Erzbischof Sterzinsky zum Papstbesuch: „Ich würde mir wünschen, dass er vor dem Bundestag reden darf“

Der Papst wird im September 2011 Deutschland besuchen. Während des Konsistoriums am vergangenen Wochenende hielt sich auch der Erzbischof von Berlin in Rom auf: Kardinal Georg Sterzinsky. Pater Bernd Hagenkord hat ihn im Interview gefragt, wie es zu diesem Papstbesuch gekommen ist:
„Ich habe den Papst anlässlich meines Besuches 2007 hier in Rom in aller Form eingeladen, nach Deutschland zu kommen. Das schien nicht nicht zu beeindrucken, weil er schon zwei mal in Deutschland gewesen ist. Später lies er wissen: ‚Wie soll ich der Öffentlichkeit klar machen, ein drittes mal nach Deutschland zu reisen, wenn ich schon zwei mal dort war?’ Wie das wird, weiß ich nicht, denn ich bin auch ein wenig überrascht, dass das jetzt kommt, denn bisher war von Rom aus eher Zurückhaltung zu spüren, wenn ich auf den Besuch zu sprechen kam. Der Papst habe so viel vor, Deutschland ist noch nicht dran und Berlin ist noch nicht dran. Deswegen ist die Freude sehr groß."
Es ist also noch nichts geplant, etwa ein Besuch am Brandenburger Tor oder etwas in der Art?
„Nein, gar nichts."
Berlin ist ja nicht unbedingt eine katholilsche Stadt, vielleicht noch nicht einmal mehr eine christliche Stadt. Was für ein Katholizismus erwartet den Papst, der ja ein bayrischer Katholik ist?
„Berlin ist ganz anders. Berlin ist keine christliche Stadt, es ist eine sehr säkularistische Stadt. Man ist da nicht unreligiös, aber nicht christlich. Und wenn christlich, dann will man das nicht in der kirchlichen Form haben und schon gar nicht katholisch. Deswegen wird er ein ganz anderes Milieu vorfinden. Aber man merkt natürlich auch, dass in Berlin sehr viel an Kräften zusammen kommt. Wenn wir das im nächsten Jahr gut vorbereiten können – ich weiß nicht, ob ich selber noch im Amt bin, ich werde im Februar 75 Jahre alt – dann wird das sicherlich seine positive Wirkung bekommen."
Wenn Sie einen perslönlichen Wunsch äußern dürften, was würden Sie dem Papst in Berlin gerne zeigen?
„Ich würde ihm wünschen, dass er vor dem Bundestag reden darf. Ob das gelingt, weiß ich nicht. Aber was ich ihm zeigen möchte? Vielleicht die eine oder andere Schule. Aber wie gesagt, ich bin überrascht, dass dieser Besuch zu Stande kommt und der Papst wird ja wahrscheinlich auch nicht lange in Berlin bleiben, da wird nicht viel Zeit sein."
Sie haben also in diesen Tagen in Rom auch noch nicht mit ihm darüber sprechen können?
„Nein, ich habe einige Worte gewechselt und auch davon gesprochen, ‚Im nächsten Jahr werden Sie ja zu uns kommen’, aber bei dieser Gelegenheit wollte er offensichtlich nicht über den Besuch sprechen." (rv) 

