Ein Besuch in der Titelkirche von Kardinal Marx

Da hat der Korbiniansbär noch alle Tatzen voll zu tun: Erzbischof Marx ist seit Sonntag Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, aber die ganz konkrete römische Kirche, die zu seinem Titel gehört, ist noch eine Baustelle. San Corbiniano heißt sie, und sie liegt am südlichen Stadtrand Roms im Stadtteil Infernetto, das bedeutet „kleine Hölle".
 Der Heilige Korbinian ist in Bayern sehr prominent als Patron des Erzbistums München und Freising. In Italien dagegen ist er ein großer Unbekannter. Es gibt keine andere Kirche, die nach dem Heiligen Korbinian benannt ist. Auch diese hier war ursprünglich einem anderen gewidmet, San Guglielmo, dem Heiligen Wilhelm.
Dann kam in München die Idee auf, in Rom den Korbinian ein wenig unter die Leute zu bringen. Papst Benedikt hat da gerne mitgemacht, er war ja selber ein Nachfolger Korbinians auf dem Bischofsstuhl von München und Freising. Aus München flossen dann 200.000 Euro in die „kleine Hölle", und so nahm und nimmt San Corbiniano Gestalt an. Pfarrer hier ist Don Antonio Magnotta.
„Es ist eine sehr einfache, geradlinige Kirche. Sie ist niedrig gebaut und hat keine eigentlich Fassade und keine Rückseite, sondern ist von allen Seiten einladend. Und sie ist hell. Sie lädt zum Gebet ein."
Die Gemeinde San Corbiniano ist jung und lebendig. Die Messe feiert sie, solange an der Kirche noch gebaut wird, in einem Zelt bzw. in der Kapelle zu Gast bei Schwestern. Don Antonio fand es nicht schwer, seine Pfarrkinder für den unbekannten deutschen Heiligen Korbinian zu begeistern.
„Besonders weil es den Bezug zum Papst gab! Da wollten alle mehr wissen über den Heiligen Korbinian. Speziell die Kinder. Die interessierten sich sehr für den Heiligen und seinen Bären, der ihnen sympathisch war. Es waren die Kinder, die ihren Eltern den Korbinian vorstellten!"
Was uns der deutsche Heilige heute sagt, fasst Don Antonio folgendermaßen zusammen:
„Der Heilige Korbinian kann uns helfen, auf den Wegen Gottes zu wandeln, und dabei das Schlechte in Gutes zu verwandeln. So wie den Bären. Vertrauen haben zum Leben, Vertrauen haben zu den Menschen, die uns begegnen. Es gibt keine Person, die durchwegs schlecht ist. Das kann uns die Begegnung von Korbinian mit dem Bären lehren: Es gibt Gutes in jedem Menschen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht."
Papst Benedikt führt den Korbiniansbären in seinem Papstwappen, er fühlt sich diesem Lasttier Gottes, wie er den Münchnern einmal gestand, ein wenig schicksalsverwandt. Mit einer Ausnahme.
"Der Bär des heiligen Korbinian wurde in Rom freigelassen. In meinem Fall hat der Herr anders entschieden."
Was ist das überhaupt, eine Titelkirche? Sie gehört zu einem Kardinal und wird ihm vom Papst zugewiesen bei der Erhebung in den Kardinalsstand. Und weil sie die Verbundenheit des Kardinals mit Rom symbolisiert, steht sie eben dort: in Rom oder Umgebung. Am Eingang einer Titelkirche hängen stets zwei Wappen: Das des Papstes und das des betreffenden Kardinals. Reinhard Marx hat die Gläubigen seiner zukünftigen Titelkirche übrigens am Samstag bereits zum Höglichkeitsbesuch im Vatikan empfangen.
„Die Pfarreimitglieder waren glücklich, sie haben das als große Ehrerweisung für ihren Stadtteil und ihre Pfarrei empfunden. Kardinal Marx war sehr liebenswürdig und herzlich mit uns. Er hat sich unseren 60 Leuten sofort als ihr Pfarrer vorgestellt!"
San Corbiniano soll im März 2011 fertig sein, und, wenn alles gut geht, vom Papst persönlich geweiht werden. Dann ist Reinhard Marx nicht nur Bischof in München, sondern auch Pfarrer in Rom. (rv)

