vatikanministerium. Schwester Spezzati folgt im neuen Amt einer anderen Ordensfrau nach, der Salesianerin Enrica Rossana. Diese war die erste Ordensfrau gewesen, die im Vatikan ein so hohes Amt innehatte. Gegenwärtig gibt es in den vatikanischen Kongregationen und päpstlichen Räten nur eine weitere Frau im Rang einer Untersekretärin: die Italienerin Flaminia Giovanelli im päpstlichen Friedensrat. (rv)

Kardinal Koch über die Herausforderungen der Ökumene

Eine Flugreise mit dem Heiligen Geist als Pilot, bei der man hofft, dass das Flugzeug sicher landet: So bezeichnet Kardinal Kurt Koch den ökumenischen Dialog. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates hielt am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in Rom einen Vortrag über die Arbeit seines Rates. Der Schweizer Kurienkardinal sieht in den letzten Jahren viele Veränderungen und Herausforderungen in der Ökumene.

„Wir haben beispielsweise in verschiedenen Kirchen eine neue Rückbesinnung auf ihre eigene konfessionelle Identität. Das kann ein großer Vorteil sein, weil man eine klare Identität haben muss, um im Dialog zu sein. Es kann aber auch sein, dass man sich von der Ökumene ein bisschen entfernt. Eine zweite Herausforderung ist, dass das eigentliche Ziel der Ökumene immer undeutlicher wird. Wir haben verschiedene Konzeptionen von der Einheit, aber wie haben kein gemeinsames Ziel. Und das macht es schwierig. Wir können ja nicht nach dem Motto des Wiener Komikers Qualtinger handeln ‚Ich weiß zwar nicht wohin ich will, aber dafür bin ich schneller dort’, sondern wir müssen neu suchen, was das eigentliche Ziel ist. Und der Grund, weshalb wir kein gemeinsames Ziel haben, ist eigentlich weil jede Kirche ihre eigene Vorstellung von der Einheit ihrer Kirche hat und darum ist ein notwendig, dass wir uns darauf besinnen, was eigentlich das Wesen der Kirche ist."

Eine dritte Herausforderung seien die neuen Gesprächspartner der katholischen Kirche in der Ökumene, so Kardinal Koch.

„Wir haben ein ganz starkes Anwachsen von pentekostalischen Bewegungen. Das ist eine neue Realität in der ganzen Welt, die fast die zweitgrößte Bewegung nach der katholischen Kirche ist. Man muss eigentlich von einer Pentekostalisierung der Ökumene reden. Und das sind ganz neue Herausforderungen. Und eine vierte Veränderung ist, dass heute zwischen den Kirchen vor allem ethische Fragen kontrovers sind und dass man auch den Dialog über diese ethischen Fragen stellen muss. Und ich denke, die meisten ethischen Fragen haben es mit dem Menschenbild zu tun, sodass wir vor der Herausforderung stehen, eine gemeinsame ökumenische Anthropologie, also eine Lehre vom Menschen zu entwickeln."

Ökumenische Gespräche auf nationaler Ebene, wie beim jüngsten Besuch einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz in Moskau betrachtet Kardinal Koch positiv:

„Die sind sicher sehr gut, weil wir vom Einheitsrat nur Weltebene handeln können. Viele Fragen stellen sich aber regional und da ist es ganz gut, wenn Bischofskonferenzen oder Delegationen in intensiven Kontakt mit einzelnen anderen Kirchen stehen. Ich kann das nur begrüßen und befürworten."