Vatikan: Internationale Reaktionen auf Kondom-Zitat

Die Interview-Äußerungen Papst Benedikts XVI. zum Kondom-Gebrauch haben am Wochenende und auch an diesem Montag große Resonanz gefunden. Die katholische Kirche ändere seine Lehre nicht, stellte Vatikansprecher Federico Lombardi am Sonntag klar. Trotzdem sorgten die im „L´Osservatore Romano" veröffentlichten Passagen für Diskussionsstoff.
 Deutsche Stimmen
Der Chef des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor, Josef Sayer, begrüßt die Erläuterung Benedikts gegenüber der Nutzung von Kondomen. Der „Frankfurter Rundschau" (Montag) sagte er: „Wir machen uns ein Stück weit ehrlicher. In der Praxis freilich waren wir längst dort angekommen. Unsere Partner haben Kondome nicht ausgeschlossen, weil sie in ihnen ein Mittel im Kampf gegen den Tod durch Ansteckung sahen." Wenn Papst Benedikt XVI. jetzt auf medizinische Aspekte der Verringerung der Ansteckungsgefahr abhebe, dann liege das eben auf der Linie der pastoralen Praxis vor Ort, erläuterte Sayer. „Ich finde es hervorragend, dass Papst Benedikt XVI. zur Kenntnis nimmt und unterstreicht, was die Kirche alles leistet in der HIV-Prävention und der Betreuung Aidskranker. Das ist schon heute enorm. Und wenn der Papst noch größeren Einsatz fordert, gebe ich ihm auch da Recht." Gleichzeitig mahnte Sayer, dass eine Aufhebung des Kondomverbots in der katholischen Kirche keine Lösung des Aids-Problems bedeute. Aids sei nur in den Griff zu bekommen, wenn „wir eine Kultur verantwortlicher Sexualität aufbauen. Darum geht es Benedikt. Dazu braucht es eine umfassende Sexualerziehung, beginnend in den Familien".
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) stellt sich ebenfalls hinter die Äußerungen von Benedikt XVI. Die Papstworte seien ein wichtiger Schritt im Kampf gegen HIV und Aids, erklärte DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn am Montag in Berlin.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte am Sonntag in Rom: „Wenn es eine Öffnung ist zum Kondomgebrauch, kann ich das nur begrüßen." Allerdings kenne er den Text noch nicht. Den Gebrauch von Kondomen zu verbieten, habe er noch nie für richtig gehalten, schon allein wegen der Aids-Problematik, betonte Schneider.
Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Friedrich, sagte, er wäre „froh", wenn sich jetzt die Meinung durchgesetzt hätte, dass die Verwendung von Kondomen zur Vorbeugung von Aids in bestimmten Fällen angebracht ist. „Weil das Menschen das Leben retten könnte", argumentierte Friedrich.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte, die Verlautbarung des Papstes sei von vielen Menschen freudig aufgenommen worden. Sie hoffe auf weitere Verlautbarungen dieser Art, „das ist positiv für alle Menschen dieser Welt".
Internationale Stimmen
Weiter wurden die Äußerungen des Papstes auch auf den mehrheitlich katholischen Philippinen begrüßt. Ein Vertreter der Katholischen Bischofskonferenz meinte, man sehe nun einen aufgeklärten Papst, der seiner Sorge um das menschliche Leben Priorität einräume.
Französische Kirchenführer dagegen reagierten zurückhaltend. Sie stellten keine Meinungsänderung dar, erklärte Kardinal Philippe Barbarin von Lyon in der Tageszeitung „Le Parisien" (Montag). Sexualität müsse Ausdruck der in Treue gelebten Liebe sein. Wenn dies nicht der Fall sei und die Sexualität schon nicht Quelle des Lebens sei, dürfe Sexualität zumindest nicht Quelle des Todes werden.
Bischof Stanislas Lalanne von Coutances, früherer Sprecher der Bischofskonferenz, sagte im Rundfunksender „Europe1", die Äußerungen des Papstes seien keine Revolution. Allerdings sei die Haltung klarer ausgesprochen worden als früher. Lalanne schloss aus, dass der Papst künftig über die von Benedikt XVI. jetzt vertretene Linie hinausgehen werde.
In der Tageszeitung „La Croix" (Montag) urteilte der Moraltheologe Xavier Lacroix, es handele sich nicht um eine grundlegende Kursänderung. Benedikt XVI. wie sein Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) hätten immer hervorgehoben, dass Präservative nicht das einzige Mittel zur Bekämpfung von Aids sein dürften.
Auch der Religionshistoriker Frederic Lenoir erinnerte daran, dass Enthaltsamkeit und Treue weiter in katholischer Sicht die entscheidenden Werte blieben. Es gehe dem Papst nicht um alltäglich gelebte Sexualität, sondern einen bestimmten Fall der Gesundheitsvorsorge. Hier wende er nur die Lehre vom kleineren Übel an. (rv)