Vatikan/China: „Papst ist enttäuscht“

Der vatikanische Pressesaal reagiert an diesem Mittwoch auf die illegale Bischofsweihe in der chinesischen Provinz Hebei. In einer Note mit sieben Punkten zählt der Vatikan auf, was bei dieser Bischofsweihe falsch sei. In Chinas katholischer Kirche fand erstmals seit 2006 eine vom Papst nicht erlaubte Bischofsweihe statt. An der Weihe hätten auch acht Bischöfe teilnehmen müssen, die offiziell in Gemeinschaft mit Papst Benedikt XVI. stehen.
 Im ersten Punkt stellt die Note fest, dass der Papst enttäuscht sei von dieser Nachricht aus China, da es sich um eine Weihe handele, die nicht von Rom approbiert worden sei. Damit sei „eine schmerzhafte Wunde" geöffnet worden. Weiter stellt der Vatikan fest, dass in den vergangenen Tagen viele katholische Bischöfe in China unter Druck gesetzt wurden, um an der illegalen Bischofsweihe teilzunehmen. Der Heilige Stuhl prüfe nun, ob die Teilnahme dieser Bischöfe kirchenrechtliche Konsequenzen für sie haben werde. Im dritten Punkt wird darauf hingewiesen, dass der von der staatlich-kontrollierten Kirche aufgezwungene Bischofskandidat Giuseppe Guo Jincai mit schweren kirchenrechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Die illegale Bischofsweihe sei eine „Demütigung" für die chinesischen Gläubigen, schreibt der Pressesaal im vierten Punkt. Weiter erklärt der Vatikan, dass sich der Heilige Stuhl bereits mehrmals bei den chinesischen Behörden gegen eine Ordinierung Guo Jincai ausgesprochen habe. Im sechsten Punkt weist die Note darauf hin, dass der Papst bereits in einem Brief von 2007 die Fortführung des Dialogs mit den staatlichen Behörden angesprochen habe. Die Ankündigung der illegalen Bischofsweihe würde die jüngste Annäherung gefährden. Im siebten und letzten Punkt schreibt der Vatikan, dass die Katholiken weltweit auf die katholische Kirche in China mit großer Aufmerksamkeit blicken. (rv)

„Licht der Welt“: „Papst lässt sich in die Karten schauen“

„Familiär, vertraulich, ironisch, manchmal sogar sarkastisch, vor allem aber einfach und wahrhaftig" – so charakterisiert Vatikan-Erzbischof Rino Fisichella den Stil des neuen Papstbuches. Man dürfe „Licht der Welt" keinesfalls nur auf einen oder zwei Sätze reduzieren, so der Leiter des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung am Dienstag im Vatikan. 
„Der Eindruck, den man in diesem Buch bekommt, ist der von einem Papst, der trotz aller Schwierigkeiten optimistisch auf das Leben der Kirche schaut. Er nennt die Kirche lebendig und dynamisch, er weist zum Beispiel darauf hin, dass die Zahl der Priester und der Priesteramtskandidaten weltweit wächst. Damit macht er klar: Die Kirche kann nicht nur auf das Fragment einer geografischen Zone reduziert werden."
„Wir sehen in diesem Buch einen Joseph-Benedetto, der zweifelt und sich selbst ausforscht, oder der – je nach dem Thema, um das es geht – seiner selbst und seines Wortes sicher ist", sagt der bekannte italienische Journalist Luigi Accattoli bei der Vorstellung von „Licht der Welt" im Vatikan. „Er ist ein Papst, der Irrtümer zugibt und sich in die Karten schauen läßt. Wie alle Päpste der Neuzeit – von Pius XII. an – stellt er sich die Frage, unter welchen Umständen er zurücktreten würde; vor diesem Interview hatte kein Papst das öffentlich getan."
„Es gibt eine lehramtliche Form und eine gewollt einfache Dialogform, nämlich die eines Interviews", sagt Vatikansprecher Federico Lombardi. „Der Papst hat mir am Montag Abend gesagt, er habe die Interviewform gewählt, um zu allen zu sprechen, um auf jede Frage zu antworten, die man ihm vielleicht stellen möchte." (rv)

