D: „Missbrauchs-Richtlinien müssen Vertrauensräume schaffen“

Die Leitlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen haben in den letzten Monaten eine gewisse Berühmtheit erlangt, immer wieder hieß es, sie müssten im Licht der ans Licht gekommenen Missbrauchsfälle überarbeitet und verbessert werden. Nun ist es soweit, an diesem Montag tagt der Ständige Rat der deutschen Bischofskonferenz genau zu diesem Thema. Pater Klaus Mertes ist Rektor des Canisius-Kollegs in Berlin, also der Schule, die im Januar 2010 zuerst an die Öffentlichkeit gegangen ist. Seine Erfahrung ist, dass die Aufarbeitung sehr stark an der Frage hängt, wie glaubwürdig die Opfer sind.
 „Damit sie glaubwürdig sind, muss es einen Raum geben, in dem es zwischen Opfer und Institution zu einem Gespräch kommen kann, in dem das „Ich glaube dir" oder eventuell trotz des vorher gegebenen Vertrauensvorschusses das „Ich glaube dir nicht" entstehen kann. Dieser Vertrauensschutz muss meiner Meinung nach in die Richtlinien in irgendeiner Weise hinein."
Da entsteht aber ein Dilemma, denn auf der anderen Seite wolle man – und ab einem gewissen Punkt müsse man ja mit den staatlichen Stellen wie den Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten.
„Das Problem bleibt, dass die Staatsanwaltschaft selbst eben keine Opferschutzorganisation ist und die Opfer verstummen, wenn sie uns aus dem Verfahren nur als einen Briefkasten verstehen, der Beschwerden an die Staatsanwaltschaft weitergibt."
Aber bei diesen formalen und strukturellen Fragen bleibt die Verbesserung des Umgangs, wie ihn die Bischöfe an diesem Montag besprechen, nicht stehen. Man müsse auch an die Frage heran, was in der Kirche gestärkt oder verändert werden müsse.
„Das ist eine ganz schwierige Frage, die letztlich in die Frage der Prävention hineingeht. Das Allerwichtigste was wir tun müssen, ist dass wir uns mit einer Frage auseinandersetzen, die über die Richtlinienfrage hinausgeht: was müssen wir bei uns reflektieren und bedenken, um uns zu öffnen für die „Opfer unserer Pastoral"."
Vertrauensverlust geht seit Beginn mit der Aufklärung einher; er wird auch an der Zahl der Kirchenaustritte deutlich. Allerdings gibt es in dem Maße, wie die Aufklärung gelingt, auch einen Zuwachs an Vertrauen, hat Mertes beobachtet:
„Der ist nicht so lautstark wie der Vertrauensverlust, aber der ist auch da. In dem Moment, wo die Menschen vor allem in der Kirche aber auch außerhalb der Kirche erleben, dass die Kirche ehrlich und ohne Angst mit der Wahrheit, auch wenn sie bitter ist, umgeht, in dem Moment wächst Vertrauen." (rv)