Johannes Paul: Ein hieb- und stichfester Seliger

 Die Heiligkeit von Papst Johannes Paul II. wird auch dann noch über jeden Zweifel erhaben sein, wenn der Vatikan in mehreren Jahrzehnten die Geheimarchive über das Wojtyla-Pontifikat öffnet. Das glaubt der Anwalt des Seligsprechungsverfahrens für Johannes Paul, Slawomir Oder. Im Gespräch mit uns sagte der polnische Priester und Kirchenrechtler, ein solcher Seligsprechungsprozess sei langwierig und gründlich.
„Alle, die daran teilnehmen, haben die Pflicht, zur Wahrheit der Fakten vorzudringen. Auch in diesem Fall wurden Zeugen einberufen, die abweichende Meinungen vertraten, solche also, die nicht im Einklang stehen mit dem Chor, der rief: Sofort heilig."
Ingesamt hörte der Untersuchungsrichter im Seligsprechungsverfahren für Johannes Paul 114 Zeugen. Welche, ist vom Prozessgeheimnis gedeckt. Allerdings ist bekannt, dass unter anderem General Wojciech Jaruzelski aussagte, der letzte kommunistische Präsident Polens in der Zeit des Kalten Kriegs. Unterstützte Johannes Paul die polnische Gewerkschaft Solidarnosc finanziell? Handelte er nicht entschieden genug im Fall des Gründers der Legionäre Christi, der ein Doppelleben führte? Auch darüber, welche Streitpunkte genau der Prozess untersuchte, muss Slawomir Oder, dem Kirchenrecht gehorchend, Stillschweigen wahren. Sicher ist er sich aber darüber, dass die Seligsprechung hieb- und stichfest ist.
„Die Kirche bewegt sich, was die Heiligen betrifft, immer mit übergroßer Vorsicht. Auch hier kann ich sagen: Was immer vorgebracht werden konnte an Beobachtungen, Problemen, Schwierigkeiten, das wurde mit den geeigneten Werkzeugen untersucht. Ich bin da zuversichtlich. Wir haben gut gearbeitet."
Mehrere hunderttausend Pilger aus aller Welt werden am 1. Mai in Rom erwartet, wenn Papst Benedikt seinen Vorgänger ins Buch der Seligen einschreibt. Gestorben ist Johannes Paul an diesem Samstag vor sechs Jahren. (rv)

Zollitsch: „Mit dem Papst über Theologen-Memorandum gesprochen“

Zu Gast bei Radio Vatikan war an diesem Freitagnachmittag der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Wir haben mit ihm über die Papstreise, den Dialogprozess und das Theologenmemorandum gesprochen.
Deutschlandreise des Papstes
Bundesministerin Annette Schavan hat Radio Vatikan gegenüber im Interview gesagt, der Papst sei „innerlich sehr beschäftigt" mit seinem bevorstehenden Deutschlandbesuch. Haben Sie das bei Ihrer Audienz auch so erlebt?
„Ja. Ich konnte ausführlich mit dem Heiligen Vater über seinen Besuch sprechen, wir haben die einzelnen Stationen miteinander besprochen. Er ist auch sehr interessiert daran, welche Botschaft in Berlin von ihm erwartet wird, denn die Rede im Deutschen Bundestag ist etwas Besonderes und für ihn eine Chance, dem deutschen Volk, seinem Volk, einiges zu sagen. Das beschäftigt ihn sehr bewusst. Ihn beschäftigt auch die Frage, wie katholische Kirche in Berlin lebendig wird und wie der Gottesdienst, den wir dort feiern, für möglichst viele Berliner zu einem Zeugnis des Glaubens wird.
Ein besonderer Schwerpunkt ist für ihn dann die Begegnung mit der evangelischen Kirche in Erfurt. Der Papst selber hat Wert darauf gelegt, dass mehr Zeit eingeplant wird für die Begegnung mit den Vertretern der evangelischen Kirche, dass es einerseits ein Gespräch gibt und zum anderen auch eine gemeinsame Form des Gottesdienstes, des Gebetes – weil er zeigen will, dass wir nicht nur die sind, die miteinander sprechen oder gar übereinander sprechen, sondern vor allem auch die, die gemeinsam zu Gott sprechen und damit gemeinsam auf einem Weg sind. Da überlegt er sich sehr intensiv, welche Botschaft von ihm in Erfurt erwartet wird und welche er dort mitbringen kann.