Seewald: „Papst geht in die Offensive“

„Sechs Stunden Interview mit dem Papst – das ist eine Weltsensation!" Sagt Peter Seewald, der bayerische Gesprächspartner Benedikts XVI., im Interview mit uns. „Überziehen war nicht möglich – leider. Da ist der Papst denn doch ziemlich konsequent, das war er schon als Kardinal." Seewald muss es wissen: Er hat schließlich schon in den neunziger Jahren den damaligen Kardinal Ratzinger ausführlich interviewt. Heute urteilt er:
„Natürlich ist er auch älter geworden; wenn man dann aber mit ihm im Gespräch ist (er macht es einem ja leicht, mit ihm ins Gespräch zu kommen), dann denkt man: Da gibt`s eigentlich gar keinen großen Unterschied. Das Wissen Ratzingers hat sich nicht verändert, auch nicht seine Liebenswürdigkeit, seine große Demut… Erst recht nicht seine geistige Kraft und seine unglaubliche Formulierungskraft. Er ist noch demütiger geworden, noch einfacher. Das hat mich fasziniert."
Benedikt XVI. sei ohne Umschweife auf jede Frage eingegangen, so Seewald. Er als Fragender habe eine große Verantwortung auf sich lasten gespürt – und sich bemüht, so gut wie möglich zu fragen.
„Zunächst war der Ansatz, ein Gespräch über die ersten fünf Jahre des Pontifikats zu führen – auch unter dem Aspekt des bevorstehenden zweiten Bandes des Jesus-Buches. Nun hat die aktuelle Krisensituation, hervorgerufen insbesondere durch die schrecklichen Missbrauchsfälle, auch der Konzeption einen etwas anderen Stempel aufgedrückt. Mir war wichtig, dass wir die Fragen behandeln, die heute die Öffentlichkeit interessieren; es ist kein Glaubensbuch im Sinne von „Salz der Erde", sondern ein Buch, das sich zunächst ganz konkret den Fragen der Öffentlichkeit zuwendet und auch keine Frage ausläßt."
Allerdings: Um alles zu fragen, reichte denn doch die Zeit nicht. So hätte er Benedikt gerne noch nach seiner Ansicht über die derzeitige Christenverfolgung in vielen Teilen der Welt gefragt, meint Seewald. Dass schon vor der offiziellen Veröffentlichung von „Licht der Welt" viele Einzelheiten aus dem Buch bekannt wurden, sieht der Journalist gelassen:
„Naja, ich bin jetzt schon lange genug in diesem Mediengeschäft, um zu wissen, wie das abläuft. Kirche und Sex sind immer Reizthemen – das ist klar, dass die Medien dazu Fürsprecher und Gegner aufeinanderhetzen. Das ist natürlich etwas schade; man darf darüber nicht übersehen, was dieses Buch im Ganzen für ein Angebot ist. Aber da habe ich auch keine Bange: Der Leser kann das ja nachlesen, er wird es sehen."
„Das Schöne" sei doch, „dass wir mit diesem Interview den Heiligen Vater ganz unvermittelt hören können", so Seewald: „Er wird nicht erst durch die Medien quasi zerhackstückt oder zurechtgestutzt oder verbrämt. Der Leser selbst hat mit dem Buch die tolle Möglichkeit eines unverbildeten, unverzeichneten Blicks auf das Pontifikat und auch auf den Mann, der dieses Pontifikat prägt."
Da läßt es sich laut Seewald auch verschmerzen, dass die Medien sich nur auf einzelne Sätze in „Licht der Welt" stürzen.
„Wichtig ist eines: dass es hier, glaube ich, gelingt, dass die Kirche, dass der Papst wieder in die Offensive geht und nicht immer nur quasi der Getriebene bleibt. Dass man nicht nur im sexuellen Missbrauch verhaftet ist, sondern wieder die Fülle der Themen und die Fülle des Angebots hat. Ich meine: Dass weltweit so ein riesiges Interesse herrscht, kann einen im Grunde genommen nur freuen." (rv)

Erzbischof Sterzinsky zum Papstbesuch: „Ich würde mir wünschen, dass er vor dem Bundestag reden darf“

