GB: Benedikt in Schottland – Erste Eindrücke

Papstreise nach Großbritannien: 1. Tag

Unser Redaktionsleiter P. Bernd Hagenkord beobachtet Papst Benedikts Reise nach England und Schottland für uns. Hier seine ersten Eindrücke.
 Stürmisch war es und typisch britisch: stürmisch des Windes wegen und typisch britisch, weil der Empfang gleich eine ganze Reihe von Eigenheiten des Landes zeigte. Der Herzog von Edinburgh am Flughafen, die Soldaten im Schottenrock, das Understatement der Verantwortlichen, alles das gehört zum Besonderen hier in Großbritannien. Tief in Tradition verankert und gleichzeitig sehr modern, so zeigt sich das Land dem Besucher.
Viel ist im Vorfeld über den Charakter des Staatsbesuches gesprochen worden. Die Ankunft des Papstes in Edinburgh und der Empfang im Palast von Holyroodhouse haben ein erstes Bild davon gezeigt: die Begegnung mit den Katholiken, die Gespräche mit den andren Christen, besonders den Anglikanern, aber ganz besonders der Besuch in einer säkularen Welt sind die Anliegen Benedikts XVI.
In seiner Begrüßungsansprache an die Königin hat Benedikt XVI. auf die christlichen Wurzeln hingewiesen, die immer noch das Land prägen.
Diese Wurzeln möchte er ansprechen und über die Rolle von Religion, die Bedeutung Gottes in der modernen und säkularen Welt sprechen. Und dazu ist er hier, in einem der am meisten säkularisierten Länder Europas, genau am richtigen Platz. Auch Königin Elisabeth II. hat diesen Aspekt der Reise hervorgehoben.
Auf den Straßen waren keine Menschenmassen zu sehen, auch das war auffällig.
Ein freundlicher Empfang, aber auch hier regiert das Understatement.
Es wird schwierig werden für den Papst. Die Menschen sind interessiert und gespannt, aber gejubelt wird eher verhalten – auch das ist Teil des Besuchs. Benedikt begegnet einer Gesellschaft, in der Religion nicht selbstverständlich ist, und er besucht eine katholischen Kirche, die eine Minderheit ist.
Der zweite Tage der Reise, der Freitag, wird zeigen, wie er die Menschen in Großbritannien erreicht. (rv)

