Bundeswehr: „Bestehende Dienste attraktiver machen“

Sparen und umverteilen, doch wie und um welchen Preis? Die Bundeswehr steht vor einer umfassenden Strukturreform: Um Geld einzusparen, soll die Wehrpflicht ab dem kommenden Jahr ausgesetzt und die Bundeswehr verkleinert werden. Andererseits sollen mehr Truppen für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen und diese auch besser ausgerüstet werden. Das sei auch höchste Zeit, so Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Institutes für Theologie und Frieden in Hamburg:
„Das ist natürlich keinem vermittelbar, dass eine Armee, die 250.000 Soldaten hat, maximal 10.000 ins Ausland schicken kann. Man fragt sich da, was machen die anderen 240.000 dann? Dieses Missverhältnis soll in Zukunft behoben werden. Und das bedeutet für die im Ausland befindlichen Soldaten, dass die Zeitabstände, in denen sie in solche Missionen geschickt werden, wesentlich größer werden. Heute beklagen die Soldaten ja, dass sie alle zwei, drei Jahre ins Ausland gehen müssen."
Die eigenen militärischen Möglichkeiten bei gefährlichen Auslandseinsätzen – wie zum Beispiel aktuell in Afghanistan – müssten realistisch eingeschätzt werden, so Justenhoven. Schließlich dürfe man keine Kräfte vergeuden oder die Soldaten gar gefährden. Über diese Fragen brauche es eine breite gesellschaftliche Debatte, die auch durch die Kirchen angeregt werden müsse:
„Afghanistan hat gezeigt, dass die Möglichkeiten, die wir haben, um mit militärischen Mitteln die Konsolidierung von Staaten und damit letztlich Friedensarbeit zu leisten, doch sehr begrenzt sind. Soldaten können im günstigen Fall einen Waffenstillstand absichern oder im Fall Afghanistan den Versuch machen, Aufständische daran zu hindern, Anschläge durchzuführen. Schon hier zeigt sich, wie schwierig das ist und wie begrenzt der Erfolg ist. Das heißt, die eigentliche gesellschaftliche Debatte, die wir führen müssen, ist: Setzen wir hier wirklich die richtigen Mittel ein, um das Ziel der Befriedung einer Gesellschaft zu erreichen?"
Im Rahmen der Strukturdebatten hatte Familienministerin Kristina Schröder zuletzt für einen staatlichen Freiwilligendienst plädiert, der bei Wegfall von Wehrpflicht und Zivildienst wirksam werden sollte. Von einer solchen allgemeinen „Dienstpflicht" hält Justenhoven nichts. Sie sei heute nicht mehr zu rechtfertigen:
„Der einzige Grund, warum man junge Menschen verpflichten konnte, war eine Sicherheitslage, die derart existentiell war und als solche angesehen wurde, dass sie den Einzelnen dazu verpflichtete, auch gegen seinen Willen zu leisten, entweder in der Armee oder zumindest als Zivildienst. Und die Situation haben wir nicht mehr."
Justenhoven plädiert dagegen für ein Bonus-System, dass den freiwilligen Einsatz honoriert und den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr oder das freiwillige soziale oder ökologische Jahr für junge Menschen attraktiver macht:
„Diese jungen Leute leisten einen Dienst für die Gesellschaft, andere tun es nicht – und warum honoriert man das nicht? Das kann man zum Beispiel tun, indem man ein Bonussystem erfindet, in dem die Studeinplatzwahl oder Bafög oder steuerliche Anreize gegeben werden, die den jungen Leuten ermöglichen, nachher darin auch für sich einen Vorteil zu erkennen und zu sagen, gut, ich orientiere mich, mache einen Freiwilligendienst bei der Bundeswehr oder ein FSJ, was mir nachher erlaubt, im Studium oder der Ausbildung den Nachteil, den ich gehabt habe, durch einen Vorteil zu kompensieren." (rv)