P. Lombardi – ein Resümee der Papstreise

In dem einst so katholischen Spanien weht der Kirche der Wind zum Teil heftig ins Gesicht. Benedikt XVI. ist sich auf dieser Reise gleichwohl wieder treu geblieben und hat das getan, was er immer tut: Zeugnis geben und den Glauben stärken. Ein Resümee von P. Federico Lombardi SJ, Leiter des vatikanischen Pressesaals und Direktor von Radio Vatikan.
 „Ich glaube, es war eine kurze, aber sehr dichte Reise. Der Papst hat wichtige Botschaften vermittelt. Zuallererst die Priorität ‚Gott’! Gott ist wirklich die erste Priorität dieses Pontifikats. Der Pilger, der nach Santiago wallfahrtet, will Gott begegnen. Europa darf Gott nicht vergessen. Benedikt XVI. hat den Appell Johannes Pauls II. aufgegriffen: 'Europa, du darfst deine christlichen Wurzeln nicht vergessen, du darfst Gott nicht vergessen!'
In Barcelona hat er dann die wirklich außerordentliche Feier zur Weihe der Kirche 'Sagrada Familia' geleitet, die die große Tradition der mittelalterlichen Kathedralen aufgreift, in denen wirklich Wahrheit und Schönheit zusammenkommen, wo die Kunst dem Glauben hilft sich auszudrücken. Wo die Kunst der glaubenden Gemeinschaft hilft, ihre Beziehung zu Gott auszudrücken und die Eucharistie zu feiern. Ich denke, es war für den Papst, der ein großer Theologe und auch ein großer Liturgiker ist, eine große Freude, dieser Feier vorzustehen. Auch die Anwesenheit des Königspaars Spaniens hat der Feier einen besonderen Glanz verliehen, und die ganze christliche Tradition und Kultur Spaniens ist lebendig geworden.
Der Papst hat auch viel von der Familie gesprochen. Die Familie war im Zentrum der Predigt, weil die Kirche der „Sagrada Familia" geweiht ist; aber auch weil die Familie ein Zentrum der Botschaft Papst Benedikts XVI. darstellt. Denn sie ist nach Meinung des Papstes von entscheidender Bedeutung für eine gesunde Gesellschaft, für die Annahme des Lebens und das Wachstum der Person.
Am Ende haben wir auch den Besuch des Sozialzentrums erlebt. Hier sehen wir die Botschaft der Liebe, der Caritas. Es gibt kein christliches Leben ohne praktizierte Liebe. Das hat eine herausragende Bedeutung bei jeder Papstreise, und das sollte auch bei diesem Mal so sein.
In diesem Sinne waren es zwar nur zwei Tage. Aber es sind gleichwohl eine Menge von zentralen Botschaften dieses Pontifikats für die Kirche in dieser Welt präsent gewesen." (rv)

