Pater von Gemmingen wird 75

 Der wahrscheinlich berühmteste Jesuitenpater Deutschlands wird an diesem Montag 75 Jahre alt: Pater Eberhard von Gemmingen. 1982 nach Rom gekommen, leitete er 27 Jahre lang den deutschsprachigen Dienst von Radio Vatikan. Heute lebt und wirkt er in München für seinen Orden und ist nach wie vor ein gefragter Gesprächspartner, wenn es darum geht, „den Vatikan zu erklären". Antje Dechert sprach mit Pater Gemmingen und fragte ihn zunächst nach seiner prägendsten Erinnerung an seine Zeit im Vatikan.
Das wichtigste war die lange Zeit des Sterbens von Johannes Paul II. und die Wahl von Papst Benedikt. Da war für Radio Vatikan viel zu tun, daneben aber auch die vielen Fernsehauftritte, die Flüge von Rom nach Deutschland und zurück, um bei allen möglichen Sendungen dabeizusein. Einmal bin ich mit einem italienischen Politiker im Privatflugzeug von Berlin nach Rom geflogen, wir wurden dann auch abgeholt mit Blaulicht, und er sagt mir: Vor uns im Auto, das ist Tony Blair. So kamen wir in die Stadt, um am nächsten Tag war die Beerdigung von Johannes Paul."
Ist der Vatikan weltfremd? Sehen Sie diesen Vorwurf an den Vatikan heute mit neuen Augen?
„Die Gefahr der Weltfremdheit besteht schon wirklich. Aber der entscheidende Hintergrund ist, dass die Mentalitäten der Populationen außerordentlich verschieden sind. So, wie wir Deutsche beispielsweise in Sachen Kernkraft denken, denkt fast niemand auf dieser Erde. Und so wie wir Deutsche mit dem Vatikan kritisch sind, so ist fast niemand sonst kritisch, mit Ausnahme vielleicht von einigen Missionaren rund um den Globus, die haben auch gute Gründe. Aber wenn wir hier sagen, der Vatikan ist eine Katastrophe, würden wahrscheinlich viele Katholiken auf der Welt entgegnen, der Vatikan ist eine große Hilfe, denn er tritt für uns ein, für Menschenrechte und so weiter. Der Papst ist ein armer Uhrensteller, der die verschieden gehenden Uhren gleichrichten soll, und das ist furchtbar schwierig. Ich sehe den Vatikan durchaus auch kritisch, sehe aber, dass vieles, was uns ärgert, nicht Schuld des Vatikans ist, sondern weil halt bei uns die Uhren sehr anders gehen. Die Weihe von verheirateten Männern wird vielleicht auch ein wenig anderswo gefordert, aber im deutschen Sprachraum ganz kräftig. Wir sollten nicht vergessen, dass man anderswo ganz andere Fragestellungen hat."
Die Priesterweihe für „Viri probati" ist eine der Forderungen des Theologenmemorandums: Haben Sie Verständnis für diese Forderungen?
„Ich würde sagen, man müsste offen und christlich darüber reden. Man kann nicht sagen, es kommt nicht in Frage, ich wünsche mir, das solche Bitten auch im Vatikan offen vorgetragen werden, aber eben nicht als Forderungen im Stil von „es muss jetzt…", sondern „müssten wir nicht Viri probati weihen aus diesem und jenem Grund", sodass man Argumente in Frieden und Ruhe und christlich austauscht."
Sie haben Ihren Dienst in München – Fundraising für den Jesuitenorden – genau zu dem Zeitpunkt begonnen, als der Skandal in Sachen Kindesmissbrauch ausgerechnet durch Fälle im Jesuitenorden losgetreten wurde. War das für Sie sozusagen ein besonders gründlicher Abschied von Rom?
„Ja, das war natürlich schon besonders schwer für unseren Orden, aber Gottseidank am Ende des Jahres 2010 waren die spenden nicht zurückgegangen, sondern sogar gestiegen. Ich interpretiere das so, dass die Leute, die uns wohlgesonnen sind, wissen, dass es zwar ganz böse Sachen bei uns gegeben hat, aber dass die allermeisten Jesuiten und überhaupt Priester anständig arbeiten und das, was in der Zeitung steht, nicht überinterpretiert werden darf." (rv)