Dann ist für ihn auch eine schöne Station Freiburg selber, was der Schwerpunkt sein wird. Dort feiern wir den großen Gottesdienst am Sonntag, am Abend zuvor ist eine Vigilfeier mit der Jugend, auf die er sich besonders freut. Er hat sich erinnert an eine Vigilfeier beim Katholikentag 1978 in Freiburg mit Mutter Teresa und hat auch noch hinzugefügt, „Das war zur Zeit von Papst Johannes Paul I.". Das ist ihm sehr lebendig in Erinnerung.
Diese Fragen beschäftigen ihn, und er ist dankbar, wenn wir ihm auch unsere Hinweise geben, unsere Wünsche formulieren, unsere Anregungen. Er sagte mir, dass er dann im August in Castelgandolfo genauer überlegen wird, was Herausforderung, was Chance und was die Botschaft ist, so dass die beiden Schwerpunkte, die Frage nach Gott und nach der Zukunft, auch wirklich durchkommen."
Der Dialogprozess
Herr Erzbischof, die deutschen Bischöfe haben einen Brief an die Gemeinden geschrieben. Gab es da schon erste Rückmeldungen oder Reaktionen?
„Wir wollen die Gemeinden damit einladen, den Weg des Dialoges und Gespräches mitzugehen und sich engagiert daran zu beteiligen. Zugleich wollen wir das tun im Bewußtsein, dass wir gemeinsam auf dem Weg sind, gemeinsam auf Gott und auf einander hören wollen.
Ich habe verschiedene Echos gehört, was mich freut – denn es zeigt, dass Interesse da ist.
Es sind viele dankbar dafür, dass wir gemeinsam einen Weg nach vorne gehen wollen und dass die Fragen, die da sind, angesprochen werden sollen und dass wir schauen wollen, wie uns Gott den Weg in die Zukunft zeigt. Es sind auch manche Echos gekommen, die mir sagten, dass sie das noch etwas konkreter erwartet hätten, dass wir noch konkreter hätten sagen können, was die Herausforderungen sind, aber wir wollten ja nicht als Bischöfe die Vorgaben machen, um welche die Themen es geht, sondern wir wollen einladen, gemeinsam diesen Weg zu gehen und dann die großen zentralen Anliegen im Blick auf das Evangelium miteinander zu klären versuchen… und uns dabei Wege zeigen zu lassen, vor allem wenn wir auf einander und gemeinsam auf Gott hören."
Auffällig war, dass Sie vor einer Emotionalisierung der Debatte gewarnt haben. Was ist daran so gefährlich?
„Die Gefahr besteht, dass jeder Forderungen stellt, die nach seiner Weise erfüllt werden müssen, bevor man miteinander spricht. Das halte ich für gefährlich, denn man muss erst miteinander sprechen, um dann auch zu erkennen, wie die Position des anderen ist, was meine Position ist und wie ich die dann auch darlegen kann. Wir sollten nicht zuerst sagen, dass dies oder jenes erfüllt sein muss, bevor wir uns auf den Weg machen. Wir sollen den Mut haben, zu sagen: ‚Wir machen uns gemeinsam auf den Weg’. Emotionen sind in Gefahr, den anderen zu verletzen, sind in Gefahr, dass man sich selber verschließt, und nur auf sich selbst zu sehen und bei sich selbst zu verharren.
Die Gefahr ist doch die: Man kann auf Barrikaden nicht miteinander diskutieren, und Emotionen können leicht auf Barrikaden führen. Also ist das Anliegen, sachlich, menschlich so miteinander zu sprechen, dass ich dem anderen dabei ins Auge sehen kann, ohne ihn zu verletzen. Dann können wir auch das Gemeinsame viel besser finden, denn Verletzungen verschließen."
Wie macht man das? Wie komme ich über den moralischen Appell, offen miteinander zu reden, hinaus? Wie strukturiere ich das so, dass alle Parteien eben nicht diese Emotionalisierung betreiben?