Der Papst wird im September 2011 Deutschland besuchen. Während des Konsistoriums am vergangenen Wochenende hielt sich auch der Erzbischof von Berlin in Rom auf: Kardinal Georg Sterzinsky. Pater Bernd Hagenkord hat ihn im Interview gefragt, wie es zu diesem Papstbesuch gekommen ist:
„Ich habe den Papst anlässlich meines Besuches 2007 hier in Rom in aller Form eingeladen, nach Deutschland zu kommen. Das schien nicht nicht zu beeindrucken, weil er schon zwei mal in Deutschland gewesen ist. Später lies er wissen: ‚Wie soll ich der Öffentlichkeit klar machen, ein drittes mal nach Deutschland zu reisen, wenn ich schon zwei mal dort war?’ Wie das wird, weiß ich nicht, denn ich bin auch ein wenig überrascht, dass das jetzt kommt, denn bisher war von Rom aus eher Zurückhaltung zu spüren, wenn ich auf den Besuch zu sprechen kam. Der Papst habe so viel vor, Deutschland ist noch nicht dran und Berlin ist noch nicht dran. Deswegen ist die Freude sehr groß."
Es ist also noch nichts geplant, etwa ein Besuch am Brandenburger Tor oder etwas in der Art?
„Nein, gar nichts."
Berlin ist ja nicht unbedingt eine katholilsche Stadt, vielleicht noch nicht einmal mehr eine christliche Stadt. Was für ein Katholizismus erwartet den Papst, der ja ein bayrischer Katholik ist?
„Berlin ist ganz anders. Berlin ist keine christliche Stadt, es ist eine sehr säkularistische Stadt. Man ist da nicht unreligiös, aber nicht christlich. Und wenn christlich, dann will man das nicht in der kirchlichen Form haben und schon gar nicht katholisch. Deswegen wird er ein ganz anderes Milieu vorfinden. Aber man merkt natürlich auch, dass in Berlin sehr viel an Kräften zusammen kommt. Wenn wir das im nächsten Jahr gut vorbereiten können – ich weiß nicht, ob ich selber noch im Amt bin, ich werde im Februar 75 Jahre alt – dann wird das sicherlich seine positive Wirkung bekommen."
Wenn Sie einen perslönlichen Wunsch äußern dürften, was würden Sie dem Papst in Berlin gerne zeigen?
„Ich würde ihm wünschen, dass er vor dem Bundestag reden darf. Ob das gelingt, weiß ich nicht. Aber was ich ihm zeigen möchte? Vielleicht die eine oder andere Schule. Aber wie gesagt, ich bin überrascht, dass dieser Besuch zu Stande kommt und der Papst wird ja wahrscheinlich auch nicht lange in Berlin bleiben, da wird nicht viel Zeit sein."
Sie haben also in diesen Tagen in Rom auch noch nicht mit ihm darüber sprechen können?
„Nein, ich habe einige Worte gewechselt und auch davon gesprochen, ‚Im nächsten Jahr werden Sie ja zu uns kommen’, aber bei dieser Gelegenheit wollte er offensichtlich nicht über den Besuch sprechen." (rv) 