Papst in Barcelona: „Gaudi war Fackel des Glaubens“

Der Papst ist an seinem zweiten spanischen Reisetag in Barcelona angekommen. Auf dem Programm stand die Weihe der weltberühmten Sagrada Familia. An der Kirche des Architekten Antonio Gaudi (1852-1926) wird bereits seit 128 Jahren gebaut; Teile von ihr sind UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Predigt nutzte der Papst für einen Appell zum Schutz von Ehe und Familie. Außerdem forderte er für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft.
Für den Nachmittag steht der Besuch einer kirchlichen Sozialstation auf dem Papstprogramm. Am Abend beendet das Kirchenoberhaupt – nach einem kurzen Treffen mit Premierminister Joseluis Zapatero – seine 18. Auslandsreise, seine zweite nach Spanien, und kehrt nach Rom zurück. Am Samstag hatte Benedikt XVI. den nordspanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela besucht und dabei an die christlichen Wurzeln Europas erinnert.
Unser Korrespondent in Spanien, Mario Galgano, berichtet uns über den Weihegottesdienst in Barcelona.
Mit Vatikan-Flaggen, Gesängen und Sprechchören haben Tausende Spanier Papst Benedikt XVI. auf seinem Weg zur Sagrada Familia in Barcelona empfangen. An der Messe zur Kirchenweihe nahmen als Ehrengäste neben König Juan Carlos I. und Königin Sofia unter anderen der sozialistische Präsident Kataloniens, Jose Montilla, Parlamentspräsident Jose Bono sowie der Bürgermeister von Barcelona, Jordi Hereu, teil.
Vor der Weihe überreichte der derzeitige Chefarchitekt der „Sagrada Familia", Jordi Bonet, symbolisch dem Papst die Schlüssel der Kirche. Zuvor erläuterte Bonet dem Papst die einzigartige Struktur und Geometrie des Baues sowie die Idee des Gründungsarchitekten Antoni Gaudi (1852-1926), durch „Kunst den Glauben zu vertiefen". An dem Wahrzeichen Barcelonas, dem Gaudi mehr als sein halbes Leben gewidmet hat, wird bereits seit 128 Jahren gebaut. Voraussichtlich wird die Kirche nicht vor 2026, dem 100. Todestag Gaudis, fertiggestellt sein.
In seiner Predigt bedankte sich der Papst bei den katalanischen Gastgebern.
„Und wir denken vor allem an jenen Mann, der die Seele und der Urheber dieses Projekts war: Antoni Gaudí, ein genialer Architekt und konsequenter Christ, dessen Fackel des Glaubens bis zum Ende seines Lebens brannte, das er in Würde und völliger Schlichtheit führte. Dieses Ereignis ist in gewisser Weise auch der Höhepunkt und das Ergebnis einer Geschichte der katalonischen Region, die vor allem seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von Heiligen und Ordensgründern, Märtyrern und christlichen Schriftstellern hervorbrachte: Geschichte der Heiligkeit, des künstlerischen und dichterischen Schaffens, das aus dem Glauben heraus entstanden ist und das wir heute in dieser Eucharistie zusammenfassen und Gott zum Opfer darbringen."
Er sei auch froh darüber, dass dieser Sakralbau von Anfang an eng mit der Gestalt seines bürgerlichen Namenspatrons Josef verbunden sei, sagte Josef Ratzinger, jetzt Benedikt XVI.
„Besonders bewegt hat mich die Sicherheit, mit der Gaudí angesichts der zahllosen Schwierigkeiten, die er bewältigen musste, voll Vertrauen auf die göttliche Vorsehung ausrief: „Der heilige Josef wird die Kirche vollenden."
Die Weihe einer solchen Kirche sei ein sichtbares Zeichen des unsichtbaren Gottes, fügte der Papst an. Der katalanische Architekt sei vor allem von der Natur und der Heiligen Schrift inspiriert gewesen.
„Und er verwirklichte das, was heute zu den wichtigsten Aufgaben gehört: die Überwindung der Spaltung zwischen menschlichem und christlichem Bewusstsein, zwischen der Existenz in dieser zeitlichen Welt und der Öffnung zum ewigen Leben, zwischen der Schönheit der Dinge und Gott als der Schönheit selbst. Antoni Gaudí verwirklichte all dies nicht mit Worten, sondern mit Steinen, Linien, Oberflächen und Spitzen. In Wirklichkeit ist die Schönheit das große Bedürfnis des Menschen; sie ist die Wurzel, die den Stamm unseres Friedens und die Früchte unserer Hoffnung hervorbringt. Die Schönheit ist auch Offenbarerin Gottes, denn das schöne Werk ist wie er reine Unentgeltlichkeit, es lädt zur Freiheit ein und entreißt den Menschen dem Egoismus."
Die Kirche habe die große Aufgabe, allen zu zeigen, dass Gott ein Gott des Friedens sei und nicht der Gewalt, der Freiheit und nicht des Zwangs, der Eintracht und nicht der Zwietracht.
„In diesem Sinne glaube ich, dass die Weihe dieser Kirche der „Sagrada Familia" in einer Zeit, in der der Mensch sich anmaßt, sein Leben hinter Gottes Rücken aufzubauen, so als hätte er ihm nichts mehr zu sagen, ein sehr bedeutsames Ereignis ist. Gaudí zeigt uns durch sein Werk, dass Gott der wahre Maßstab des Menschen ist, dass das Geheimnis der wahren Originalität, wie er sagte, darin besteht, zum Ursprung zurückzukehren, der Gott ist. Indem er selbst in dieser Weise seinen Geist für Gott öffnete, konnte er in dieser Stadt einen Raum der Schönheit, des Glaubens und der Hoffnung schaffen, der den Menschen zur Begegnung mit jenem führt, der die Wahrheit und die Schönheit selbst ist." Benedikt XVI. sprach in der Sagrada Familia aber auch einige Anliegen deutlich an, die schon an seinem ersten Reiseziel am Samstag, Santiago de Compostela, angeklungen waren: Die Worte über den Schutz von Ehe und Familie sowie des Lebens werden in den spanischen Medien wohl besonders beachtet werden.
Die Lebensumstände haben sich zutiefst gewandelt, und gleichzeitig gab es enorme Fortschritte im technischen, sozialen und kulturellen Bereich. Wir können uns mit diesen Fortschritten nicht begnügen. Mit ihnen müssen immer auch sittliche Fortschritte einhergehen, wie die Beachtung, der Schutz und die Unterstützung der Familie, denn die großherzige und unauflösbare Liebe zwischen einem Mann und einer Frau ist der fruchtbare Rahmen und die Grundlage des menschlichen Lebens bei seinem Entstehen, seiner Geburt, seinem Wachstum und seinem natürlichen Ende. Nur dort, wo Liebe und Treue vorhanden sind, entsteht die wahre Freiheit und dauert sie fort. Daher fordert die Kirche angemessene wirtschaftliche und soziale Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, daß die Frau zu Hause und am Arbeitsplatz ihre volle Verwirklichung finden kann; daß der Mann und die Frau, die den Ehebund schließen und eine Familie gründen, vom Staat wirklich unterstützt werden; daß das Leben der Kinder vom Augenblick ihrer Empfängnis an als heilig und unantastbar verteidigt wird; daß die Geburten auf rechtlicher, sozialer und legislativer Ebene Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung erhalten. Daher widersetzt sich die Kirche jeglicher Form der Ablehnung des menschlichen Lebens und hält das aufrecht, was die natürliche Ordnung im Bereich der Familie als Institution fördert."
In der Umgebung der Kirche wurden rund 36.000 Stühle und 31 große Übertragungsleinwände aufgebaut, die die Messe und Weihe der Sagrada Familia, des Wahrzeichens von Barcelona, live übertrugen. Das staatliche katalanische Fernsehen TV3 setzte bei seiner Live-Übertragung sechzig Kameras ein. Der Papstbesuch wurde weltweit von rund 150 Millionen Fernsehzuschauern verfolgt. Der letzte Besuch eines Papstes in der katalanischen Mittelmeermetropole liegt bereits 28 Jahre zurück: Papst Johannes Paul II. kam 1982 nach Barcelona. (rv) 