Ebenso haben nach Ansicht des Schweizer Kardinals gemeinsame christliche Feiertage, wie das anstehende Weihnachtsfest, große Bedeutung für die Ökumene:

„Die Ökumene steht und fällt damit, dass wir und auf das Kerngeheimnis zurückbesinnen, das uns ja gemeinsam ist und das vertiefen. Und Weihnachten, die Menschwerdung Gottes, ist dieses Kerngeheimnis des christlichen Glaubens. Und je näher wir in der Mitte des Glaubens zusammenrücken und uns zusammenfinden, umso näher werden wir auch gemeinsam zu einander kommen." (rv)

Papstbesuch im Gefängnis: „Wichtige Geste auch für die Politik“

Papst Benedikt XVI. besucht am vierten Adventssonntag den neuen Komplex der römischen Haftanstalt Rebibbia. In der Gefängniskapelle trifft er Gefängnisinsassen und beantwortet deren Fragen. Im Anschluss segnet er einen Baum vor der Kirche. Die Insassen der Haftanstalt, die eine der größten und bestbewachten ganz Italiens ist, stecken mitten in den Vorbereitungen.

Mit seinen Gefängnisbesuchen knüpft Papst Benedikt XVI. an eine Tradition seiner Vorgänger an. Im Gedächtnis blieb der Öffentlichkeit vor allem die Begegnung Papst Johannes Pauls II. mit seinem eigenen Attentäter Alì Agca am 27. Dezember 1983 im römischen Gefängnis Rebibbia – eben jener Haftanstalt, die Papst Benedikt XVI. jetzt besuchen will. Die Zustände in italienischen Gefängnissen stehen seit Jahren in der Kritik, vor allem Überfüllung ist ein großes Problem. Im neuen Komplex des Rebbibia-Gefängnissen sitzen allein 1.740 Häftlinge ein. Gefängnisseelsorger Pier Sandro Spriano hält es für möglich, dass der Papstbesuch die Politik in dieser Hinsicht wachrütteln kann:

„In einer Zeit, in der die Gefängnis-Insassen von den Institutionen praktisch verstoßen werden – wegen anderer Probleme, die wichtiger sind, und weil es keine Ressourcen gibt – hat dieser Besuch aus meiner Sicht und aus Sicht der Gefängnisinsassen eine extrem große Bedeutung! Die Kirche und der Papst als ihr wichtigster Exponent kommen hierhin und sagen: ,Wir sind bei euch‘, das ist wichtig. Das kann auch vorausweisend als überzeugende Geste an die Politiker verstanden werden, damit sie etwas gegen diese unglaubliche Überfüllung der Gefängnisse tun, die die Würde aller herabsetzt. Das wünschen wir uns – aber in erster Linie ist das natürlich ein Pastoralbesuch, der die Nähe der Kirche demonstriert."

Benedikt XVI. war 2007 schon einmal in einem römischen Gefängnis zu Besuch, und zwar in der Jugendhaftanstalt „Casal del Marmo", in der viele junge Rumänen wegen Diebstahl-Delikten einsitzen. Dort feierte er eine Messe und rief zur Umkehr auf. Nach dem historischen Besuch von Johannes Paul II. machte im Mai 2010 im Rebibbia-Gefängnis das Kreuz der Weltjugendtage halt. Vor dem Kreuz formulierten die Insassen Fürbitten und konnten beichten. Wie bereiten sich die Inhaftierten auf den kommenden Besuch von Papst Benedikt vor? Der Priester Spriano wörtlich:

„Das Gefängnisleben ist ziemlich geschäftig, da hat man wenig Zeit für Vorbereitungen. Aber in diesem Fall haben wir schon viele Fragen der Insassen gesammelt. Aus denen werden dann einige Fragen ausgewählt, die dann für das Treffen mit dem Papst bestimmt sind. Viele Gefangene haben Fragen, die voller Spiritualität sind – anders als man vielleicht ,draußen‘ meinen könnte. Weiter gibt es viele Insassen, die das Gefängnis reinigen und mit Blumen dekorieren, so dass ein würdiges Ambiente entsteht. So wie Jesus zu Weihnachten kommt, so kommt der Papst zu uns!"

Der neue Komplex des römischen Gefängnisses Rebibbia ist nur einer von vier Teilen der Haftanstalt. Papst Johannes Paul II. besuchte denselben Komplex, den Papst Benedikt XVI. am Sonntag besucht. (rv)