Vatikan: Internationale Reaktionen auf Kondom-Zitat

Die Interview-Äußerungen Papst Benedikts XVI. zum Kondom-Gebrauch haben am Wochenende und auch an diesem Montag große Resonanz gefunden. Die katholische Kirche ändere seine Lehre nicht, stellte Vatikansprecher Federico Lombardi am Sonntag klar. Trotzdem sorgten die im „L´Osservatore Romano" veröffentlichten Passagen für Diskussionsstoff.
 Deutsche Stimmen
Der Chef des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor, Josef Sayer, begrüßt die Erläuterung Benedikts gegenüber der Nutzung von Kondomen. Der „Frankfurter Rundschau" (Montag) sagte er: „Wir machen uns ein Stück weit ehrlicher. In der Praxis freilich waren wir längst dort angekommen. Unsere Partner haben Kondome nicht ausgeschlossen, weil sie in ihnen ein Mittel im Kampf gegen den Tod durch Ansteckung sahen." Wenn Papst Benedikt XVI. jetzt auf medizinische Aspekte der Verringerung der Ansteckungsgefahr abhebe, dann liege das eben auf der Linie der pastoralen Praxis vor Ort, erläuterte Sayer. „Ich finde es hervorragend, dass Papst Benedikt XVI. zur Kenntnis nimmt und unterstreicht, was die Kirche alles leistet in der HIV-Prävention und der Betreuung Aidskranker. Das ist schon heute enorm. Und wenn der Papst noch größeren Einsatz fordert, gebe ich ihm auch da Recht." Gleichzeitig mahnte Sayer, dass eine Aufhebung des Kondomverbots in der katholischen Kirche keine Lösung des Aids-Problems bedeute. Aids sei nur in den Griff zu bekommen, wenn „wir eine Kultur verantwortlicher Sexualität aufbauen. Darum geht es Benedikt. Dazu braucht es eine umfassende Sexualerziehung, beginnend in den Familien".
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) stellt sich ebenfalls hinter die Äußerungen von Benedikt XVI. Die Papstworte seien ein wichtiger Schritt im Kampf gegen HIV und Aids, erklärte DAH-Vorstandsmitglied Tino Henn am Montag in Berlin.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte am Sonntag in Rom: „Wenn es eine Öffnung ist zum Kondomgebrauch, kann ich das nur begrüßen." Allerdings kenne er den Text noch nicht. Den Gebrauch von Kondomen zu verbieten, habe er noch nie für richtig gehalten, schon allein wegen der Aids-Problematik, betonte Schneider.
Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Friedrich, sagte, er wäre „froh", wenn sich jetzt die Meinung durchgesetzt hätte, dass die Verwendung von Kondomen zur Vorbeugung von Aids in bestimmten Fällen angebracht ist. „Weil das Menschen das Leben retten könnte", argumentierte Friedrich.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte, die Verlautbarung des Papstes sei von vielen Menschen freudig aufgenommen worden. Sie hoffe auf weitere Verlautbarungen dieser Art, „das ist positiv für alle Menschen dieser Welt".
Internationale Stimmen
Weiter wurden die Äußerungen des Papstes auch auf den mehrheitlich katholischen Philippinen begrüßt. Ein Vertreter der Katholischen Bischofskonferenz meinte, man sehe nun einen aufgeklärten Papst, der seiner Sorge um das menschliche Leben Priorität einräume.
Französische Kirchenführer dagegen reagierten zurückhaltend. Sie stellten keine Meinungsänderung dar, erklärte Kardinal Philippe Barbarin von Lyon in der Tageszeitung „Le Parisien" (Montag). Sexualität müsse Ausdruck der in Treue gelebten Liebe sein. Wenn dies nicht der Fall sei und die Sexualität schon nicht Quelle des Lebens sei, dürfe Sexualität zumindest nicht Quelle des Todes werden.
Bischof Stanislas Lalanne von Coutances, früherer Sprecher der Bischofskonferenz, sagte im Rundfunksender „Europe1", die Äußerungen des Papstes seien keine Revolution. Allerdings sei die Haltung klarer ausgesprochen worden als früher. Lalanne schloss aus, dass der Papst künftig über die von Benedikt XVI. jetzt vertretene Linie hinausgehen werde.
In der Tageszeitung „La Croix" (Montag) urteilte der Moraltheologe Xavier Lacroix, es handele sich nicht um eine grundlegende Kursänderung. Benedikt XVI. wie sein Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) hätten immer hervorgehoben, dass Präservative nicht das einzige Mittel zur Bekämpfung von Aids sein dürften.
Auch der Religionshistoriker Frederic Lenoir erinnerte daran, dass Enthaltsamkeit und Treue weiter in katholischer Sicht die entscheidenden Werte blieben. Es gehe dem Papst nicht um alltäglich gelebte Sexualität, sondern einen bestimmten Fall der Gesundheitsvorsorge. Hier wende er nur die Lehre vom kleineren Übel an. (rv)

Kardinal Marx zum Deutschlandbesuch des Papstes

Der neu kreierte Kardinal und Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, äußerte sich am Samstag nach dem Konsistoriums-Gottesdienst in einer Pressekonferenz ebenfalls zum Deutschlandbesuch des Papstes. Aufgrund der Erfahrung in anderen Ländern, sei er der Meinung, dass Benedikt mit seinen Worten auch in seiner Heimat Zuhörer finden kann:
 „Wir haben das in England erlebt, auch in Spanien. Natürlich sind nicht alle Leute seiner Meinung, oder halten ihn jetzt für völlig überholt. Das ist normal und gehört dazu. Wir leben in einer offenen Gesellschaft. Aber der Papst – in seiner Verkündigung, wenn er eine Ansprache hält – wenn ich an die Ansprache in der Westminster Hall denke, das ist einfach etwas, wo auch manche, die vielleicht nicht Christen oder katholisch sind, sagen: ‚Na ja, Respekt, das kann man sich anhören. Was ist hier gemeint, wofür steht dieser Mann. Was steht hier im Raum und zur Debatte. Und das wird auf einem hohen Niveau gesagt."
Daher sei er zuversichtlich, sagte der Kardinal, dass der Papst besonders in Deutschland, seinem Heimatland, durchaus gute Impulse und Denkanstöße wird geben können:
„Und das kann Deutschland sicher nicht schaden. Erst recht in seinem Heimatland, wo er in seiner Muttersprache dann reden kann mit der ganzen Tradition im Kopf und mit seinem Wissen über die Situation in unserem Land. Da kann er, glaube ich, etwas sagen. Es werden auch danach nicht alle seiner Meinung sein, aber ich glaube, ein Papstbesuch, der die richtigen Akzente setzt, kann auch in Deutschland noch einmal deutlich machen, was denn die christliche Botschaft in diesem Land einbringen will, was denn das Niveau ist, auf dem wir hier argumentieren." (rv)