Stichwort: Vom „Campo Stella“ zur Kathedrale

Campo Stellae, Sternenfeld – so der malerische lateinische Name des Ortes, an dem der Apostel Jakobus begraben liegt. Ein Hirte fand die Grabstätte Anfang des 9. Jahrhunderts, eine Sternschnuppenerscheinung wies ihm den Weg. Nachdem Jakobus sieben Jahre lang versucht hatte, die Galicier zum Christentum zu bekehren, fand er im Jahr 44 auf Befehl Agrippas in Palästina den Tod, der Leichnam wurde danach zurück nach Galicien überführt. Wo früher freies Feld war, erhebt sich heute die mächtige Kathedrale von Santiago de Compostela. Auch heute leuchten über dem imposanten Bauwerk die Sterne, nur der einsame Hirte hat mehr Gesellschaft: Im Heiligen Jahr 2010 erlebte Santiago, das seit 1985 zum Weltkulturerbe zählt, mit über 257.000 Pilgern einen echten Besucherrekord.
Die Kathedrale von Compostela, päpstlich als Grabeskirche des Apostels Jakobus anerkannt und seit dem Mittelalter Zielpunkt von Pilgern aus aller Welt, erreicht man vom Obradoiro-Platz aus über eine doppelte Treppe. Herzstück der Kirche ist der prächtige Hauptaltar über dem Grab des Apostels Jakobus. Den Altar schmückt ein vergoldeter Baldachin, darunter liegt die Gruft des Jakosbus mit einem silbernen Schrein, der die Reliquien enthält. Unter anderem wird hier ein auf das Jahr 874 datiertes goldenes Kruzifix aufbewahrt, das einen Splitter des Kreuzes Christi beinhalten soll.
Ein weiteres Zentrum der Kirche ist natürlich das Standbild des Apostels im Mittelgiebel der Kathedrale, als Pilger dargestellt und begleitet von seinen Schülern Atanasius und Theodor. Um Sündenablass zu erhalten, umarmen die Pilger die Statue von hinten, sie erreichen sie über eine kleine Treppe, die zu einem Raum hinter der Figur führt. Viel Zeit bleibt beim großen Pilgerandrang im Heiligen Jahr 2010 für die Umarmung des Apostels leider nicht – aber zum Glück ist ja in diesem Jahr noch die „Pforte der Vergebung" geöffnet, die die Pilger durchschreiten und die der spirituellen Erneuerung zusätzlich symbolisches Gewicht verleiht. Das Heilige Jahr wird übrigens immer dann begangen, wenn der Festtag des Heiligen Jakobus, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt. Das ist erst in elf Jahren wieder der Fall.
Zur feierlichen Stimmung in der Kathedrale trägt neben der Messe unter anderem das 50 Kilogramm schwere Weihrauchfass – „Botafumeiro" – bei, das bei besonderen Anlässen am langen Seil durch das Querschiff geschwungen wird. Sechs Männern und 30 Meter Seil sind notwendig, um den Weihrauch – wenn auch nicht bis zu den Sternen, so doch bis unter die Decke – zu schwingen. Auch bei Benedikts Besuch fehlt dieser Programmpunkt nicht. Überhaupt hat Santiago de Compostela wohl schon lange nicht mehr einen solchen Höhepunkt erlebt.
Der erste Papst, der Santiago de Compostela anlässlich eines Heiligen Jahres besuchte, war Papst Johannes Paul II. In seiner Predigt betonte Benedikts Vorgänger die Vorbildwirkung eines apostolischen Lebens in Nachfolge und Demut. Das christliche Europa müsse sich auf seine Wurzeln besinnen, die Völker der dritten Welt um Vergebung bitten und ein Leuchtturm in der Welt sein, so der damalige Papst. (rv)