„Wir machen in der Erzdiözese Freiburg den Versuch über eine Hilfe, die wir geben, die „Dialogbox". Dort wird angeregt, wie man miteinander spricht, welche Fragen wir stellen, wie wir aufeinander zugehen. Und wir laden auch ein, das Gespräch über all diese Fragen schon mit einer geistlichen Besinnung und im Gebet mit einer Besinnung auf die Heilige Schrift zu beginnen.
Und wenn da die Positionen aufeinander stoßen, zu fragen, was Gott mir durch die Position des anderen sagen will. Dass wir einander ernst nehmen und auf diese Weise das Gemeinsame sehen, das uns verbindet im christlichen Glauben in unserer katholischen Kirche. Sich für den anderen öffnen heißt auf den anderen hören, seine Position ernst nehmen und kennen lernen wollen. Und dann kommen wir weiter."
Das Theologenmemorandum
Zu der ganzen Debatte gehört auch das Theologenmemorandum. Wo stehen wir da im Augenblick?
„Die Theologen haben sich zu Wort gemeldet und haben Punkte benannt, die eigentlich überall bekannt sind, und zwar Forderungen, die viele Leute in der Kirche auch stellen. Sie haben das noch einmal namhaft gemacht. Ich hätte mir natürlich von den Theologen erwartet, dass sie auch theologisch arbeiten, etwa die große Frage nach Gott stellen, auch die große Frage stellen, wie es zu dieser Säkularisierung kommt, in der wir leben, denn die hat ja Wurzeln, die weit, weit zurück reichen. Oder auch die Frage theologisch zu stellen, wir wir heute einen Weg nach vorne gehen können – und was ist nun heute die Chance des Glaubens, wie kann ich im Heute glauben, wie kann ich heute über Gott sprechen, wie kann ich heute die Wahrheiten verkünden, um die es uns allen geht? Das sind für mich die ersten und die grundlegenden Fragen.
Die anderen Fragen werden wir auch ansprechen im Laufe des Dialogsprozesses und schauen, wo die Positionen der Kirche klar sind – darüber braucht man nicht mehr zu sprechen, denn die Wertschätzung der Ehe ist für uns selbstverständlich –, dann aber auch die anderen Fragen zu stellen.

Es wird sicher Situationen geben, wo wir sagen, dass wir hier als Kirche in Deutschland nicht weiter kommen: Hier sind weltkirchliche Fragen angesprochen, die auch nur auf der Ebene der Weltkirche entschieden werden können. Dann gibt es theologische Positionen, über die man miteinander sprechen und die man auch weitergeben kann. Es wird aber auch Situationen geben (wenn ich etwa das Verhältnis Priester und Laien anspreche oder wenn ich an manche Strukturfragen der Kirche in Deutschland denke), wo wir selber Entscheidungen treffen und Wege nach vorne gehen können."
Memorandum – Im Gespräch mit dem Papst
Haben Sie auch mit dem Papst über das Memorandum gesprochen?
„Ja, ich habe auch mit dem Papst darüber gesprochen und meine Position gesagt. Ich habe auch dargelegt, dass ich bei uns in Freiburg das Professorenkollegium der theologischen Fakultät der Universität zum Gespräch eingeladen habe. Wir haben miteinander gesprochen und wir haben vereinbart, beim nächsten Gespräch, das im Mai sein wird, über die Frage Theologie und Lehramt zu sprechen. Wir wollen schauen, wie wir mit diesen Fragen weiter kommen."
Der Dialogprozess: 300 Christen treffen sich in Mannheim
Mit diesen Vorstellungen machen Sie auch den ersten Schritt im Juli in den Gesprächsprozess der Bischofskonferenz hinein.
„Wir wollen im Juli etwa 300 Personen aus allen deutschen Diözesen einladen zu einem gemeinsamen Treffen von zwei Tagen in Mannheim, um dann einzusteigen mit diesen Fragen: Wie wir aufeinander hören, und was es heißt, im Heute zu glauben. Dass wir Erfahrungen zusammentragen, dass wir Ängste zusammentragen, dass wir auch Wege aufzeigen, die wir bisher gegangen sind, um zu schauen, wie der Weg nach vorne weiter geht."
Herr Erzbischof, herzlichen Dank für das Gespräch. (rv)