Spanien: Kardinal Navarrete Cortés verstorben

Urbano Kardinal Navarrete Cortés ist heute im Alter von 90 Jahren verstorben. Er war emeritierter Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana und Angehöriger der Ordensgemeinschaft der Jesuiten. Papst Benedikt XVI. erhob den Spanier am 21.11.2007 zum Kardinal und übertrug ihm die Diakonie „San Ponziano“. (vh)

P. Lombardi: „Keine Revolution, sondern mutiger Schritt“

In einer ersten Reaktion würdigte Vatikansprecher P. Federico Lombardi die Äußerungen als klärenden Beitrag in der Frage der Nutzung von Kondomen. Die Überlegungen seien nicht neu und könnten keineswegs als „revolutionär" bezeichnet werden. Gleichwohl habe erstmals ein Papst diese Überlegungen auch öffentlich geäußert:
 „Zahlreiche Theologen und angesehene kirchliche Würdenträger vertraten und vertreten weiterhin ähnliche Positionen. Es ist allerdings wahr, dass wir das noch nie mit solcher Klarheit aus dem Mund eines Papstes gehört haben, auch wenn es in einer Unterhaltung geschah und nicht in einer lehramtlichen Äußerung."
Benedikt XVI. schenke also mutig einen wichtigen und klärenden Beitrag in einer Frage, die schon lange diskutiert werde.
„Es ist ein ganz besonderer Beitrag, denn auf der einen Seite bleibt er den Moralprinzipien treu und verwirft hellsichtig einen illusorischen Weg wie allein auf das Präservativ zu vertrauen. Auf der anderen Seite zeigt er Weitsicht und Verständnis, und ist aufmerksam für die kleinen Schritte – auch wenn sie noch anfanghaft sind und konfus – einer spirituell und kulturell armen Menschheit hin zu einer menschlicheren und verantwortungsbewussteren Ausübung der Sexualität." (rv)

Sexualität und Verantwortung: ein Kommentar

Von Pater Bernd Hagenkord SJ.
 Dass es ausgerechnet der Osservatore Romano ist, der noch vor der Buchvorstellung lange Passagen aus dem neuen Interviewbuch mit Benedikt XVI. veröffentlicht, ist überraschend. Weniger überraschend ist aber vielleicht, dass der Papst seine Überlegungen wieder in den Zusammenhang von Sexualität und Verantwortung stellt. Denn da gehören sie hin.
In seinem Interview auf dem Weg nach Afrika vor eineinhalb Jahren hatte Benedikt XVI. gesagt: „Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem". Die Lösung liege vielmehr in einem „spirituellen und menschlichen Erwachen" und der „Freundschaft für die Leidenden". Das war in den Medien als „Papst verbietet Kondome" zitiert worden, Benedikt verurteile das Nutzen von Kondomen im Kampf gegen Aids. Die Stimmen Afrikas, die dem Papst damals recht gaben und die regelrecht zornig wurden, dass wir Europäer das Leiden dieser Länder auf eine einzige Frage reduzierten, sind wenig gehört worden.
Schauen wir uns das Zitat genauer an, dass der Osservatore an diesem Sonntag veröffentlicht, dann ist sein zentraler Punkt dem sehr ähnlich, was der Papst in Afrika gesagt hatte, es geht ihm um die „Vermenschlichung der Sexualität". Die Benutzung des Kondoms kann ein Schritt zu einer Moralisierung sein, die Sexualität nicht als Selbstzweck, sondern als Teil des Menschen betrachtet. Hier ist das wirkliche Anliegen des Papstes. Redet man nur von Kondomen, so ist das eine „Banalisierung des Problems", und das gilt sowohl für unsere Länder als auch für den Kampf gegen die HIV-Infektion in Afrika.
Bei aller inneren Übereinstimmung ist es aber trotzdem neu, dass der Papst das Kondom in seinen Aussagen nicht mit einem absoluten und strikten „Nein" belegt. Es kann Mittel sein, zu einem ganz bestimmten Ziel. Damit leistet Benedikt XVI. seinen Beitrag, damit wieder mehr über Menschlichkeit und Hilfe, und weniger über verhärtete Positionen gesprochen werden kann. Was das moraltheologisch bedeutet und was das für die innerkirchliche Diskussion bedeutet, dazu werden wir mit Sicherheit in den nächsten Tagen und Wochen noch viel hören. (rv)