Der unsichtbare Papst – ein Korrespondentengespräch

Papstreise nach Großbritannien: 1. Tag

Erster Tag der Papstreise nach Großbritannien: Von London aus verfolgt unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord SJ Benedikts erste Schritte auf schottischem Boden. Wir fragten ihn, inwieweit die Briten für die Visite aus Rom gerüstet sind. Reden denn die Leute über den Staatsgast aus dem Vatikan?
„Wir haben die Möglichkeit gehabt, einige Orte schon vorher zu besuchen, zum Beispiel den Lambeth Palace – die Halle und auch die Privaträume, wo das Treffen mit Primas Rowan Williams sein wird –, die Westminster Cathedral und anderes. Alles ist bestens vorbereitet. Und auch inhaltlich: Ich habe mit einigen Verantwortlichen sprechen können und den Eindruck, dass der Papst hier sehr willkommen ist, vor allem auch in der anglikanischen Kirche. Man will die Gelegenheit nutzen, miteinander zu sprechen. Die Vorbereitungen sind bestens – jetzt werden wir sehen, was der Papst und die Menschen, die er trifft, daraus machen…"
Und merkt man in der britischen Hauptstadt schon etwas davon, dass der Papst an diesem Donnerstag Abend dort eintrifft?
„Die Zeitungen an jeder Straßenecke haben ein Bild vom Papstbesuch auf der Titelseite, aber sonst ist der Besuch in London – noch – unsichtbar. Ein wenig merkwürdig ist das schon, vor allem für uns Journalisten. Da ist ein Großereignis – und es ist nicht wirklich sichtbar. Wenn man nicht wüßte, was in den nächsten Tagen passiert, könnte man das glatt uebersehen. Einige der Stände, wo man Souvenirs kaufen kann, Teddys in Gardeuniformen und so, verkaufen zwar auch gelb-weisse Fahnen, aber nur wenig. Sonst ist da so gut wie nichts sichtbar. Mit den Verkehrssperrungen wird das zwar schnell anders werden, es zeigt aber auch, dass der Papst kein Heimspiel hat, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Es wird nicht einfach für ihn werden, die Menschen zu erreichen, mit ihnen zu sprechen; zu viele interessiert das einfach nicht."
Für was interessiert sich der Mann auf der Straße denn im Moment sonst, wenn nicht für den bevorstehenden Papstbesuch in London?
„Bei den Straßengesprächen oder in den Pubs ist das kein großes Thema. Auf der Straße redet man über die Verurteilung von George Michael und über die fehlende Polizei und über Politik, aber der Papst ist nicht wirklich ein Thema. Es ist ein großer Unterschied zu Johannes Paul II. Mit seinem Charisma hat er auch in nicht-katholischen Ländern Massen angezogen. Benedikt ist anders. Und das sieht man ganz deutlich besonders bei diesem Besuch: Er will Themen ansprechen, den Atheismus und seine Folgen, die Ökumene mit den Anglikanern, die Frage nach Gott in der Gesellschaft, all diese Dinge… und das ist natürlich keine einfache Kost. Benedikt reist nicht, um bejubelt zu werden, sondern um Themen anzusprechen. Und wenn man das tut, muss man sich klar sein, dass das in einer modernen Gesellschaft nicht alle interessiert. Und er ist trotzdem gekommen. Das zeigt, das Benedikt diese Diskussionskultur Ernst nimmt und sich beteiligen will. Aber er muss Überzeugungsarbeit leisten. Mein Eindruck ist, dass man nicht so genau weiss, was man von Benedikt halten soll. Bei Johannes Paul war das einfacher; jetzt muss man denken und genau zuhören, einfacher Jubel für den Star reicht nicht. Die Starkultur ist sehr stark hier, besonders auch in der Politik und überhaupt im öffentlichen Leben; da will Papst Benedikt nicht so richtig reinpassen. Oder besser: Da will er sich auch gar nicht einfügen. Deswegen werden, denke ich, erst die nächsten Tage zeigen, was die Briten von Benedikt halten."
Der Papst hat ja schon auf dem Flug nach Edinburgh das Thema Missbrauchs-Skandale angesprochen…
„Das ist schon fast eine Tradition geworden. Es gibt Dinge, die den Besuch begleiten werden, und die Missbrauchs-Debatte gehört dazu. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Benedikt im Flugzeug die heiklen Punkte quasi schon vorweg nimmt. Damit schafft er das Thema nicht aus der Welt, aber er kann den richtigen Ton finden. Die Menschen, zu denen er kommt, sind ja schon viel länger als wir in Deutschland oder Österreich oder der Schweiz mit diesen Missbrauchsfällen beschäftigt, und die Menschen wollten hören, wie der Papst dazu steht. Das hat er im Flugzeug noch einmal sehr klar und sehr persönlich ausgedrückt. Das hier ist eine gebrochene Kirche, durch diese Missbrauchsfälle gebrochene Kirche, und dem hat der Papst mit seinen Worten Respekt erwiesen."
Der Papst befindet sich auf dieser Reise sozusagen im Epizentrum des neuen (und manchmal auch kämpferischen) Atheismus. Wie wird sich das auswirken?
„Atheismus ist vielleicht die geheime Überschrift über der Reise, zumindest eine Kapitelüberschrift. Viel von der harten Kritik um Vorfeld und auch jetzt auf den Bildschirmen kommt von Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen und die eine Rolle spielen hier, mindestens in den Medien. Dass er das auch im Flugzeug angesprochen hat, zeigt, dass er genau weiss, was ihm hier begegnen wird. Ich glaube, man muss diese Kritik als das nehmen, was sie ist. Man muss mit den Kritikern sprechen, und genau dazu wird der Papst sicherlich auch einiges sagen, spätestens in der Westminster Hall. Natürlich gibt es auch hier die üblichen Verdächtigen, die selber keine Kritik vertragen, aber so ist das. Was der Papst immer wieder sagt, ist, dass eine Welt ohne Gott und ohne Religion keinen Grund hat, dass das gefährlich ist für uns Menschen. Und das wird sicherlich auch hier ein Thema für ihn sein." (rv)

GB: Papst trifft Königin

Papstreise nach Großbritannien: 1. Tag

Unter Dudelsackklängen und reger Anteilnahme zahlreicher Gläubiger und Neugieriger gelangte Benedikt durch das Zentrum Edinburghs, das zum UNO-Weltkulturerbe zählt, in den königlichen Palast. Die Queen in einem taubengrauen Kostüm mit Hut nahm das Kirchenoberhaupt im Morning Room in Empfang, während gleichzeitig in einem anderen Saal Kardinalstaatsskretär Tarcisio Bertone den britischen Vizepremier Nick Clegg traf.
 In seiner Ansprache vor der Queen und anderen politischen und kirchlichen Autoritäten, darunter dem anglikanischen Primas Erzbischof Rowan Williams, würdigte der Papst den damaligen Widerstand Großbritanniens gegen die Nazidiktatur. Er wandte sich gegen den heutigen „aggressiven Säkularismus" und forderte die britischen Medien dazu auf, respektvoll mit der Menschenwürde umzugehen. Hier die Kernsätze der ersten Rede Papst Benedikts auf britischem Boden:
„Eure Majestät! Ich danke Ihnen für Ihre liebenswürdige Einladung zu einem offiziellen Besuch in das Vereinigte Königreich… Tiefe christliche Wurzeln sind immer noch in jeder Schicht britischen Lebens vorhanden… Der Glaube wird eine starke Kraft zum Guten in Ihrem Königreich bleiben – zum Nutzen für Christen ebenso wie für Nichtchristen.
Selbst aus unserer Zeit können wir uns in Erinnerung rufen, wie Großbritannien und seine Verantwortlichen der Nazityrannei widerstanden haben, die Gott aus der Gesellschaft entfernen wollte und vielen das allgemeine Menschsein absprachen, besonders den Juden, die als „lebensunwert" betrachtet wurden. Ebenso möchte ich an die Haltung jenes Regimes gegenüber christlichen Pastoren und Ordensleuten erinnern, welche die Wahrheit in Liebe sagten, sich den Nazis entgegenstellten und diesen Widerstand mit ihrem Leben bezahlten.
Wenn wir über die nüchternen Lektionen des atheistischen Extremismus des 20. Jahrhunderts nachdenken, wollen wir nicht vergessen, wie der Ausschluß von Gott, Religion und Tugend aus dem öffentlichen Leben uns letztlich zu einer verkürzten Vision des Menschen und der Gesellschaft führt und damit zu einer herabwürdigenden Sicht des Menschen und seiner Bestimmung.
Die Regierung Eurer Majestät und die Regierung Irlands haben … dazu beigetragen, eine Friedensresolution für den Nordirland-Konflikt auf den Weg zu bringen. Ich ermuntere alle Beteiligten, auf dem … Weg zum Frieden weiter mutig voranzuschreiten.
Das Vereinigte Königreich bleibt politisch und wirtschaftlich eine Schlüsselfigur auf der internationalen Bühne… Entsprechend haben auch die britischen Medien, deren Meinungen ein so breites Publikum erreichen, eine schwerwiegendere Verantwortung als die meisten anderen Medien und eine größere Gelegenheit, … die Ausbreitung authentischer Menschenrechte zu fördern.
Heute strebt das Vereinigte Königreich danach, eine moderne und multikulturelle Gesellschaft zu sein. Bei diesem interessanten Unternehmen möge es stets seinen Respekt vor jenen traditionellen Werten und kulturellen Ausdrucksformen bewahren, die von aggressiveren Formen des Säkularismus nicht länger für wichtig erachtet oder nicht einmal mehr toleriert werden."
Religion war immer zentral für die Identität Großbritanniens, sagte die Queen, und sie könne eine Rolle spielen beim Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft. In Großbritannien sei Kultfreiheit an der Basis der Demokratie. (rv)

Vatikan: Erklärungen zu Interview

Ein Gespräch mit dem langjährigen Ökumene-Verantwortlichen des Vatikans, Kardinal Walter Kasper, hat in Großbritannien Wellen geschlagen. Der deutsche Kurienkardinal hatte dem „Focus" kurz vor Beginn der Papstreise auf die Britischen Inseln gesagt, dass die Reise nicht nur eine europäische, sondern eine universelle Dimension habe. Dabei sorgte Kaspers Begriff „Dritte Welt" für Unmut. Er bezog sich allerdings, wie der Vatikan am Mittwoch klarstellte, auf die große internationale Bedeutung Londons mit seiner kosmopolitischen Einwohnerschaft. Der Kardinal, der wegen Krankheit nicht an der Papstreise nach Großbritannien teilnimmt, ging auch auf den zum Teil etwas kämpferischen Atheismus dort ein. Der Vatikan spricht in seiner Erklärung von „einigen bekannten Autoren, die besonders aggressiv auftreten und wissenschaftliche oder kulturelle Argumente vorbringen, die aber in Wirklichkeit nicht von so großem Wert sind". Das bedeute natürlich nicht, „dass Kardinal Kasper nicht … die großen Werte der britischen Kultur kennt". (rv)